Pfaffenhofen
Bunt – und tödlich

Drogenkontaktlehrer Georg Ruß informiert über Gefahren durch neue Rauschgifte

27.11.2015 | Stand 02.12.2020, 20:29 Uhr

Informierte die Schüler: Georg Ruß, der Drogenkontaktlehrer am Gymnasium - Foto: Paul

Pfaffenhofen (PK) Unter dem Titel „Alles so schön bunt hier“ hat Georg Ruß, der Drogenkontaktlehrer am Schyren-Gymnasium, auf Einladung des Elternbeirats über Spice, Badesalze und andere neue Rauschgifte und die draus resultierenden Gefahren für Kinder und Jugendliche informiert.

Die schicken, bunten und von außen relativ harmlos wirkenden Tütchen sind etwa handtellergroß, sehen aus wie die Verpackungen von Gummibärchen und Brausepulver oder die Einzelhüllen von Teebeuteln – aber in ihnen lauert der Tod. Doch anders als die „traditionellen“ Rauschgifte wie beispielsweise Heroin oder Kokain wissen viele Eltern darüber kaum Bescheid. Obendrein gibt sich das Teufelszeug zunächst gar nicht als solches zu erkennen.

Die Hersteller – hauptsächlich sind sie im Internet aktiv – vermarkten sie formal unter anderem als Pflanzendünger, Räuchermischung oder Badesalz. Scheinheilig wird auf den Verpackungen und Websites auch davor gewarnt, sie nur ja nicht zu konsumieren. Besonders perfide sind die cool klingenden Namen, die ganz gezielt die minderjährige Kundschaft ansprechen sollen: „Supernova“, „Black Diamonds“ oder „Red Russian“. Eine Substanz heißt sogar nach dem US-Skandalschauspieler „Charlie Sheen“. Das Schlimmste aber: Trotz der von ihnen ausgehenden Lebensgefahr firmieren sie als sogenannte „Legal Highs“ – also als etwas, mit dessen Besitz man sich rein rechtlich erst mal nicht strafbar macht.

Die Aula des Gymnasiums war am Mittwochabend bei der vom Elternbeirat organisierten Veranstaltung bis auf den letzten Platz besetzt, teils mussten sogar noch Stühle hereingetragen werden – was zumindest zeigt, dass dieses Thema die Mütter und Väter umtreibt. Logischerweise wollte denn auch eine Mutter aus dem Publikum wissen, ob es auch ganz konkret für Pfaffenhofen ein Problem darstelle. „Wir liegen an einer Autobahnabfahrt“, erwiderte Georg Ruß knapp. Im Klartext: Wer wirklich etwas bekommen will, der kriegt es auch. Lieferprobleme dürften – leider – nicht auftreten.

Trotzdem ist der junge Drogenkontaktlehrer – er unterrichtet im „Hauptberuf“ Latein und Englisch – keiner, der bei seiner Aufklärungsarbeit in pessimistische Alarmstimmung verfällt. Locker, aber trotzdem seriös näherte er sich dem Thema. „Drogen sind mein Hobby“, flachst er gleich zu Beginn und hatte damit die Lacher auf seiner Seite. Rein konsumententechnisch sei er zwar eher der „bekennende Apfelschorle-Trinker“ – aber aus wissenschaftlicher Neugier beschäftigt er sich schon seit Jahren damit und verfolgt die entsprechende Berichterstattung. In Nürnberg beispielsweise gab es vor einiger Zeit nach einer „Putzmittel-Orgie“ fünf Tote, rund 30 weitere Menschen mussten mit teils lebensgefährlichen Schäden ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Auch aus diesem Grund waren zu der Veranstaltung ausschließlich nur Erwachsene zugelassen. Denn eines hat Georg Ruß bei seiner Arbeit nach eigenem Bekunden schon erfahren müssen: Diese Substanzen werden immer populärer, je mehr sie in der Öffentlichkeit erwähnt werden. So kursierten vor zehn Jahren auf dem deutschen Markt gerade mal 14 verschiedene Zubereitungen, inzwischen sind es rund 50, europaweit sogar über 80. Anders als die traditionellen Drogen sind sie in der Herstellung vergleichsweise billig und deshalb auch günstiger für den Konsumenten.

Aktuell wird von Experten zwischen drei Hauptgruppen unterschieden: Kräutermischungen (Cannabinoide), die hauptsächlich geraucht werden und eher entspannend wirken sollen; Badesalze (Amphetamine), das geschnupft und injiziert wird und euphorisiert und aufputscht; und die „Magic Cleaner“ (Gamma-Butyrolacton), die hauptsächlich geschluckt werden und auch eher dämpfend wirken sollen. Hinzu kommt noch das bereits bekannte Crystal Meth (Metamphetamin), dass aber nicht genau in diese Gruppe gehört.

Die Hersteller spielen mit dem Gesetzgeber dabei teilweise Hase und Igel: Denn was nicht explizit durch das Betäubungsmittelgesetz verboten ist, das ist eben erlaubt. Eine winzige chemische Änderung – „ein Haken mehr an der chemischen Struktur der Substanz“, wie es Ruß für Laien gut verständlich ausdrückt – und schon ist die Droge formal wieder legal.

Am Schyren-Gymnasium hat man diese Gefahr zumindest erkannt und setzt auf konsequente Aufklärung und Prävention. „Es bringt aber wenig, wenn sich da nur ein Lehrer vorn hin stellt und referiert“, erklärt Georg Ruß. „Das hören sich die Jugendlichen an und danach gehen sie raus.“ Stattdessen gibt es unter anderem den von drei Pädagogen unterstützten Arbeitskreis LSD („Let Stuff Die“), bei dem derzeit 23 Schüler der Jahrgangsstufen 7 bis 12 ihre Klassenkameraden über die wachsenden Gefahren informieren. „Die haben einen viel direkteren Zugang zu ihren Altersgenossen“, ist Ruß überzeugt. Die neuen Mitglieder werden dabei regelmäßig vom Kreisjugendpfleger geschult.

„Das Ziel ist es, jede Klasse mindestens einmal im Jahr über ein altersgemäßes Thema zu informieren“, erläutert der Drogenkontaktlehrer das Konzept. Das kann dann auch durchaus mal etwas drastischer – und abschreckender – ausfallen: Die Neuntklässler etwa sollen demnächst auch mal einen Vortrag von ausgewählten Ex-Junkies erhalten, was das Teufelszeug in deren Körpern angerichtet hat.