Pfaffenhofen
"Das ist die letzte Chance"

Klinik-Geschäftsführer Marcel John über die Zukunft der Ilmtalklinik und Fehler in der Notfallaufnahme

17.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:06 Uhr

 

Pfaffenhofen (PK) Die Notfallambulanz: Kaum eine Abteilung der Ilmtalklinik steht so im Fokus, aber auch in der Kritik der Öffentlichkeit. Ungewöhnlich offen nehmen der neue Geschäftsführer Marcel John und der Ärztliche Direktor Roland Burgert zu Vorwürfen von Bürgern und Patienten Stellung. Im PK-Interview zur Sprache kommen aber auch die Entwicklung des Defizits der Ilmtalklinik und deren Zukunftschancen.

Zu ihrem Dienstantritt Anfang Mai hat Ihnen Landrat Martin Wolf ein Einstandsgeschenk über 16 Millionen Euro mit auf den Weg gegeben. 5,3 Millionen pro Jahr bis 2016 – zum Defizitausgleich und zur gebäudetechnischen Sanierung der Ilmtalklinik.

John: Das stimmt.

 

Für das Jahr 2013 war damals von einem Defizit in Höhe von 3,6 Millionen Euro die Rede, 2014 wollte man diese Zahlen unterschreiten. Wo wird die Ilmtalklinik am Jahresende stehen?

John: Tatsächlich lagen wir Ende 2013 bei knapp über vier Millionen Euro. Dieses Jahr haben wir im Wirtschaftsplan mit 3,8 Millionen Euro kalkuliert – und das werden wir auch schaffen.

 

Geht es bis 2016 weiter heraus aus den roten Zahlen?

John: Auf jeden Fall. Das muss das Ziel sein. Wir sind mitten dabei eine medizinische Strategie zu entwickeln und führen regelmäßig Strukturgespräche, bei denen es um Themen geht, wie Patienten-Verweildauer, OP-Auslastung, aber auch um Abrechnungsfragen. Natürlich betriff das auch organisatorische Maßnahmen, beispielsweise in der Intensivstation oder in der Notfallambulanz.

 

Gerade die Notfallambulanz steht immer wieder massiv in der Kritik. Patienten oder deren Angehörige schimpfen über teilweise extrem lange Wartezeiten und eine nicht optimale Behandlung.

John: Da gebe ich Ihnen völlig recht. Als ich hier angekommen bin, habe ich in der Nachbarschaft auch genau das wahrgenommen – und deshalb war das für mich ein ganz prioritäres Thema. Deshalb haben wir jetzt dort mit Dr. Dirk Lieber einen organisatorischen Leiter installiert, der sich genau um diese Dinge kümmert und dabei ist, unsere Überlegungen umzusetzen.

 

Das bedeutet für die Patienten konkret?

John: Wenn ein Patient die Schwelle des Krankenhauses überschreitet, dann muss er von einer Fachkraft gesehen werden. Zum einen müssen wir wissen, wie geht’s ihm – und zum anderen weiß der Patient, er ist im System angekommen.

 

Und wie geht es dann weiter?

John: Wir sind gerade in einer Aufbauphase, in der wir ein sogenanntes Triage-System einführen, mit dem Patienten kategorisiert werden. Zum Beispiel in Rot, Gelb oder Grün, je nachdem wie dringlich der Fall ist. Und das heißt dann logischerweise, dass man die roten Fälle zuerst abarbeitet. Dass es dann bei den Patienten, die unter die grüne Kategorie fallen, zu längeren Wartezeiten kommen kann, ist klar. Hier müssen wir uns überlegen, wie man diese Zeit für die Patienten angenehmer gestalten oder sie generell reduzieren kann.

 

Und wie kann man sie generell reduzieren?

John: Bislang sind die Ärzte aus der Inneren Medizin, die auch in die Ambulanz gehen, oft in der Intensivstation gebunden. Wir wollen einen eigenen Arzt im Schichtdienst für die Intensivstation einführen, dann haben diese Ärzte viel mehr Zeit, sich um die Patienten der Ambulanz zu kümmern.

 

Wartezeiten wird man trotz allem aber nicht vermeiden können?

Burgert: Wir müssen mit dem Patienten viel mehr kommunizieren, dann fühlt er sich auch ernst genommen. Und wenn man ihm vernünftig erklärt, warum er wegen anderer Notfälle nicht sofort an die Reihe kommt, dann hat er auch mehr Verständnis dafür.

 

Bei der PK-Redaktion haben sich zwei Patienten beziehungsweise deren Angehörige gemeldet – die die Kritik an der Notfallambulanz untermauern. Es geht um ein gebrochenes Schlüsselbein, einen Bruch am Oberarm, Fehldiagnosen und wahnsinnige Schmerzen.

Burgert: Die Schlüsselbeinfraktur wurde von einem erfahrenen Mediziner, der kurz vor dem Facharzt steht, erkannt. So wie die Stellung der Knochen zum damaligen Zeitpunkt war, meinte man, man muss nichts machen und kann es konservativ behandeln. Wie es übrigens bei 80 Prozent der Schlüsselbeinbrüche der Fall ist. Am nächsten Tag geht der Patient zu einem anderen Arzt und der entscheidet auf eine Operation. Anscheinend war die Stellung der Knochen anders. Dass das Ganze nun an uns als erstbehandelnde Klinik hängenbleibt, kann ich verstehen – da gibt es auch gar keine Diskussion.

 

Hätte sich die Ilmtalklinik hier besser verhalten können?

Burgert: Der Mann hatte offenbar starke Schmerzen. Hier hätten wir anders reagieren und ihn beispielsweise stationär aufnehmen sollen. Dann hätte man mit einer Schmerztherapie beginnen können und vielleicht am nächsten Tag festgestellt, dass sich die Knochenteile zunehmend verschieben und entsprechend vorgehen können.

 

Und bei der Patientin mit dem Oberarmbruch?

Burgert: Hier ging um einen kleinen Riss in einem Knochenstück, der von den Kollegen nicht erkannt wurde. Wir schauen immer alle Bilder vom Vortag oder der Nacht an. Ich habe den Riss auch festgestellt. Der normale Schritt wäre gewesen, den Hausarzt anzurufen und die Patientin wieder einzubestellen. Warum das in diesem Fall nicht funktioniert hat? Ich kann es Ihnen nicht sagen. Ich habe mich auch bei der Frau persönlich entschuldigt. Hier haben wir in den Abläufen jetzt Kleinigkeiten verändert, damit so etwas nicht mehr passiert.

 

Auch diese Frau klagte über starke Schmerzen.

Burgert: Auch hier hätte man eine stationäre Behandlung mit einer Schmerzmedikation anbieten sollen. Dass die Leute dann in solchen Fällen verärgert sind, ist verständlich.

John: Auch im zweiten Fall wurde die Patientin übrigens von einem erfahrenen Arzt untersucht.

 

Aber genau wegen solcher Fälle entsteht in der Öffentlichkeit immer wieder der Eindruck, dass vor allem am Wochenende in der Notaufnahme nur völlig unerfahrene Ärzte – salopp gesagt frisch von der Uni – Dienst schieben.

Burgert: Nein, das tun sie nicht. Natürlich arbeiten noch unerfahrene Ärzte in der Ambulanz mit, sie sollen ja auch etwas lernen. Aber dann sind sie tagsüber unter Aufsicht. Wer allerdings in der Nacht oder am Wochenende selbstständig Dienst macht, der muss schon auf einem hohen Niveau sein und Erfahrung haben. Und diese Kollegen machen übrigens, wie ebenfalls immer befürchtet wird, keine 24 Stunden Dienst am Stück und sind völlig übermüdet.

 

Also keine drei Schichten hintereinander, wie man es aus Ärztesoaps kennt?

Burgert: Nein. Das war früher mal so. Wir arbeiten nach dem Arbeitszeitgesetz – nach maximal zehn Stunden ist Schluss.

 

Die Heilungschancen für den Dauerpatienten namens „Ambulanz“ stehen also gut?

John: Die Notfallambulanz ist unsere Eintrittspforte und unser Aushängeschild. Hier sehen wir auch ganz klar einen der wichtigsten Schlüssel für einen Erfolg unserer Klinik – und das muss funktionieren. Ich gehe davon aus, dass die vordringlichsten Dinge Anfang nächsten Jahres umgesetzt sein werden.

 

Aus den Reihen der Politik hört man immer wieder: Schafft es der neue Geschäftsführer Marcel John nicht, die Ilmtalklinik wieder auf Kurs zu bringen, dann war es das mit dem kommunalen Krankenhaus.

John: Dieser Einschätzung stimme ich zu – das ist die letzte Chance. Auch weil die Politik mit dieser Patronatserklärung und den 16 Millionen Euro bis 2016 die Konsolidierung ernsthaft, aber auf einen Zeitraum definiert, angehen will. Wenn dieser Versuch nicht funktioniert, ist das gescheitert.

 

2016 ist also eine Art Deadline?

John: Genau. Bis dahin muss es eine deutliche Tendenz geben, wo es hingeht.

 

Sind Sie optimistisch?

John: Ja. Ich sehe, was hier für Leute sind, ich sehe den Rückhalt, den wir haben, in der Politik und im Aufsichtsrat sowie bei den niedergelassenen Ärzten. Jeder will – also warum soll es nicht funktionieren? Wir haben unsere Baustellen, die müssen wir angehen. Wenn wir das jetzt tagtäglich tun, wenn wir alle zusammenwirken und jeder dahinter steht – dann werden wir es auch schaffen.

 

Das Gespräch führte

Rudi Gegger.