Pfaffenhofen
120 Millionen Meter Folie für ganz Europa

Die Hohenwarter JG Service AG von Richard Janocha produziert Verpackungen

23.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:55 Uhr
Die Druckmaschinen und Kaschieranlagen werden digital gesteuert: Richard Janocha (links) mit einem Mitarbeiter in den Fertigungshallen der Hohenwarter Firma JG Service AG. −Foto: Herchenbach

Hohenwart (PK) Wer im Fastfood-Restaurant Pommes mit Ketchup bestellt, bekommt ein Beutelchen, das ziemlich wahrscheinlich aus Hohenwart stammt: Die JG Service AG stellt Verbundfolien her, die unter anderem Lebensmittel, Kosmetik und Pharmaartikel hygienisch und luftdicht verpacken.

Was Richard Janocha, 56, in seinem Werk verarbeitet, das ist zwischen Daumen und Zeigefinger kaum zu spüren und um ein Zehnfaches dünner als ein Haar: Kunststoff-Folien mit einer Stärke - in dem Zusammenhang passt dieser Begriff eigentlich gar nicht - von zum Teil 0,008 Millimeter. Daraus entstehen dann Verpackungen, die jeder fast täglich in der Hand hat: Beutelchen für Cremes, Lotionen, Gewürze oder Süßwaren. In die Folien aus Hohenwart werden Arzneizäpfchen genauso eingewickelt wie Kaffee und Waschpulver oder Flascheninhalte mit kleinen Deckelchen unter dem Schraubverschluss versiegelt. Es gibt wohl kein Produkt, für das Janochas Unternehmen nicht die passende Folienkombination herstellen könnte.

Richard Janocha ist ein großer, tatkräftiger Mann. Dem Besucher übereicht er Schutzkittel und -haube und zeigt ihm stolz seinen Maschinenpark in den großen Hallen, die er 2001 auf dem 25 000 Quadratmetern großen Gelände errichtet hat. Gegründet hatte er das Unternehmen schon neun Jahre vorher im Scheyerer Ortsteil Vieth gemeinsam mit dem inzwischen verstorbenen Heribert Grebmair. Die Firma wuchs, konnte aber aus Naturschutzgründen auf dem Areal nicht expandieren. In Hohenwart bot sich eine Alternative. Zwölf Millionen Euro hat Janocha in diesen Standort investiert.

"Der Wert der Lebensmittel wird bei uns nicht mehr geschätzt."

Richard Janocha

 

Verbundfolien - das ist ein Verpackungsmaterial, das aus mehreren Schichten besteht. Welcher Kunststoff zum Einsatz kommt, das hängt ganz vom Produkt ab. Die Säure von Salatdressings zum Beispiel verträgt sich nicht mit Alu. Deshalb bekommt diese Folie einen Kunststoff-Überzug, sie wird kaschiert, würde Janocha sagen. Aber welcher Kunststoff ist da geeignet?

Genau das ist das Know how seiner Firma: herauszufinden, welche Folie sich mit der Ware, also dem Inhalt, verträgt. Das setzt Kenntnisse in Chemie voraus. Denn es gibt, sagt der Firmenchef, keine Tabellen über chemische Prozesse, in denen man nachlesen könnte, welcher Stoff mit wem harmoniert. Hinzu komme, dass Lebensmittel meist mit mehreren und oft neuen Zusatzstoffen angereichert werden. Natürlich hat Janocha Erfahrungswerte, aber im Zweifel steckt er Verpackung und deren Inhalt vier Wochen in einen Wärmeschrank - und dann sieht man schon, was passiert.

Nicht verwunderlich, dass die Fabrikhallen pieksauber sind. Besucher müssen sich vor dem Betreten die Hände desinfizieren. Die gewaltigen digital gesteuerten Maschinen verarbeiten Druckfarben und Klebstoffe in einem geschlossenen System, nirgends kommt man damit in Berührung. Die beiden Flexodruckmaschinen sind in der Lage, hauchdünne Kunststoff-Folien achtfarbig zu bedrucken - und das in atemberaubendem Tempo: 400 Meter pro Minute. Die Kaschieranlagen führen dann diese Folien mit Alu-Bahnen zusammen und verkleben sie in drei, manchmal auch fünf Schichten. 120 Millionen laufende Meter werden in Hohenwart jedes Jahr verarbeitet. Damit könnte man die Erde dreimal umwickeln.

Zugeschnitten von den drei Rollenschneidern und in Ballen aufgerollt sehen diese gigantischen Mengen sehr viel unspektakulärer aus. Eine solche Rolle ist gerade mal einen halben Meter breit und einen Meter hoch: Verbundfolien-Verpackung für einen Kosmetik-Artikel. Ergibt insgesamt - Richard Janocha rechnet kurz - rund 70 000 Beutelchen für eine Körperlotion.

Verglichen mit dem Kosmetikbereich, sagt Janocha, sei der Kostendruck in der Lebensmittelbranche enorm. Schönheit und das gute Aussehen lassen sich die Verbraucher gern etwas kosten. Bei Lebensmitteln dagegen gehe alles über den Preis. Und das, sagt er, gibt's nur in Deutschland. "Der Wert der Lebensmittel wird bei uns nicht mehr geschätzt." Das ärgert ihn.

50 Mitarbeiter hat seine Firma, darunter drei Auszubildende. Sie arbeiten in zwei Schichten, von morgens fünf bis abends um 21 Uhr. Freitag ist spätestens um 14 Uhr Schluss. Mit dieser Mannschaft macht er einen Umsatz von rund 20 Millionen Euro im Jahr. Klingt für Branchenfremde gewaltig, sei aber im Vergleich mit seinen Mitbewerbern "nur so viel": Der Firmenchef zeigt mit Daumen und Zeigefinger einen Abstand von wenigen Zentimetern. Die Konkurrenten, das sind große Konzerne mit Milliardenumsätzen. Janocha hat sich auf eine Nische spezialisiert: Er produziert auch kleine Mengen, maßgeschneidert für jedes Produkt, und das in kürzester Zeit. "Alles, was die Große nicht machen können oder wollen, das machen wir." Wenn die Konzerne allein vier Wochen bräuchten, um einen Auftrag zu bearbeiten, und zwölf Wochen Lieferzeit haben, schafft er das in einem Monat.

Den Strom für seine Firma erzeugt Janocha mit zwei Blockheizkraftwerken und einer Photovoltaik-Anlage, die LED-Beleuchtung spart Strom, die Restfarben laufen durch eine Destillieranlage, die Nachverbrennungsanlage reinigt die Abgase.

Die engsten Mitarbeiter sind seine beiden Töchter. Kathrin, 31, gelernte Wirtschaftsfachwirtin und Industrie-Kauffrau, hält den Kontakt zu den Kunden, die in ganz Europa sitzen. Was die Hohenwarter auf die Beine stellen können, hat sich inzwischen international herumgesprochen.

Es ist wohl auch die Firmenphilosophie, die für den Erfolg verantwortlich ist. JG Service ist inzwischen eine Aktiengesellschaft, die Anteile aber sind zu 100 Prozent im Familienbesitz. "Und da werden sie auch bleiben", versichert Janocha, der kein Interesse daran hat, möglicherweise an der Börse das große Geld zu machen, sich aber dann von Investoren die Firmenpolitik diktieren lassen müsse "Das Unternehmen", sagt Kathrin Raps-Janocha, die dem Wirtschaftsbeirat des Landkreises angehört, "ist eine Herzensangelegenheit." Den nächsten Firmen-Vorstand hat sie vor wenigen Wochen zur Welt gebracht. Und deshalb hat sie jetzt auch keine Zeit mehr, am Gespräch teilzunehmen: Das Baby will versorgt werden.