Pfaffenhofen
Appell an Islamverband Ditib

Politiker fordern kritische Auseinandersetzung mit Heimatland Debatte um Türkisch sprechenden Imam

12.08.2016 | Stand 02.12.2020, 19:26 Uhr

Zum Mittagsgebet treffen sich in der Pfaffenhofener Ditib-Moschee momentan nicht mehr viele Männer. Die meisten sind im Urlaub. Frauen dürfen den Betbereich der Männer nicht betreten. - Foto: Strasser

Pfaffenhofen (PK) Die Kritik am Islamverband Ditib wächst. Auch im Landkreis Pfaffenhofen gilt er als ein Ansprechpartner für die Belange der Muslime. Pfaffenhofener Politiker wünschen sich eine klare Haltung zur Lage in der Türkei sowie einen Deutsch sprechenden Imam. Letzterer ist laut Ditib aber nicht in Sicht.

Wer in Pfaffenhofen einen Erdogan-kritischen Türken sucht, tut sich schwer. Einige wollen gar nicht mit der Zeitung sprechen, sobald der Name des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan fällt. Warum das so ist, dafür hat Acar Berk (Name geändert) eine Erklärung: "Es ist sehr gefährlich." Wie gefährlich, das habe er im Internet zu spüren bekommen, als er auf einer türkischen Seite Kritik geübt habe. "Ich bekam Drohungen, einige fragten mich, wo genau ich arbeite und wann ich das nächste Mal in die Türkei fliegen will." Aus Angst besuche er schon seit Jahren nicht mehr seine Heimat.

Seit dem gescheiterten Putschversuch am 15. und 16. Juli in der Türkei nimmt die Kritik aus dem Ausland zu, Experten sprechen angesichts der Verhaftungen tausender Staatsangestellter oder Journalisten von Willkür. Längst ist der Konflikt auch in Deutschland angekommen, so kursieren im Internet Listen mit angeblichen Anhängern der Gülen-Bewegung, die von Erdogan für den Putsch verantwortlich gemacht wird. In ihren Läden dürfe man nicht einkaufen, so die anonymen Hetzer.

Wegen seiner engen Verflechtungen mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet ist auch die Kritik am Islamverband Ditib wieder neu entfacht. Im Landkreis Pfaffenhofen gehören die beiden Ditib-Gemeinden in Pfaffenhofen und Wolnzach seit Langem zum öffentlichen Leben. Landrat Martin Wolf (CSU) hält die örtliche Ditib-Gemeinde für eine "integrative Kraft". Allerdings sieht er sie "nicht als zentralen Ansprechpartner der türkischstämmigen Mitmenschen". Es gäbe im Landkreis Gruppierungen mit unterschiedlich starker Bindung zu Ditib, so der Landrat. Bedenken zur Rechtsstaatlichkeit des örtlichen Verbands hat er aber nicht. "Ich beobachte keine unserem Grundgesetz entgegenstehende Gedanken und Aktivitäten."

Der Pfaffenhofener Bürgermeister Thomas Herker (SPD) fordert allerdings eine klare Haltung: "Generell erwarte ich von den hier lebenden türkischstämmigen Pfaffenhofenern, sich zu den Werten der Republik zu bekennen." Wer das Wesen unserer Rechtsordnung verstanden habe, "der muss zumindest Bauchweh bekommen, wenn er in den Medien die Entwicklung in der Türkei verfolgt."

Oguz Tasdelen (kleines Foto) hat kein Bauchweh. Er ist stellvertretender Vorsitzender von Ditib Wolnzach, aber als Vorstandsmitglied des Ditib-Landesverbandes Südbayern auch für den gesamten Landkreis Pfaffenhofen zuständig. "Es war eine Ausnahmesituation", sagt der Türke. "Deshalb wurden Sondermaßnahmen ergriffen." Natürlich müssten auch im Nachhinein die Gesetze eingehalten werden. "Ich glaube, das werden sie." Er selbst bekenne sich zum deutschen Rechtsstaat, so Tasdelen. So sei er auch gegen die in seiner Heimat diskutierte Todesstrafe. Die Gebote seiner Religion will er aber generell nicht explizit dem deutschen Grundgesetz unterordnen. "Für mich persönlich stehen die Gebote Gottes gar nicht im Widerspruch zum deutschen Gesetz", erklärt der Türke.

Auch sein Landsmann Hüseyin Kaynar sieht in den Handlungen des türkischen Präsidenten nach dem Putsch keine grundsätzliche Verfehlung. "Erdogan hat es richtig gemacht", sagt der türkische Geschäftsführer, der seit Jahrzehnten in Deutschland lebt. Bei jedem Kampf müsse es einen Sieger geben und es sei wichtig, dass die Putschisten in der Türkei nicht an die Macht gekommen seien. "Andere Länder wie Jugoslawien oder der Irak haben den Putsch nicht niedergeschlagen", sagt er. Dort gehe es den Menschen heute schlecht.

Solche Äußerungen dürften nicht allen Pfaffenhofener Bürgern gefallen. Er schätze die Ditib in Pfaffenhofen zwar, sagt Reinhard Haiplik (ÖDP), Integrationsreferent des Stadtrats. Allerdings: Eine bedingungslose Unterstützung Erdogans, die man aus manchen Äußerungen herauslesen könne, "betrachte ich durchaus mit Sorge". Er sei natürlich froh, dass der Militärputsch abgewendet sei. Doch die politischen Säuberungen danach hätten wenig mit einem europäischen Demokratieverständnis gemein.

Sepp Steinbüchler, seines Zeichens Vorsitzender des Internationalen Kulturvereins in Pfaffenhofen, stimmt noch etwas anderes nachdenklich: "Wir haben bei uns sehr viele konservativ-islamische Mitbürger", sagt er. Darunter auch viele AKP-Anhänger.

"Die Reaktion auf die jüngsten Ereignisse darf aber nicht sein, dass man Ängste aufbaut", warnt er. Der Pfaffenhofener Ditib-Verein baue Jugendgruppen auf, die sich gesellschaftlich engagierten, und öffne seine Moschee immer mehr für Besucher. Dennoch müsse man die engen Verflechtungen des Kölner Ditib-Dachverbands mit Diyanet diskutieren. Gleiches gelte für die kritisierte politische Einflussnahme auf die Ditib-Ortsvereine in Deutschland.

Ditib-Vertreter Tasdelen streitet eine solche Einflussnahme ab. "Wir sind offen und transparent." Auch die türkischen Beamten im Bundesvorstand hätten ihm gegenüber gesagt, sie seien nicht aus der Türkei instruiert. In zwei deutschen Ditib-Gemeinden hätten Verantwortliche zwar Gülen-nahe Gläubige nicht mehr in die Moschee lassen wollen. "Da sind wir aber eingeschritten", sagt Tasdelen. Steinbüchler hält solche Handlungen für wichtig: "Sie müssen zeigen, dass sie sich in die deutsche Gesellschaft integrieren wollen." Genau das sei aber schwer, wenn in die Wolnzacher und Pfaffenhofener Ditib-Gemeinde alle zwei Jahre ein neuer Imam aus der Türkei entsandt wird, sagt der Erdogan-kritische Türke Berk. "Als ich vor Jahrzehnten nach Pfaffenhofen kam, waren noch so viele türkische Frauen unverhüllt und gingen ins Freibad." Dann sei ein neuer Imam gekommen und er habe diese Frauen auf einmal nicht mehr im Schwimmbad gesehen. Insgesamt hat Berk den Eindruck, dass die türkischen Frauen im Landkreis heute innerhalb ihres familiären Umfelds weniger frei lebten als früher.

Auch Steinbüchler wünscht sich Änderungen in Bezug auf die Imame im Landkreis, die momentan wenig bis gar kein Deutsch sprechen. "Es hat schon Gespräche mit Ditib gegeben, das der nächste Imam länger in Pfaffenhofen bleiben und besser Deutsch sprechen soll". Nur so könne er öffentlich integrativer arbeiten - auch ohne Dolmetscher. Geplant sei ein Treffen mit dem türkischen Kulturattaché, um darauf zu drängen.

Tasdelen wünscht sich eigentlich ebenfalls einen deutsch sprechenden Imam, sagt er. Allerdings: "Es ist ein Segen, dass wir Unterstützung von Diyanet bekommen." Denn die Ditib-Gemeinden in der Region hätten überhaupt nicht die finanziellen Mittel, in Deutschland einen Imam auszubilden, der dann auch bleibe. In naher Zukunft sei eine Änderung deshalb nicht zu erwarten.

Für Landrat Wolf sind diese Aussichten unzureichend. "Mit der Beauftragung der Imame durch den türkischen Staat ist eine direkte Verbindung gegeben", sagt er. "Ich habe absolut Verständnis, wenn vonseiten der Innenpolitik der Länder Untersuchungen angestellt werden, ob eine aus der Türkei gesteuerte Einflussnahme auf innerdeutsche Angelegenheiten vorliegt."