Pfaffenhofen
Literaten, die das Leben lieben

Letzte Breznrunde vor der Sommerpause: Drei Autoren behandeln in der Kreisbücherei zwischenmenschliche Tiefen

07.05.2018 | Stand 25.10.2023, 10:27 Uhr
Aufmerksam und amüsiert hören die Besucher bei der Breznrunde in der Kreisbücherei dem Autoren Roland Scheerer zu. Rechts sitzen der Poetry-Slammer Korbinian Schmid, daneben der Lutz-Stipendiat Peter Zemla. −Foto: Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) So unterschiedlich sie auch sein mögen, eines haben die drei Autoren gemeinsam, die am Samstag bei der letzten Breznrunde vor der Sommerpause in der Kreisbücherei aus ihren Werken lasen: Sie sind scharfe Beobachter von Alltäglich-Zwischenmenschlichem.

Und sie lieben ihre Protagonisten.

Die Breznrunde hat sich in der Bücherei als feste Einrichtung etabliert: Jeden ersten Samstag im Monat jeweils von 10 bis 12 Uhr lesen Autoren aus der Region aus ihren Texten. Anschließend haben die Zuhörer Gelegenheit, mit den Schriftstellern zu diskutieren. Breznrunde - das ist wörtlich zu nehmen: Es gibt kostenlos Brezn und Kaffee. Schade, dass an diesem Samstag noch nicht einmal 20 Zuhörer den Weg in die Bücherei gefunden haben: Was die drei Autoren da vortrugen, das war nicht nur literarisch ein Genuss, es machte schlichtweg Spaß zuzuhören.

Als ersten Vorleser stellte Bücherei-Leiter Stephan Ligl Roland Scheerer vor: Erzähler, Lyriker, Kolumnist und Deutschlehrer am Schyren-Gymnasium. Er las aus seinem Buch "Die Welt ohne Bleiziffer". Ein Roman über eine Freundschaft zwischen zwei Grundschülern, Bleiziffer und Kordian, die sich 1981 während eines Urlaubs im Süden kennenlernen und deren Lebenswege sich immer wieder kreuzen. Sehr feinfühlig und liebevoll zeichnet Scheerer seine beiden Protagonisten, die ihre Haustiere nach großen Vorbildern benannt haben: Der Wellensittich heißt "Captain Future", so wie die US-TV-Kultserie. Für die Maus stand Fußballprofi Horst Hrubesch mit seinem Namen Pate. Scheerer weiß, wie Buben in diesem Alter ticken und wie sie auf ihre Eltern und überhaupt die Erwachsenenwelt schauen. Sie denken sich nichts dabei, wenn sie wie Kordian den Vater nur mit der Badehose bekleidet in der Küche von Bleiziffers Mutter entdecken. (Wer jetzt neugierig geworden ist - das Buch gibt's noch im Handel. )

Statt eines Buchs kramte der zweite Autor zusammengefaltete Blätter aus seiner Tasche. Korbinian Schmid aus Gerolsbach ist Poetry-Slammer. Der 22-Jährige übertitelte seine Geschichte mit: "Das Wetter und so. " Herr P. trifft Herrn G. Es ist Sommer, und darüber tauscht man sich aus. Heiß ist es, morgen wird's noch heißer, man schwitzt, es ist zu heiß zum Barfußlaufen. Und dann kommt der Winter, und die beiden Herren treffen sich wieder zum Plausch: Kalt ist es, morgen wird's noch kälter, man friert, es ist zu kalt zum Barfußlaufen. Es ist die hohe Kunst des Smalltalks, die Schmid hier als nichtssagend entlarvt: Wir haben uns angeregt unterhalten - aber zu sagen hatten wir uns nichts.

Schmid übergab das Mikro an den dritten in der Runde: Peter Zemla ist der neue Pfaffenhofener Joseph-Maria-Lutz-Stipendiat, der vor ein paar Tagen in den Flaschlturm gezogen ist. Dort will er an seinem futuristisch-realistischen Roman mit dem Arbeitstitel "Die Hinrichtung" arbeiten: Die Geschichte eines überkorrekten Bademeisters, der im Rathaus - so viel verrät er - den Termin für seine Hinrichtung einfordert. Auch Zemla hat nichts Gebundenes mitgebracht. 365 Ein-Satz-Kurzgeschichten habe er zu Papier gebracht. Sie bestehen tatsächlich nur aus einem einzigen Satz, auch wenn der mal eine ganze Din-A-4-Seite füllt. Mit dieser Kunstform schafft es Zemla, Alltägliches aus dem aus dem Bottich des Banalen in eine literarische Höhe zu ziehen. Wie etwa die Begebenheit, die er mit dem Titel "Lineal" überschrieben hat: Beim Tod des Vaters nimmt der Sohn bei der Haushaltsauflösung neben seinem Teddy auch ein Lineal an sich, das ihn an eine Übereinkunft zwischen seinen Eltern erinnert: Ein Zusammenleben in Zukunft, hatten die beiden verabredet, könnte vielleicht noch möglich sein, wenn man sich nicht näher als auf eine Lineallänge käme. Was dem Sohn eine Kindheit bereitete, "die er im Nachhinein als schön und gelungen sich traut zu bezeichnen".

Albert Herchenbach