Pfaffenhofen
18 Monate Haft für Mutter eines Dreijährigen

Trotz offener Bewährung Nachbarin und Chef bestohlen - Keine Chance auf mildes Urteil

23.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:10 Uhr
ARCHIV - Ein Richterhammer und ein Strafgesetzbuch liegen am 19.03.2013 im Landgericht Osnabrück (Niedersachsen) auf einem Tisch. Bei der Urteilsfindung sind Schöffen hauptamtlichen Richtern gleichgestellt. In diesem Jahr suchen die Kommunen im Norden wieder interessierte Bürger für das Schöffenamt. Foto: Friso Gentsch/dpa (zu dpa: «Als Hausfrau fünf Jahre Richter sein - Schöffen werden gesucht» vom 03.04.2013) +++(c) dpa - Bildfunk+++ −Foto: Friso Gentsch/dpa (dpa)

Pfaffenhofen (PK) Für 18 Monate muss die Mutter eines Dreijährigen ins Gefängnis.

Auch eine offene Bewährungsstrafe hatte sie nicht davon abgehalten, ihrer Nachbarin 1000 Euro und ihrem Chef 1500 Euro zu stehlen. Wenn nicht Verwandte einspringen, wird sich das Jugendamt um das Kind kümmern müssen.

 

Amtsrichterin Nicola Schwend fiel es sichtlich nicht leicht, dieses harte Urteil zu fällen. Aber da sich die Angeklagte als "unbelehrbar" erwiesen hätte, sah sie juristisch keinen Spielraum mehr für eine weitere Bewährungsstrafe.

Marion M. (Name geändert) ist für die Justiz kein unbeschriebenes Blatt: 2013 und 2016 ist sie wegen Unterschlagung und Betrug verurteilt worden, zuletzt zu einer Haftstrafe von einem Jahr, ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung.

Offenbar hat sie ein dickes Problem, mit Geld umzugehen. Sie hat "60 000 oder 70 000 Euro" Schulden, so genau weiß sie das nicht. Eine Schuldnerberatung hilft, ihre Finanzen in den Griff zu bekommen. Aber das konnte oder wollte Marion M. nicht abwarten. Im Januar, also gerade mal vier Monate nach ihrer Verurteilung, nutzte sie das Vertrauen ihrer Nachbarin aus. Die hatte ihre Wohnungstür nicht abgeschlossen, Marion M. wusste, wo sie ihr Bargeld aufbewahrte. Von den 1400 Euro, die sie in einem Becher vorfand, nahm sie 1000 Euro.

Der Verdacht fiel auf Marion M., eine Woche später wurde sie von der Polizei vernommen. Spätestens da hätte ihr klar sein müssen, was auf dem Spiel steht: Sie muss ihre Bewährungsstrafe absitzen.

Warum sie schon ein halbes Jahr später, im Juli, ein zweites Mal rückfällig wurde, das versteht auch die Richterin nicht. Gleichgültigkeit? Verzweiflung? Suchtverhalten? "Eine finanzielle Notlage", sagt die Angeklagte. In jener Sommernacht gegen vier hatte sie aus dem Büro eines Taxiunternehmens aus der Region, für das sie fährt, einen Tischtresor und die vier Sicherheitsschlüssel mitgenommen. Sie muss nicht schlecht gestaunt haben, als sie den Safe öffnete. Erwartet hatte sie die Tageseinnahme, tatsächlich aber lagen 40 000 Euro in dem Stahlwürfel: Geld für einen Wohnwagen, den ihr Chef verkauft hatte. Die Summe muss ihr unheimlich gewesen sein: Marion M. entnahm 1500 Euro, den Rest steckte sie in zwei Briefumschläge und warf sie in den Briefkasten.

Die Angeklagte hat sich bemüht, den Schaden wiedergutzumachen: Die Nachbarin hat ihre 1000 Euro zurückbekommen, das Verhältnis sei, nun ja, wieder einigermaßen. Bei ihrem Chef, der sie nicht gefeuert hat und für den sie weiter fährt, stottert sie die 1500 Euro ab, 600 seien noch offen.

Die Staatsanwältin sieht trotz Geständnis, Schadenswiedergutmachung und Entschuldigungen bei den Opfern keine Chance mehr für eine Bewährungsstrafe. Die hohe Rückfall-Geschwindigkeit lasse keine günstige Sozialprognose erwarten. Sie fordert eine Haftstrafe von 18 Monaten. Ohne Bewährung. Verteidiger Tobias Neumeier plädiert für eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten als "allerallerletzte Chance", auch wenn die Aktenlage nicht gut aussehe. Aber die Geldbeträge seien relativ gering, und der "kriminellen Energie" liege ein Vorsatz zugrunde. Und der war eben nicht auf 40 000 Euro ausgerichtet, sondern auf die deutlich niedrigere Tageseinnahme. Zudem wolle sich seine Mandantin einer Therapie unterziehen. Und selbst ihr Arbeitgeber habe ihr wieder sein Vertrauen geschenkt. Amtsrichterin Schwend folgt dem Antrag der Staatsanwältin. "Es fällt mir nicht leicht, Sie in Haft zu schicken bei einem kleinen Kind", sagte sie in ihrer Urteilsbegründung. Aber sie sehe keine Anhaltspunkte für eine günstige Sozialprognose.