Pfaffenhofen
"Damit jeder reinschauen kann"

Frauen Union bekommt eine Moscheeführung von ihren muslimischen Gastgeberinnen

01.07.2015 | Stand 02.12.2020, 21:07 Uhr

Foto: Isabel Ammer

Pfaffenhofen (PK) Ehrfürchtig treten sie mit bloßen Füßen auf den weichen Teppich im Gebetsraum. Sie sind Christinnen, doch der Religion ihrer Gastgeberinnen begegnen sie mit Respekt und großer Neugier. Die Frauen Union hat gestern die Moschee besucht – und viele, viele Fragen gestellt.

„Auch keinen Kaffee“ Die Frauen der Pfaffenhofener Frauen Union schütteln ungläubig die Köpfe. „Gar nichts“, antwortet die Syrerin Wafaa Abou Baker von der arabisch-deutschen Frauengruppe „Al salam“. Doch es gebe Ausnahmen im Ramadan: Ältere, Kranke, Kinder. Das beruhigt die deutschen Frauen. Das Thema Essen interessiert sie: Sie habe einen Kuchen gebacken für die syrischen Asylbewerber, doch die hatten Angst, erzählt Helga Engelhard-Kraus, die die Idee zum Treffen in der Moschee hatte. Da gehe es um Gelatine und Alkohol, erklären die muslimischen Frauen. Alkohol dürfen sie eigentlich nie trinken, „das ist nicht gesund“. „Bei uns gibt es sogar in der Kirche Wein“, sagt Rita Lojewski, die mit ihrer Enkelin da ist. „Das kommt aus der Geschichte, weil es kein sauberes Wasser gab“, weiß eine andere.

Gegen halb zehn abends ist in der Moschee jeden Abend Fastenbrechen. 70 bis 80 Leute versammeln sich dann, die Familien kochen, auch die Asylbewerber sind eingeladen. „Auch sonst treffen sich die muslimischen Frauen viel häufiger als die europäischen“, bedauert Helga Engelhard-Kraus. Sogleich werden die deutschen Frauen zum Abendessen nach Sonnenuntergang eingeladen.

Vor einer filigran geschnitzten Türe ziehen alle Frauen ihre Schuhe aus. Vor ihnen öffnet sich ein heller, weiter Raum mit Fenstern vom Boden bis zur Decke. „Sie sind so hoch, damit jeder reinschauen kann“, erklärt Obak Merve. Denn vor heimlichen Dingen würden sich die Menschen fürchten, aber es gebe hier nichts, vor dem man sich fürchten müsste.

Trotzdem gibt es immer wieder Ärger mit Nachbarn, die keine Moschee in ihrer Umgebung haben wollen. „Was da vorher gestanden ist, war ein Schutthaufen“, empört sich Helga Engelhard-Kraus. Die Moschee sei so schön. Nur schade, dass das Minarett so klein sei. „Wir stören doch niemanden, das müssen Menschen sein, die unglücklich in ihrem Leben sind“, sagt Obak Merve. Auch den Muezzin höre man draußen nicht rufen, nur in der Moschee ruft er auf einem Podest zum Gebet. Auch das finden die deutschen Frauen eigentlich schade. Doch die muslimischen Frauen wissen: „Da denken viele anders, bei einem Gebetsruf würden sie uns bombardieren.“ Vor 100 Jahren seien die Pfaffenhofener mit ähnlichen Worten gegen eine evangelische Kirche vorgegangen, beruhigen die Christinnen.

Fünfmal am Tag betet der Imam in der Moschee. Wer Zeit hat, kommt dazu. Davor waschen sich die Muslime im eigens dafür gebauten Waschraum. „Ist der hübsch“, ruft eine Frau aus. Die Wände um die Wasserhähne sind mit feinen Mustern im Marmor verziert, kleine Sitzgelegenheiten aus Stein durchziehen den Raum. Freitags ist das Mittagsgebet für Männer Pflicht und für Frauen sehr wichtig. „Wenn wir beten, werden wir zufrieden und ruhig“, erzählt Wafaa Abou Baker. „Ihr schätzt eure Religion viel mehr wert als die Christen ihre“, überlegt Helga Engelhard-Kraus. Sie selbst gehe sonntags in die Kirche, doch oft werde sie blöd angeschaut deswegen oder müsse sich entschuldigen, wenn sie deswegen für etwas anderes keine Zeit habe.

Bald sitzen alle im Kreis auf dem weichen Teppich. Hier sind im Gebet alle gleichgestellt, Bettler und König. Über ihnen winden sich Koranverse um die Kuppel. „Ein Befehl im Islam lautet: lies, lies, lies! Deswegen gibt es die Verse in den Moscheen“, erklärt Obak Merve. Und in einem Kreis geschrieben seien sie, weil die Erde rund sei und die Welt sich drehe. Und noch etwas ist ihnen wichtig: Die, die im Namen Allahs töten, das seien Ungebildete. Im Koran stehe, man dürfe keiner Fliege etwas tun, wenn sie nicht gerade angreife.

Und nach dem Tod? Jenseits, jüngstes Gericht, gleich Himmel oder erst Hölle – je nachdem, was für ein Leben der Mensch geführt hat. Hauptsache er glaubt an Allah und die Propheten, lautet die Antwort der Musliminnen. „Das ist ja wie bei uns“, rufen die Christinnen. Oder zumindest ganz ähnlich. Die Unterschiede sind gar nicht so groß – und gleich wird ein Gegenbesuch geplant. Wenn es klappt, gibt es dann für die muslimischen Frauen eine Kirchenführung, denn auch sie haben noch viele, viele Fragen.