Pfaffenhofen
"Da darf man nicht zimperlich sein"

Die Pfaffenhofenerin Maya Wheldon hat den Quidditch-Europacup nach Pfaffenhofen geholt

22.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr
Mit dem Besen zwischen den Beinen: Maya Wheldon (2. von links) von den Münchner Wolpertingern versucht, den Ball beim Spiel gegen die Bremer Mannschaft während der Deutschen-Quidditch-Spiele durch den Ring zu werfen. −Foto: Van Klaveren Quidditch Fotografie

Pfaffenhofen (PK) Sie laufen mit Besenstielen über das Feld und spielen einen Mix aus Handball, Rugby und Dodgeball. Die Harry-Potter-Sportart Quidditch wird weltweit immer beliebter. Vom 28. bis 29. April 2018 wird der Europapokal in Pfaffenhofen ausgetragen.

Verantwortlich ist die Pfaffenhofenerin Maya Wheldon, die sich selbst als großen Harry-Potter-Fan bezeichnet. Die 25-Jährige startete ihre Quidditch-Karriere vor rund zwei Jahren bei den Münchner Wolpertingern. Vorher spielte sie Basketball, ein Vorteil beim Quidditch, wo es besonders auf die Ballfertigkeit ankommt. "Am Anfang war es auf dem Spielfeld noch verwirrend", berichtet Wheldon. Es dauere einfach eine Weile, bis jeder wisse, auf welcher Position er welche Aufgabe hat. "Wir haben viel an unserer Taktik gefeilt", so Wheldon. Wenn zum Beispiel jemand ein Wort ruft, bedeutet das für jeden Spieler etwas anderes, im Zusammenspiel soll es die Mannschaft dem Ziel näher bringen, nämlich möglichst viele Punkte zu erspielen. Die Münchner Wolpertinger erreichten bei den deutschen Winterspielen den zweiten Platz und haben sich deshalb für den Europacup qualifiziert, der für Wheldon Ende April ein Heimspiel wird. "Eine Freundin meinte, ich muss das Quidditch unbedingt nach Pfaffenhofen holen, weil die Stadt so toll ist, und ich sagte mir: Warum nicht?"

Die Wahl fiel keineswegs zufällig auf Pfaffenhofen. Laut Apolline Tabourot, die zum Organisationsteam gehört, haben sich unter anderem Städte aus Frankreich und Italien als Austragungsort der aufstrebenden Sportart beworben. "Pfaffenhofen ist einfach sehr gut für die Spieler aus ganz Europa zu erreichen", sagt sie. Weil es so nahe an München liegt. Außerdem kommen einige Spieler aus Deutschland, wo es bereits 40 Teams gibt. Davon haben sich vier Mannschaften für den Europapokal beworben. Insgesamt nehmen 32 Teams aus 20 Ländern teil, darunter Großbritannien, Frankreich, Belgien und Italien.

International, bunt und offen für alles - so ist das Quidditch, sagt Wheldon, die im Komitee auch für die Kommunikation unter den Spielern verantwortlich ist. "Bei uns gibt es eine wichtige Regel: Nett sein." Im Regelwerk steht deshalb beispielsweise, dass Fluchen auf dem Spielfeld absolut verboten ist. Wheldon denkt sich auch immer wieder spielerische Aufgaben für die Turniere aus, zum Beispiel sollen Spieler Fotos von sich und dem Spieler einer anderen Mannschaft machen. "Das stärkt unsere Gemeinschaft", so Wheldon. Eine Gemeinschaft, in der jeder mitmachen darf, egal ob schnell, langsam oder transgender, so Wheldon. "Bei uns darf man sich auch als non binary - ohne Geschlecht eintragen", so Wheldon. Und am Ende des Spiels sollen sich alle umarmen - egal von welcher Mannschaft.

Das klingt jetzt alles ein bisschen nach Gummibärchenbande, doch das Spiel ist vor allem eines: Harter Vollkontaktsport. Organisatorin Tabourot, die eigentlich selbst Spielerin ist, fällt für den Europacup aus, sie hat sich das Schlüsselbein gebrochen, berichtet Wheldon. Denn die Spieler tackeln sich gegenseitig wie beim Rugby, dabei kommt der ganze Körper zum Einsatz. "Quidditch ist der einzige Vollkontaktsport für gemischte Geschlechter", sagt Wheldon. "Da darf man nicht zimperlich sein." Sie hat sich auch schon mal die Schulter ausgekugelt - "die hab ich einfach wieder eingerenkt und weitergespielt." Vorsichtiges Spielen jedenfalls kommt bei den Münchner Wolpertingern nicht infrage. "Wer vorsichtig spielt, ist bei uns falsch."

Für Tabourot und ihr Organisationsteam beginnt nun die Planung. Es werden 500 Spieler sowie zusätzlich Helfer erwartet, die alle untergebracht werden müssen. Und hier kommt die Stadt Pfaffenhofen ins Spiel. "Wir versuchen, unsere vier Turnhallen als Schlafplätze freizuhalten", sagt Kämmerer Rudolf Koppold, der von Quidditch vorher noch nie etwas gehört hat. "Ich habe es mir erklären lassen und halte es für eine gute Sache", so Koppold. "Es geht ja hier nicht um eine Beachparty, die schnell mal ausarten kann, sondern um junge Leute, die ihren Sport ausüben." Und natürlich Zuschauer, die den skurrilen Sport anschauen wollen. Vielleicht sogar kostenlos. "Wir wissen noch nicht genau, ob wir Eintritt verlangen, aber wenn, dann wird es günstig sein", verspricht Tabourot. Koppold ist schon gespannt, wie viele kommen werden. "Eigentlich ist das Stadion nur auf rund 300 Zuschauer ausgelegt, aber im Prinzip passen deutlich mehr rein, die könnten oben in der Tribüne stehen." Dazu könnte es durchaus kommen. "Bei der Weltmeisterschaft gab es mehr als 2000 Zuschauer", sagt Tabourot. "Mal sehen, ob wir so viel schaffen."

DIE QUIDDITCH-REGELN

Quidditch ist ein recht komplizierter Sport, das offizielle Regelbuch hat 239 Seiten. In jeder Mannschaft spielen sieben Spieler, davon dürfen höchstens vier von einem Geschlecht sein. "Damit wollen wir sicherstellen, dass beide Geschlechter vertreten sind", erklärt Maya Wheldon vom Quidditch-Komitee.

Eine weitere skurrile Regel: Die Spieler müssen während des Spiels in Anlehnung an die Harry-Potter-Filme einen Besen zwischen den Beinen behalten. Keinen richtigen Besen, sondern PVC-Stangen, meist aus dem Baumarkt. "Mit richtigen Besen, das wäre zu gefährlich", erklärt Organisatorin Tabourot.

Drei Jäger passen sich den Quaffel, einen Volleyball, zu, und versuchen, durch einen der drei Ringe des gegnerischen Teams zu werfen, um zehn Punkte pro Tor zu gewinnen. Der Hüter verteidigt die eigenen Ringe des Teams. Zwei Treiber spielen mit Klatschern (Dodgebälle), die sie nach gegnerischen Spielern werfen, um diese "auszuknocken". Wer von einem Klatscher getroffen wurde, muss vom eigenen Besen absteigen und darf nicht ins Spiel eingreifen, ehe er die Ringe des eigenen Teams berührt hat. Der Sucher des Teams versucht, den Schnatz zu fangen. Der Schnatz ist ein unparteiischer Spieler, in gelb gekleidet und mit einem am Hosenbund befestigten Tennisball in einer Socke. Wird der Schnatz gefangen, das heißt die Socke herausgezogen, endet das Spiel und der erfolgreiche Sucher gewinnt 30 Punkte für sein Team. | dbr