Unterpindhart
Originell und extrem wandlungsfähig

Umjubelter Auftritt des Senkrechtstarters Martin Frank auf dem Pindharter Brettl

23.04.2018 | Stand 23.09.2023, 3:00 Uhr
Als Warm-Up für sein Programm hat sich Martin Frank unters Publikum gemischt, um sich ein Opfer herauszusuchen, das ihm dann während des Abends als "Ansprechpartner" diente. −Foto: Foto: Zurek

Unterpindhart (GZ) Mit einem wahren Knaller hat sich die Hallertauer Kleinkunstbühne in die Sommerpause verabschiedet: Martin Frank, der "Shooting Star" unter den Nachwuchs-Kabarettisten und Träger des Hallertauer Kleinkunstpreises 2017 (dieser steht natürlich auch heuer noch an) setzte am Sonntag einen fulminanten Schlussakkord.

Er betritt die Bühne, blinzelt einmal verschmitzt ins Publikum, spricht: "is do hoaß" - und schon heimst der sympathische Bauernbub aus Niederbayern den ersten Applaus ein. Dabei hat das Programm mit dem Titel "Es kommt wie's kommt" noch gar nicht angefangen. Das folgende "Warm-Up" hätte Frank also weder von der Temperatur her noch als Test dafür gebraucht, ob er mit seinem Publikum "humortechnisch" auf einer Wellenlänge liegt. Dennoch mischt er sich unter die Gäste und sucht sich ein "Opfer" aus, das im Laufe des Abends immer wieder als Ansprechpartner dient: Hannelore aus Berlin.

Und dann legt der "Senkrechtstarter" - er ist 2018 zum Sieger dieser Kategorie des Bayrischen Kabarettpreises gekürt worden) und hat in kürzester Zeit 15 Auszeichnungen von München bis Hamburg gewonnen - so richtig los. Am Ende des Abends versteht man den Hype um diesen Künstler, der mittlerweile ein gefragter Gast in TV-Formaten wie "Schlachthof" oder "Schleich-Fernsehen" ist.

Dem Grundthema "Landei meets Stadtmensch" bleibt er auch in seinem mittlerweile zweiten Programm treu, doch liegt der Schwerpunkt diesmal auf einer autobiografisch angehauchten "Sinnkrise". Mal zum Schmunzeln, mal zum Brüllen komisch verarbeitet der Landwirtssohn (als 25-Jähriger mitten im "Transitalter" zwischen Kind und Erwachsenem) seine persönlichen Traumata: kein Bachelor, am Salzburger Mozarteum abgelehnt und nicht mit dem für ein g'standnes Mannsbild unabdingbaren "bayrischen Grant" gesegnet. All das dient ihm als Aufhänger für die humoristische Demontage gesellschaftlicher Schieflagen: Vermieter, die eine "oreidige Hiam" zu Wucherpreisen vermieten dürfen, unterbezahltes Pflegepersonal, eine Geiz-ist-geil-Mentalität (die Milchbauern ihre Existenzgrundlage nimmt) und die realitätsferne Schönfärberei ("Filter drüber") im Internet.

Dabei schlüpft der studierte Schauspieler in Mimik, Habitus und Duktus perfekt in unterschiedliche Rollen, setzt Kunstpausen und Pointen auf den Punkt und hat ein untrügliches Gespür für das richtige Maß an Übertreibung. Dass er trotz gescheiterter Aufnahmeprüfung das Zeug zum Opernstar hat, beweist Frank mit seinen Gesangseinlagen - stimmlich hervorragend, inhaltlich indes nicht urheberrechtskonform. Da mutiert die Toreador-Arie aus Carmen schon mal zum "Ratzn-Song" und der Versuch, etwas durch "Dunkelrote Rosen" zu sagen, scheitert an den simultan von ihm selber eingestreuten Einwürfen einer Seniorin. Wie Frank den demografischen Wandel in Szene setzt, zeigt exemplarisch seine Originalität: Da signalisieren flotte Rentner auf dem Friedhof per Gießkannen-Code ihre Flirtbereitschaft. Wehe dem, der da die Tülle falsch rum hält.

Der Abend endet unter Jubel und Applaus mit mehreren Zugaben - darunter ein in "La Traviata" verpacktes Berlichingen-Zitat in Richtung Musikschule. Auch auf Glanzlichter aus dem ersten Programm, wie das "Requiem" für ein verrecktes Hendl (frei nach Händel), muss keiner verzichten.

Maggie Zurek