Pfaffenhofen
"Wir düngen der Pflanze ins Maul"

Nitratbelastung: Bauern-Kreisobmann Max Weichenrieder sieht Berufsstand zu Unrecht in der Kritik

17.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:47 Uhr

Gülle ausbringen ist im Winter verboten. Im Sommer versuchen die Bauern, wie hier bei Ilmmünster, nach Bedarf zu düngen. - Foto: Alfred Berger

Pfaffenhofen (PK) Die Nitratbelastung des Trinkwassers ist auch im Landkreis ein heikles Thema. Die Grenzwerte werden zwar eingehalten. Aber das war nicht immer und überall so. Kreisobmann Max Weichenrieder erklärt, was die Landwirte leisten, damit sich die Lage weiter entspannt.

Schwarze Schafe gibt es überall. Was die Überdüngung des Bodens und die Entsorgung überschüssiger Gülle betrifft, sind wohl auch einige Landwirte aus dem Landkreis darunter. "Ich kenne aber keinen, der so etwas tut", stellt sich Kreisobmann Max Weichenrieder vor seine Zunft. Und die Begründung, warum so etwas kaum vorkommt, liefert er gleich nach: "Kunstdünger ist mittlerweile sehr teuer. Keiner würde freiwillig zu viel verwenden." Und auch ein unnötiges Ausbringen von Gülle koste zumindest Zeit, Energie und Benzin. "Unsere Bauern haben da durchaus Besseres zu tun. Außerdem bringt die Überdüngung nichts für den Ertrag - also warum sollten wir das bitte tun"

In den 60ern, 70ern und Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts war es aber tatsächlich noch so, dass teilweise weit über Bedarf gedüngt wurde. Das Bauernprinzip "viel hilft viel" war damals in aller Munde, räumt Weichenrieder offen ein. Die Landwirte meinten damals irrtümlich, dass der Ertrag einer Pflanzen proportional zum Einsatz von Dünger steigen würde. "Das Gegenteil war der Fall", meint Weichenrieder heute im Rückblick. Und die heute noch hohe Nitratbelastung im Trinkwasser könne zum Teil noch aus dieser Zeit herrühren. Inzwischen hätten sich die Werte aber gebessert - auch aufgrund zahlreicher Gegenmaßnahmen.

Weichenrieders Ansatz zu einer Erklärung der hohen Nitratwerte geht heute in eine andere Richtung. Der Bauernobmann prangert den unbewussten Umgang und die Verschwendung des Trinkwassers an. "Wir verbrauchen zu viel von unserem guten Wasser für Vorgänge, die mit Regenwasser genauso funktionieren würden", sagt er. Er spielt aufs Autowaschen, Blumengießen oder die Klospülung an. Die Politik sei gefordert, Anreize zu schaffen, dass sich mehr Häuslebauer für Brauchwassernutzung oder eine Zisterne entscheiden. "Diese Systeme sind viel zu teuer. Und das Trinkwasser ist im Vergleich dazu wiederum viel zu billig." Es müsse sich Grundlegendes in der Gesellschaft ändern, ein Umdenken einsetzen, damit es hier zu einer Besserung kommen könne.

Denn weniger Trinkwasserverbrauch würde automatisch zu einer geringeren Fördermenge führen, die durch die Wasserzweckverbände aus der Tiefe gepumpt wird. "Je mehr wir fördern, desto mehr Sogwirkung nach unten entsteht. Und desto mehr Nitrat wird schneller durch die Erdschichten nach unten gezogen, ohne von der Natur in den Erdschichten, die wie Filter wirken, abgebaut zu werden."

Wissenschaftlich sei das zwar nicht belegt. Weichenrieder ist von seiner These aber überzeugt. Dass Wasser sparen positiv zu bewerten ist, steht außer Frage. Wenn es den Nitratwert zusätzlich senken würde, wäre das ein optimaler Nebeneffekt. Auch wenn es sich nur um eine Hypothese des Bauern-Obmanns handelt.

Konkret wird Weichenrieder, wenn es um die Umsetzung der EU-Düngeverordnung und Forschungsergebnisse der vergangenen Jahrzehnte geht. "Die Landwirte heute sind sehr viel besser ausgebildet und geschult als ihre Großväter", sagt der Fachmann. Seit 15 Jahren gibt es die N-min-Untersuchungen, die stets im Februar oder März auf den Äckern und in den Hopfengärten vorgenommen werden. Dabei wird gemessen, wie viel Stickstoff im Boden ist, und anhand des Stickstoffbedarfs der Pflanze, die darauf angebaut werden soll, ermittelt, wie viel der Landwirt in etwa düngen sollte, um eine optimale Ernte einfahren zu können. Zu wenig Dünger lässt die Saat verkümmern, zu viel bringt aber auch nichts. Die Lösung ist zwar komplex und hat manchmal auch etwas von einem Lotteriespiel, lässt sich aber auf eine einfache Bauernformel bringen: "Wir düngen der Pflanze ins Maul", spricht sie Weichenrieder aus. Soll heißen, dass die Pflanze genau so viel Stickstoff erhält, wie sie selbst verarbeiten kann. Jedes Kilogramm mehr, das der Boden nicht aufnehmen kann, wandert durch die Erdschichten in die Tiefe und gelangt als Nitrat ins Trinkwasser. Natürlich komme es auch gelegentlich zu Fehlern bei der Berechnung oder die Natur spiele beim Nitratabbau nicht so mit wie gewünscht, räumt Weichenrieder ein. "Aber mit Absicht hat das nichts zu tun."

Die Kulturen, die in der Hallertau angebaut werden, also auch der Hopfen, benötigen übrigens nicht übermäßig viel Dünger, fügt er an. Der Anbau von Feldgemüse sei deutlich schlimmer. Damit einzelne Landwirte, die grundsätzlich nach dem Prinzip der Freiwilligkeit vorgehen dürfen, nicht doch zu schwarzen Schafen mutieren, erlässt die EU sogenannte Düngeverordnungen, die in den Bundesländern zu Vorgaben ausformuliert werden. Diese seien in der Praxis nicht immer sinnvoll - beklagt Weichenrieder. Pro Hektar dürfen in Bayern maximal 230 Kilo Stickstoff ausgebracht werden. Das passe zwar in der Hallertau, meint er. Für trockene Gegenden sei der Wert aber zu hoch, während im Oberland durch den hohen Niederschlag von den Pflanzen weit mehr Stickstoff verarbeitet werden könnte. "Das ist halt die Bürokratie."

Ein zweiter Punkt, der die Bauern stört, ist der Zeitraum, in denen sie ihre Felder düngen dürfen. Im Winter ist es verboten. Aber den Zeitraum weitet die EU ständig aus. Dass bis Mitte Februar nicht gedüngt werden darf, stört keinen Landwirt. "Da können wir eh noch nicht auf die Felder", meint Weichenrieder. Aber dass die Sperrfrist immer weiter in den November hinein verschoben wird, macht ihn fuchsig. "Im häufig warmen Dezember wachsen die Pflanzen bei uns noch und könnten da Stickstoff prima aufnehmen", fügt der Landwirt an. Hieran müsse sich etwas ändern. "Wir sind die Männer der Tat und der Praxis, die es wissen müssen, wann der richtige Zeitpunkt ist", ergänzt er - und Weichenrieder würde sich wünschen, dass den Landwirten wieder mehr vertraut würde. "Schließlich ist es auch unsere Natur und unser Trinkwasser. Und wir wünschen uns nichts mehr, als dass es gesund und unbelastet ist."

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