Pfaffenhofen
Lieber euphorisch als platt

Für „Horrorladen“-Gesamtleiter Julian Oswald ist in anderthalb Jahren kein Tag ohne Musical vergangen

24.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:45 Uhr

−Foto: Herchenbach, Albert, Pfaffenhofen

Der „Horrorladen“ war ein echtes Mammutprojekt. Wie sind Sie als noch recht junger Musiklehrer auf die Idee gekommen, so etwas zu stemmen? Julian Oswald: Ich wollte es einfach mal ausprobieren.

Ich habe sehr positive Erinnerungen an die Musicals, die wir in Bad Tölz während meiner eigenen Schulzeit aufgeführt haben. Jetzt haben wir gesehen, dass wir so etwas in Pfaffenhofen auch packen. Aber dass es letztlich so groß wird, war nicht vorherzusehen – das hat sich erst im Lauf der Vorbereitung so ergeben.

Wie lange war der Vorlauf, wann ist Ihnen die Idee dazu gekommen?

Oswald: Es war Anfang 2016, als ich mir das zum ersten Mal gedacht habe. Natürlich musste ich erst einmal überlegen, welches Musical sich denn überhaupt eignen könnte. Also habe ich mir einfach mal einige Noten schicken lassen.

Wie kam dann der „Horrorladen“ dabei heraus?

Oswald: Ziemlich zur selben Zeit trudelte ein Schreiben von der Gartenschau-Gesellschaft bei uns ein, ob wir uns an diesem großen Ereignis in irgendeiner Form beteiligen möchten. Da waren die Noten eines Stücks über eine gefräßige Pflanze, die nahende Gartenschau und meine Kollegen, die ihre Unterstützung signalisierten. Da stand eigentlich sofort fest, dass es genau dieses Musical werden sollte. Und im März vergangenen Jahres ging es dann so richtig los.

Wie haben Sie das große Unterfangen gestartet? Was waren Ihre ersten Schritte?

Oswald: Vieles ging dann fast von alleine. Ich habe die befreundeten Schulen zu einem großen Infoabend geladen, um zu berichten, wie alles ablaufen könnte. Alle waren gleich Feuer und Flamme, alle wollten mitmachen. Und so hat sich dann auch sehr schnell ergeben, wer in welchen Bereichen mitwirkt.

Es war also kein Hauen und Stechen ums Prestige?

Oswald: Wirklich gar nicht. Die Rebl-Schule meinte gleich, dass sie einige tolle Tänzer zu bieten hätte. Die waren letztlich eine echte Schau. Sie hatten solche Freude auf der Bühne. Sogar für einen Rollstuhlfahrer hatten wir schnell eine passende Rolle gefunden. Das waren besondere Momente bei den Aufführungen – genau diese Kooperationen haben den großen Zauber ausgemacht.

Den Großteil haben trotzdem die Gymnasiasten beigesteuert?

Oswald: Die Solosänger und der Chor kamen tatsächlich vom Gymnasium. Aber unser Orchester ist von Musikern der Realschul-Bigband kräftig verstärkt worden. Und die Grundschüler haben sich jede Menge Mühe gegeben, um die Requisiten zu basteln. Besonders die Pflanzenschlingen waren toll – und haben am Ende des Stückes eine ganz wichtige Rolle gespielt.

Die Kooperation hatte etwas Besonderes.

Oswald: Die Schüler waren mit Feuereifer dabei. Es war absolut schön, diese Energie der verschiedenen Schulen zu bündeln. Aber je mehr Leute, desto größer ist auch der Aufwand. Am Ende waren es 137 Mitwirkende. Wir wollten natürlich, dass auch wirklich alle dabei sein konnten, die wollten. Aber am Ende war es schon eine sehr große Gruppe, die wir auch unter Kontrolle halten mussten. Zum Glück ist das prima gelungen.

Bei früheren Aufführungen – etwa bei der „Carmina Burana“ – holte sich das Gymnasium professionelle Hilfe von Studenten und ausgebildeten Musikern hinzu. Wieso haben Sie darauf komplett verzichtet?

Oswald: Ganz auch wieder nicht. Unsere Musiklehrer waren ja mit von der Partie. Sonst war das natürlich eine pädagogische Gewissensentscheidung. Je mehr Profis, desto höher die Qualität. Aber je weniger Unterstützung, desto mehr wird es ein Schülerprojekt. In diesem Fall hat der Verzicht auf externe Profis sehr gut funktioniert.

Waren von vorneherein so viele Gesangs- und Schauspieltalente an der Schule oder sind die Jugendlichen an dem Projekt gewachsen?

Oswald: Irgendwie war es beides. Natürlich wussten wir um das eine oder andere Talent, das wir gezielt angesprochen haben und für die Sache begeistern konnten. Aber wir hatten auch ein offenes Casting, zu dem jeder kommen konnte, der wollte. Da war ich zum Teil selbst erstaunt, wer sich da meldete. Und es waren einige dabei, die letztlich Großes geleistet haben, ohne dass ich das vorab von ihnen erwartet hätte.

Können Sie ein Beispiel nennen, wer da so über sich hinausgewachsen ist?

Oswald: Zu allererst fällt mir da Daniel Nothnagel ein, der vorher musikalisch kaum in Erscheinung getreten ist. Er hat mit Seymour eine der wichtigsten Hauptrollen gespielt – und seine Sache nun wirklich vorzüglich gemacht.

Die Aufführungen hatten wirklich etwas Professionelles. Haben Sie das so erwartet oder waren Sie selbst überrascht?

Oswald: Es ist schön, was sich da alles aufgetan hat. Nicht jeder, der gut singen kann, wirkt auf der Bühne auch gut. Bei der Auswahl haben wir auf die Stimme, aber auch auf die Bühnenpräsenz oder das Aussehen geachtet. Es muss halt passen. Nicht jeder eignet sich für jede Rolle. Manchmal mussten wir auch länger suchen. Für die letzten Rollen haben wir jeden Schüler einzeln vorsingen lassen. Da ist es dann eher die Herausforderung, einem klarzumachen, dass er wirklich dafür geeignet ist, da vorne auf der Bühne zu stehen und die Menschen zu unterhalten. Manche wissen gar nicht, was sie können. Da muss man dann auch ein Überredungskünstler sein.

Insgesamt waren es also anderthalb Jahre von der Idee bis zur Premiere. Sie haben hohe Ansprüche erfüllt. Gab es denn auch Probleme, mit denen gar nicht gerechnet wurde?

Oswald: Wir hatten technische Probleme beim Kartenvorverkauf. So etwas würde man ja gar nicht vermuten. Aber da wurden von manchen fast schon professionelle Züge erwartet. Wir haben zwar ein eigenes P-Seminar für das Musical gegründet. Aber trotzdem können wir nicht rund um die Uhr den Ticketverkauf bedienen. Das ist schulbedingt gar nicht möglich.

Würden Sie beim nächsten Mal professionelle Hilfe einholen – oder gerade nicht?

Oswald: Ich würde es wieder so machen. Die Kinder lernen schließlich mit jedem Fehler, den sie machen. Und das nehmen sie dann für das ganze Leben mit. Fehler gehören zum Lernprozess. Würden wir den Jugendlichen alles hinterhertragen, könnten sie auch nicht so viel mitnehmen.

Trotz einiger Konkurrenz kamen zu den vier Aufführungen um die 1500 Gäste. Zufrieden? Oder hätten es sogar noch mehr sein können?

Oswald: Wir hatten viele Gäste, die sich das Musical sogar mehrfach angeschaut haben. Das empfinde ich als größtes Kompliment. Insgesamt sind wir mit dem Besuch sehr zufrieden. Wir hatten die Aula immer voll – und die Stimmung war stets großartig. Mehr konnten wir nicht wollen.

Ursprünglich waren zwei Aufführungen auf der Gartenschau geplant. Das wurde kurzfristig abgeblasen. Gab es neben den technischen Herausforderungen dafür noch andere Gründe?

Oswald: Der Ortswechsel wäre für die Schüler nicht ganz einfach gewesen. So eine Open-air-Veranstaltung ist nochmal eine spezielle Herausforderung. Weil viele Einflüsse von außen dazukommen. Weil die Kinder das Umfeld nicht kennen. Ich hatte am Ende den Eindruck, dass ich ihnen diese zusätzliche Last nicht auch noch aufbürden konnte. Es war richtig, in der bekannten Aula zu bleiben. In der sicheren Umgebung.

Viermal riesiger Applaus – was nehmt Ihr noch mit in die Ferien?

Oswald: Es war in den letzten Tagen schön zu erleben, wie euphorisiert die Kinder sind. Es macht Mut und Lust, wieder etwas Neues anzupacken. Es hätte nicht besser ablaufen können. Und ich bin wirklich allen Beteiligten sehr dankbar, dass sie so mitgezogen haben und alles so prächtig geklappt hat.

Sie sind sicher gefragt worden, ob das Stück noch einmal aufgeführt werden könnte?

Oswald: Sind wir. Aber man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Die vier Aufführungen waren auch harte Arbeit. Noch mehr davon, und es würde manchem zu viel werden. Die Schüler sollen lieber euphorisiert in die Ferien gehen – und nicht platt.

Und die zweite Frage, die sich alle stellen: Was kommt als Nächstes?

Oswald: Der große Erfolg beflügelt, weitere Projekte in Angriff zu nehmen. Aber ich werde nichts übertreiben. Wir haben noch weitere engagierte Musiklehrer, die etwas zeigen wollen. Nächstes Jahr kommt die Oper „Dido & Aeneas“, die Stefan Daubner inszeniert. Und danach kommt wieder etwas. Ich will da keinen zusätzlichen Druck aufbauen. Seit Anfang 2016 ist kein Tag vergangen, an dem ich nichts mit dem Musical zu tun hatte. Irgendwas gab es immer. Da muss man auch mal abschalten. Der normale Unterricht will ja auch gehalten werden. Und zu gegebener Zeit, wenn das Feuer wieder brennt, werden wir die nächste Herausforderung angehen. Soviel kann ich versprechen: Eine Eintagsfliege war der „Horrorladen“ ganz sicher nicht.

Das Gespräch führte

Patrick Ermert.