Pfaffenhofen
Auf Spuren des Städtekriegs gestoßen

Archäologische Grabungen beim Café Herb sind abgeschlossen – Neubau eines Geschäftshauses beginnt

07.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:43 Uhr

Das Team um Grabungsleiter Bernd Kriens (rechts) hat in den vergangenen Wochen Überreste der mittelalterlichen Bebauung freigelegt. Seit gestern sind die archäologischen Arbeiten abgeschlossen - Fotos: Kraus

Pfaffenhofen (PK) Einen Monat lang haben Archäologen auf dem Areal des früheren Cafés Herb gegraben. Gefunden haben sie dabei unter anderem Spuren des Städtekriegs im 14. Jahrhundert sowie die Überreste dreier mittelalterlicher Gebäude.

Schicht für Schicht haben die Archäologen seit Anfang September auf der Herb-Baustelle Bodendenkmäler freigelegt und dokumentiert. Eigentlich hätte schon Ende vergangener Woche Schluss sein sollen – doch dann ist das Team im nordwestlichen Eck des Grundstücks auf Überreste eines mittelalterlichen Kellers aus Holz gestoßen. Gestern haben die Archäologen ihre Zelte nun abgebrochen. Damit ist der Weg frei für die Bauarbeiten: Hinter der historischen Fassade soll bis Herbst 2016 ein modernes Geschäftshaus entstehen, in dem ein Café, eine Steuerkanzlei und das Notariat unterkommen sollen. Erste Bagger- und Abstützarbeiten konnten vergangene Woche parallel zur Grabung beginnen.

Bis zuletzt hatten die Wissenschaftler alle Hände voll zu tun: „Wir hatten viele Befunde auf engem Raum“, berichtet der leitende Archäologe Bernd Kriens, der das Projekt für die Weißenburger Grabungsfirma Ada betreut. Das Wetter sei aber gnädig gewesen, sodass die Grabung recht zügig habe abgeschlossen werden können.

Selbstverständlich ist das nicht: Nachdem andere Grabungen bekanntlich zeitlich aus dem Ruder gelaufen sind, war es um das Image der Archäologie in der Kreisstadt zuletzt nicht gut bestellt. Die Bauherrn des Café Herb, die Eheleute Bernhard und Jacqueline Nischwitz, sind hingegen zufrieden: „Obwohl die veranschlagten vier Wochen sportlich waren, hat die Grabungsfirma den Zeitplan und den Kostenrahmen weitestgehend einhalten können“, lobt Bernhard Nischwitz. Er könne die Kritik an Archäologen als unkalkulierbare Kostentreiber nicht nachvollziehen. Und als Bauherr will er auch nicht, dass die Funde irgendwo in einem Archiv verschwinden: „Wir würden die interessanten Stücke gerne herrichten lassen und im neuen Objekt dann in einer Vitrine ausstellen“, sagt Nischwitz. Zutage gefördert wurde immerhin so manches faszinierende Relikt – etwa eine Pfeilspitze aus Zeiten des Städtekriegs zwischen dem Schwäbischen Städtebund und den bayerischen Herzögen (siehe Kasten). Damals, im Jahr 1388, ist Pfaffenhofen auch abgebrannt. Auch das Haus, das vor 600 Jahren an der Stelle stand, fiel dem Brand zum Opfer. Davon zeugen etwa Brandschutt, verrußte Dachziegel und verfüllte Pfostenlöcher des damaligen Gebäudes.

Anhand solcher Löcher, in denen einst beim Hausbau tragende Pfosten tief eingegraben wurden, lässt sich auch die Lage der mittelalterlichen Bebauung nachvollziehen. Erkennbar sind diese Stellen an unterschiedlicher Färbung und Konsistenz des Bodens, weil diese Löcher vor dem Neubau im frühen 15. Jahrhundert mit Schutt aufgefüllt wurden. Drei verschiedene Gebäude hat das Team auf dem Herb-Grundstück so ausmachen können: Auf das 1388 abgebrannte, große Pfostenhaus folgte zwischen 1400 und 1430 ein Keller mit geziegeltem Gewölbe, um den herum wohl ebenfalls ein Gebäude errichtet war. Darunter wurde außerdem noch besagter Holzkeller gefunden. Dieser ist womöglich eines der ältesten Gebäude der mittelalterlichen Stadt, das je gefunden wurde. Das müssen aber erst noch dendrochronologische Untersuchungen der Holzreste klären. Die letzte mittelalterliche Bauphase ist das bis in die Neuzeit erhaltene Bürgerhaus. Gedeckt werden diese Erkenntnisse von anderen Fundstücken, etwa zwei Münzen oder Ofenkacheln, die sich der entsprechenden Zeit zuordnen lassen. Außerdem wurden viele kleine Funde ans Tageslicht befördert: eine Hornperle, ein Bronzering oder ein Reitersporn. Eine Rarität ist auch eine glasierte Schachfigur (siehe Kasten).

Manchmal sind aber die unscheinbarsten Funde mitunter die faszinierendsten Spuren der Vergangenheit. Spuren der einfachen Leute. Etwa ein alter, gut erhaltener Ziegelstein, an dessen Seiten die Fingerabdrücke jenes Vorfahren sichtbar sind, der den noch weichen Lehm vor gut 600 Jahren in den Brennofen gehoben hat. Vom Leben der einfachen Leuten wisse man wenig, erklärt Kriens, der Experte für Mittelalter sowie Vor- und Frühgeschichte ist. „Aber mit solchen Grabungen können wir es rekonstruieren.“ Lehmreste legen beispielsweise nahe, dass die Gebäudewände vor 1388 aus einer Holzkonstruktion bestanden, die mit Lehm beschmiert wurden. Ein Teil des Puzzles. „Und das Bild wird mit jeder Ausgrabung dichter“, so der Grabungsleiter.

Mitte kommender Woche wird die Baustelle für die Archäologen dann noch einmal interessant, wenn die Baugrube ausgehoben wird – denn womöglich tauchen unter den Resten der mittelalterlichen Bebauung doch noch früh- oder vorgeschichtliche Funde auf. Immerhin wurden vor vier Jahren auf der benachbarten Bortenschlagerbaustelle schon einmal völlig überraschend 6500 Jahre alte Keramikscherben gefunden, die die Stadtgeschichte damals in ein völlig neues Licht rückten.