Manching
Hochtechnologie der Zeitenwende

Forscher und Studenten aus Erlangen bauen eines der Römerschiffe aus Oberstimm nach

23.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:26 Uhr

Foto: Bernhard Pehl

Manching / Erlangen (PK) Als die Römer Germanien eroberten, gab es keine Straßen. Truppen, Waren, Nachrichten - all das konnte nur auf einem Weg in die wilden Gebiete des Nordens transportiert werden: per Schiff. Die natürlichen Wasserstraßen - kleine und große - ersetzten den Römern die Autobahn. Doch wie waren römische Boote beschaffen? Material, Technik, Geschwindigkeit oder Ruderer? Antworten auf diese Fragen sind zwar zum Teil überliefert. Doch wie es sich in der Realität verhielt, weiß keiner.

Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen um den Althistoriker Professor Boris Dreyer wollen gemeinsam mit Studenten, Schülern und vielen Freiwilligen diesen Geheimnissen auf die Spur kommen. Gemeinsam bauen sie mit Unterstützung der Stadt Erlangen das römische Patrouillen- und Geleitzugboot "Fridericiana Alexandrina (Navis)" - kurz: FAN - in Originalgröße nach. Dreyer will das Experiment mit neuen Fragestellungen wagen: Das Bauteam hat sich vorgenommen, auch die antiken Rudertechniken zu rekonstruieren. Nur so können die Wissenschaftler erforschen, wie viel Krafteinsatz tatsächlich nötig war und auf welche Distanzen man das Boot einsetzen konnte.

Vorbild sind die in den 90er-Jahren in Oberstimm bei Manching gefundenen, rund 2000 Jahre alten römischen Bootswracks, die im Kelten- und Römermuseum ausgestellt sind und dort zu den Attraktionen zählen. Vor Kurzem war jetzt eine Gruppe von Studenten mit Dreyer zusammen in Manching und verwandelte die Schiffshalle des Museums in einen Hightech-Raum. Mehrfachstecker, Verlängerungskabel, Kameras, PCs, Markierungen, Leuchten und Tachymeter (eine Art Geschwindigkeitsmesser) wurden überall aufgebaut, um möglichst viele Fotos aus ganz bestimmten Blickwinkeln zu schießen. Das Ziel: ein exaktes 3-D-Modell eines der Römerboote, womit dann fehlende Teile ergänzt werden können, um anhand dessen dann den Nachbau zu machen.

"Das Boot ist eigentlich ganz gut erhalten", sagt Dreyer, dessen Forschungsschwerpunkt die Römer in Germanien sind, zum Original in Manching. Nur der Steven, also die nach oben gezogene Verlängerung des Kiels an der Schiffsunterseite, fehlt. Wie Dreyer weiß, war diese Art von Booten auf Schnelligkeit getrimmt und erreichte wohl an die sechs Knoten, also gut zehn Stundenkilometer. Große Transporte konnte man damit jedoch nicht bewältigen. Mit 18 bis 20 Ruderern - übrigens allesamt Soldaten, die auch kämpften - war das Boot voll. Mit seinem Rammsporn wurde es für Geleitzüge oder für amphibische Unternehmungen eingesetzt. Und mit rund 70 Zentimetern Tiefgang kam es wohl die deutschen Flüsse hoch.

Mindestens genauso interessant sind für die Forscher Aufschlüsse über die Schiffsbautechnik. Wie an den Oberstimmer Booten deutlich zu sehen ist, handelt es sich um Nut- und Feder-Verbindungen. Diese sogenannte Kraweelbauweise wurde im 8. Jahrhundert vor Christus erfunden.

Das Holz für den Nachbau wurde bereits im Herbst geschlagen. Im April soll dann die eigentliche Arbeit im Erlanger Hafen beginnen. 2018 soll das Boot fertig sein und die fränkischen Wasserstraßen unsicher machen. Und nicht nur das: Laut dem Manchinger Museumsleiter Wolfgang David wurden bereits Kontakte nach Österreich geknüpft, wo das Boot ebenfalls 2018 bei der großen Landesausstellung in Linz und Enns anlegen soll. Ziel der oberösterreichischen Landesausstellung ist es, im Hinblick auf die erhoffte und erwartete Aufnahme des österreichischen Abschnitts des Donau-Limes in das Unesco-Weltkulturerbe, die historische Bedeutung des römischen Donau-Limes einerseits und das Leben am Limes andererseits zu dokumentieren. Für den Besucher sollen Rückschlüsse darauf möglich sein, woher die römischen Soldaten, die an dieser Grenze ihren Dienst taten, kamen, wie sie das Alltagsleben in dieser Region prägten und was von diesem römischen Erbe erhalten geblieben ist.

Die größte Bedeutung hatte der Donau-Limes zwischen 30 vor Christus und 160 nach Christus, wobei das in Enns gelegene "Lauriacum" als Lager der II. Italischen Legion ("Legio Secunda Italica") diente, die mit der Verteidigung der nördlichen Grenzlinie der Provinz Noricum betraut war. Diese reichte im Westen von Passau bis in den Raum zwischen Wien und Carnuntum im Osten der heutigen Republik Österreich.