Pfaffenhofen
"Sie müssen geschützt werden"

Der derzeitige Pfaffenhofener Imam Ayhan Aydin über die Rechte von Frauen im Islam

13.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:48 Uhr

Foto: DK

Pfaffenhofen (PK) Was der Koran für das Zusammenleben von Frauen und Männern empfiehlt, darüber sprach der Imam Ayhan Aydin, der nach rund zwei Jahren in Pfaffenhofen im September 2017 wieder in die Türkei zurückkehren wird, unter anderem im Interview mit unserer Zeitung. Der Vorsitzende des Pfaffenhofener Ditib-Vereins, Recep Bal, übersetzte und beantwortete manche Fragen selbst.

 

Herr Aydin, wie gut ist inzwischen Ihr Deutsch?

Ayhan Aydin: (antwortet selbst) Ich lerne im Deutschkurs - für die Integration hier (ab jetzt übersetzt Recep Bal) Ich habe bereits an Sprachkursen mit Flüchtlingen teilgenommen. Ich hoffe, ein Abschlusszertifikat zu erlangen, so dass ich etwas vorweisen kann, wenn ich vielleicht wieder nach Deutschland zurückkehre.

 

Nach Pfaffenhofen?

Recep Bal: Nein, das können wir nicht entscheiden.

 

Es gab bereits Gespräche mit Ihrer Gemeinde darüber, dass der Imam länger in Pfaffenhofen bleiben soll, um sich besser integrieren zu können. Wieso hat es nicht geklappt?

Bal: Im Grunde wünscht sich jede türkische muslimische Gemeinde in Deutschland, dass der Imam länger bleibt. Doch dafür gibt es einfach nicht genug ausgebildete Imame. Aydin geht nun wieder zurück in die Türkei und hat später die Chance, nach Deutschland zurückzukehren - mit besseren Sprachkenntnissen, denn auch in der Türkei lernt er Deutsch.

 

Wie könnte es künftig klappen, dass ein Imam doch länger bleibt?

Bal: Wir haben mit dem Ditib-Dachverband bei einer Bildungsveranstaltung darüber gesprochen, dass die Imame in Zukunft von unseren Drittgeneration-Kindern gestellt werden können - sie würden dann nach ihrem Abitur erst in der Türkei und dann in Deutschland studieren - und sich anschließend um die Seelsorge einer muslimischen Gemeinde in Deutschland kümmern.

 

Das wäre ein langfristiges Ziel. Was wird konkret im Herbst passieren?

Bal: Der türkische Religions-Attaché Kuddusi Uysal ist bemüht, dass ein Imam bei uns für fünf Jahre bleibt und auch schon deutsche Sprachkenntnisse hat. Letztendlich entscheidet die türkische Religionsbehörde.

 

Zeichnet sich schon eine Entscheidung ab?

Bal: Ob der nächste Imam Deutsch beherrscht, ist noch unklar, aber dass er fünf Jahre bleiben wird - das hat mir der Attaché schon fest versprochen.

 

Im Vorfeld dieses Interviews schrieb uns Oguz Tasdelen, Vorstandsmitglied der Islamischen Religionsgemeinschaft Ditib Südbayern, es sei nicht "effektiv", jetzt im Interview über die öffentliche Kritik an Ditib zu sprechen. Spüren Sie Druck aus Ankara?

Bal: Nein. In unserem Gemeindeleben geht es um Religion. Wir spüren weder Druck von deutscher oder türkischer Seite, doch wir haben hier nichts mit der Politik zu tun und wollen uns deshalb auch nicht dazu äußern. Wir glauben an einen Gott, beten gemeinsam - alles außerhalb ist Privatsache.

 

Dennoch ist der Imam für die religiöse Seelsorge der Gemeindemitglieder in Pfaffenhofen zuständig. Und die Religion gibt auch Regeln des Zusammenlebens vor, wie das Verhältnis zwischen Frau und Mann: Warum zum Beispiel beten Frauen und Männer grundsätzlich getrennt - Frauen oben auf der Empore und Männer unten beim Imam?

Bal: Das hat damit zu tun, dass ich mich voll auf das Gebet konzentrieren will und auf meine Zwiesprache mit Gott. Wenn sich dann eine Person des anderen Geschlechts vor mir im Gebet beugt, würde mich das irritieren und ablenken.

Aydin: Das getrennte Gebet ist eine Empfehlung von Allah. Frauen haben aber im Islam grundsätzlich dieselben Rechte wie Männer.
 

Der Koran klingt allerdings manchmal gar nicht so. So gibt es eine Stelle, die sehr umstritten ist: "Und jene, deren Widerspenstigkeit ihr befürchtet, ermahnt sie, meidet sie im Ehebett, und schlagt sie", heißt es dort in einer deutschen Übersetzung. Was bedeutet das?

Aydin: Ich bin in Bezug auf die Rechte der Frauen im Islam gut ausgebildet. Man muss das Werk insgesamt betrachten und nicht einzelne Stellen. Der Islam sagt: Frauen sind ein Geschenk und sie sollen geschützt werden. Das bezieht sich nicht nur auf muslimische Frauen, sondern auf alle Frauen in der Welt. Wenn wir Menschen allein nach den Regeln des Korans leben würden, würde es gar keinen alltäglichen Kampf zwischen Mann und Frau geben. Denn es gibt mehrere Suren, die die Rechte der Frauen beschreiben.

 

Was bedeutet das in Bezug auf die Sure?

Bal: Die Sure ist lang, deshalb können wir nicht nur einen Teil der Sure betrachten. Wenn wir nur einen kleinen Satz beurteilen, würde das zu einem Missverständnis führen.

 

Anders gefragt: Wenn man den Koran als Ganzes betrachtet: Gibt es eine Situation, in dem es Ihre Religion einem Mann erlauben würde, seine Frau zu schlagen?

Aydin: Absolut nicht. Allah vergibt es absolut nicht, wenn ein Mann eine Frau schlägt. Generell sollte man seine schlechten Handlungen nicht auf die Religion beziehen - oder der Religion die Schuld dafür geben. Für seine schlechten Taten ist jeder Mensch selbst verantwortlich. Allah hat der Frau sowieso viel Wert gegeben. Denn Frauen haben die mächtige Gebärfunktion. Jede Frau ist für jeden Mann zudem allgemein gleichzeitig Mutter, Tochter und Ehefrau. Sie müssen mit größtem Respekt behandelt werden. Nach dem Islam muss das männliche Wesen - weil es kräftiger gebaut ist - arbeiten, eine Frau kann es freiwillig tun, sie muss aber nicht. Allah empfiehlt, dass die weiblichen Rechte bis zur Heirat über den Vater laufen - nach der Heirat muss der Ehemann dann für die Frau sorgen.

 

Sollten also auch junge muslimische Frauen in Pfaffenhofen sexuell enthaltsam bis zur Ehe bei ihren Eltern leben, wenn sie die Regeln des Islam befolgen wollen?

Aydin: Nach islamischer Sicht müssen sich Muslime nach dem Koran richten. Und demnach kann eine Frau bis zur Heirat nicht mit einem Mann allein in einem Raum gelassen werden, den sie heiraten könnte. Die Frauen müssen geschützt werden.

 

Empfiehlt der Koran auch das Kopftuch?

Aydin: In einer Sure wird erwähnt, dass die Frauen sich bedecken sollen. Damit ist aber nicht die Burka gemeint. Eine muslimische Frau würde sich bedecken, aber das Gesicht muss erkennbar sein. Burkas gehören wiederum zum kulturellen Bereich.

 

Wie ist es im Schwimmbad?

Bal: Im Koran wird es nicht empfohlen, dass Frauen mit einem Badeanzug ins Schwimmbad gehen und somit freizügig ihren Körper zeigen. Im Koran steht, wie man sich verhalten soll, aber wie man es letztlich praktiziert, ist jedem selbst überlassen. Auch in der Türkei wird das total unterschiedlich gehandhabt. Die Frauen müssen sich also entscheiden, ob sie ihre Religion leben wollen oder nicht.

 

Und wenn sie die Religion leben wollen?

Bal: Dann dürfen sie nicht mit Badeanzug ins Schwimmbad gehen, wenn Männer dabei sind.

 

Warum ist es in der Religion des Islam unangebracht, als Frau in einem Badeanzug in ein öffentliches Schwimmbad zu gehen?

Bal: Das kann ich so nicht sagen. Wenn man nach dem Koran leben will, dann muss man sich daran halten.

Aydin: Wichtig ist vor allem: Wenn eine Frau im Freibad einen Bikini trägt, muss ein Mann sie trotzdem genauso respektieren wie eine verhüllte Frau. Wenn wir uns generell nach dem, was Allah sagt, richten würden, dann würden wir allen Lebewesen mit Warmherzigkeit begegnen. Allah hat uns Menschen erschaffen, damit wir uns friedlich begegnen, auch anderen Religionen. Es reicht, wenn wir uns nach dem Koran richten und ihn praktizieren. Wenn man sagt, ich bin Muslim, aber kenne den Inhalt des Korans nicht und richte mich nur nach meiner Kultur, dann wird das nicht zusammenpassen. Wenn man sich nicht an den Koran hält, dann entstehen vielleicht Hass und Unfrieden.

 

Hass entsteht auch, wenn bestimmte Prediger den Inhalt des Korans gewaltvoll interpretieren. Beschäftigt Sie das Thema Radikalisierung eigentlich auch hier in Pfaffenhofen bei der Jugendarbeit in ihrer Gemeinde?

Bal: Hassprediger sind Nichtswisser, die mit der Religion und dem Koran nichts zu tun haben. Hier in der Pfaffenhofener Gemeinde gibt es keinen Anlass für Prävention. Hier gibt es nur Menschen, die friedlich ihre Religion ausleben wollen. Ich bin selbst seit über zehn Jahren hier und wir haben eine gute Verbindung zur Stadt und auch zur nicht-muslimischen Gemeinde.

 

Das Gespräch führte

Desirée Brenner.