Pfaffenhofen
"Das kam doch überraschend"

Johannes Huber (30) spricht über seine Wahl für den neuen Deutschen Bundestag

12.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:22 Uhr

Der neue AfD-Bundestagsabgeordnete Johannes Huber beim Redaktionsgespräch. - Foto: Kraus

Pfaffenhofen (PK) Als einziger AfD-Abgeordneter der Region und Jüngster seiner Landesgruppe zieht Johannes Huber in den neuen Deutschen Bundestag ein. Trotzdem ist der 30-jährige Quereinsteiger aus Nandlstadt für viele ein Unbekannter.

Johannes Huber betritt die politische Bühne quasi aus dem Nichts. Er ist 30 Jahre alt, Schwiegersohn-Typ, Finanzbuchhalter, begeisterter Volkstänzer, studierter Diplom-Soziologe - und jetzt plötzlich Abgeordneter des Deutschen Bundestags. Huber nennt sich selbst liberal-konservativ. Er hat sich politisch allem voran mehr direkte Demokratie auf die Fahne geschrieben - und jongliert trotzdem mit Begrifflichkeiten wie "Masseneinwanderungspolitik" oder "schleichende Überfremdung".

Aber wer ist der 30-Jährige, der als einziger AfD-Politiker der Region den Sprung ins Parlament geschafft hat? Der jetzt plötzlich neben dem gewählten CSU-Direktkandidaten den Landkreis in Berlin vertritt?

Johannes Huber ist kein verprellter oder enttäuschter CSUler, er hat keine politische Vita vor der AfD. Er ist ein junger Mann aus Nandlstadt, einer kleinen oberbayerischen Marktgemeinde in der Hallertau, idyllisch im nördlichen Landkreis Freising gelegen. "Wir sind eine relativ große Familie mit sechs Geschwistern", erzählt er über seine Wurzeln. "Wir sind ganz bodenständig auf dem Bauernhof aufgewachsen, wo man auch mal anpacken muss."

Sein Weg in die Politik habe während des Studiums der Soziologie an der Katholischen Universität Eichstätt begonnen. Damals, 2010, war die Finanzkrise von 2007 kaum überwunden, als die Eurokrise über Europa hereinbrach. "Da habe ich mir die Frage gestellt, warum ich jedes Semester Studiengebühren zahlen muss, während international agierende Banken mit 800 Milliarden Euro einfach so von heute auf morgen gerettet werden, weil sie als systemrelevant gelten", sagt Huber rückblickend. "Da war dann auf einmal Geld da."

Die Eurokrise als politische Initialzündung? "Damals wurden ja nicht die Länder gerettet", kritisiert Huber. "Die Griechen haben am Schluss keinen Cent bekommen, sondern die Gläubiger - also die Banken, die wir mit unseren Steuergeldern gerade erst gerettet hatten", argumentiert der 30-Jährige. "Das war nicht nur skandalöse Umverteilungspolitik, sondern ein regelrechter Raub am Steuerzahler."

Aus politischem Interesse wurde fließend politisches Engagement. "Meine Frisöse ist schuld", scherzt Huber. Mit ihr habe er dauernd politisiert - bis sie gesagt habe: "Johannes, es reicht, jetzt musst du auch in die Politik gehen." Und so fand Huber 2014 zur damals noch jungen AfD - unter Bernd Lucke eine hauptsächlich eurokritische Partei. Seit gut einem Jahr ist er Funktionär im Kreisverband Freising-Pfaffenhofen, der ihn schließlich zum Bundestagskandidaten nominierte.

Zuvor hat Huber als Controller in der Finanzbuchhaltung gearbeitet, unter anderem für die Metall- und Elektroindustrie und einen Verkehrsdienstleister. Den Firmennamen seines aktuellen Arbeitgebers nennt er nicht öffentlich. Um ihm nicht zu schaden. "Das handhabe ich so, damit das nicht für irgendjemanden ein Problem wird." Bis heute ist Huber noch regulär im Job. Ab morgen ist er unbezahlt freigestellt - zur Ausübung seines Mandats.

"Dass ich gewählt wurde, kam ja doch überraschend", sagt er. 14 Mandate hatte die bayerische AfD errungen - sein 13. Listenplatz hat wegen des guten Abschneidens seiner Partei bei den Zweitstimmen (in Bayern 12,4 Prozent, im hiesigen Wahlkreis 13,6 Prozent) am Ende doch noch für einen Sitz im Bundestag gereicht, obwohl er als Direktkandidat unterlegen war. "Am Montagfrüh nach der Wahl habe ich noch zwei Stunden im Büro gearbeitet", erzählt der 30-Jährige. Und dann musste er schon das erste Mal für drei Tage nach Berlin. "Ich bin bewusst mit dem Auto gefahren", sagt er. Um nachdenken zu können. In Ruhe.

Ruhe ist überhaupt ein Wort, mit dem sich Huber beschreiben lässt. Völlig ruhig beklagt er Massenzuwanderung, Islamisierung, politische und religiöse Radikalisierung. Denn rhetorisch ist Huber längst in der Bundespolitik seiner Partei angekommen. Auch wenn seine Forderung nach einem Volksabstimmungsmodell nach Schweizer Vorbild im Wahlkampf sein Mantra war, steht der junge Nandlstädter sehr wohl auch für nationale und völkische Positionen: "Die Leute wollen einfach nicht, dass die kulturelle Identität schleichend abhandenkommt und die Überfremdung zunimmt - und wir als AfD wollen das genauso wenig", sagt Huber. Das seien klassisch konservative Themen, die die CSU aufgeben habe. Eine nationale Ausrichtung sei keine Frage der Einteilung der politischen Landschaft in links und rechts, argumentiert er. "Bei uns gibt es neben liberalen Mitgliedern auch National-Konservative in der Partei - und das ist auch richtig so."

"Uns macht es nichts aus, vom politischen Gegner ins rechte Eck gedrängt zu werden ", sagt der junge AfD-Abgeordnete. "Manchmal macht man sich eben unbeliebt, wenn man Themen anspricht, die in der Bevölkerung drängend sind." Sei's nun bei Euro, Islam oder Einwanderung. Die AfD sei insofern auch nicht populistisch, argumentiert der Nandlstädter - im Gegenteil: Die AfD vertrete ihre Positionen konsequent. Die CSU hingegen "schaut opportunistisch, wo sie die meisten Wählerstimmen bekommt".

Huber spricht, als wäre er noch im Wahlkampfmodus. Er kritisiert die schleichende Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten. Er kritisiert das undemokratische Konstrukt Europas. "Wir stehen für ein demokratisches und souveränes Europa aus Nationalstaaten", sagt er. Und zwar eher in Form einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ohne Euro. "Wir sehen die politische EU wegen ihrer Demokratiedefizite kritisch." Auch sei der Vertrag von Maastricht, mit dem die EU begründet wurde, während der Eurokrise gebrochen worden. Ein weiteres Mal nun während der "Migrationskrise", wie Huber es formuliert.

Es ist einer jener Momente, in denen der junge Politiker im Gespräch nahtlos auf Asyl- und Merkelkritik umschwenkt: "Merkel hat ihren Eid aufs Grundgesetz geschworen und es dann gebrochen", urteilt der AfD-Abgeordnete. Artikel 16a, Absatz 2, regle, dass niemand Recht auf Asyl genieße, der über einen sicheren Drittstaat einreist. Die Kanzlerin habe bewusst deutsches und europäisches Recht gebrochen - und so leitet Huber einmal mehr zum geforderten "Untersuchungsausschuss Merkel" über.

Wann er vom Euro- zum Einwanderungskritiker wurde? Auch da hat Huber eine kleine Geschichte parat. Und diese spielt Mitte 2015 beim G-7-Gipfel auf Schloss Elmau. "Damals wurde die Grenze abgeriegelt; jede Nagelfeile wurde dort abgenommen, um für diese hochrangigen Politiker jegliche Gefahr ausschließen zu können", erinnert sich der Abgeordnete. "Doch ein paar Wochen später, als die Massen an der Grenze standen, gab es überhaupt keine Kontrollen oder Sicherheitsbedenken mehr." Er sei damals bei einer AfD-Klausur auf einer Hütte in Österreich gewesen. Habe vom Berg aus "die Menschenmassen" gesehen.

Zurück im Heute wartet ab kommender Woche Berlin auf Huber - und Arbeit steht an. Persönliche Angelegenheiten regeln, ein Mitarbeiterteam suchen, ein Wahlkreisbüro aufbauen. Ganz zu schweigen von der Pendelei. Denn er liebt seine Heimat Nandlstadt, sagt Huber. Hier genießt er die Zeit mit seiner Freundin, besucht Volkstanzabende, geht gern spazieren. Er will hier wohnen bleiben, sagt er. Und in Berlin nur seinen Zweitwohnsitz anmelden.