Jetzendorf
Wo der Frosch König ist

PK TRIFFT Angela Grau, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Lebensräume für seltene Amphibienarten zu erhalten

28.08.2014 | Stand 02.12.2020, 22:18 Uhr

 

Jetzendorf (PK) Seit es den Menschen gibt, braucht die Natur Schutz. Paradoxerweise wird der Erhalt von Lebensräumen für seltene Arten heute oft gerade von vermeintlichen Umweltsündern gewährleistet. Deshalb arbeitet Angela Grau gern mit „Bagger und Co“ zusammen.

Die gebürtige Stuttgarterin, die seit etlichen Jahren in Jetzendorf heimisch ist, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Lebensräume für seltene Amphibien im Landkreis zu erhalten und wo nötig, neue zu schaffen. Für ihre ehrenamtliche Tätigkeit steht die Pianistin, die an der Musikhochschule in München als Klavierbegleiterin tätig ist, in engem Kontakt mit den Naturschutzbehörden.

„Lange Fragebögen“ musste sie etwa ausfüllen, bevor die Regierung von Oberbayern ihr die Sondergenehmigung erteilte, akut gefährdete Arten wie Kreuz-, Wechsel und Knoblauchkröte, Laubfrosch und Gelbbauchunke bei sich zu Hause „aufzupäppeln“. Wer sie besucht, sieht schnell, was das bedeutet. Überall im Garten stehen Mörtelwannen, in denen Kaulquappen in niederschlagsarmen Jahren vor dem Austrocknen bewahrt werden. Freiland-Terrarien bieten im Bedarfsfall für heranwachsende Schützlinge die adäquate Kinderstube. „Fast 100 Prozent“ bringt sie durch und kann sie an geeigneten Standorten „auswildern“.

Doch auch im Haus ist sozusagen der Frosch König. Statt Nippes füllt Fachliteratur die Regale, Fotos von Flora und Fauna zieren die Wände. In der Küche steht ein „Lernaquarium“, in dem vereinzelte Kaulquappen schwimmen „an denen ich meinen Blick für die Besonderheiten der jeweiligen Art üben kann“, erläutert Grau den Sinn. Denn in diesem Wachstumsstadium ist eine Unterscheidung selbst für das erfahrene Auge nicht leicht.

Schon als Kind war die eher zurückhaltend wirkende 50-Jährige, die sich im Konzertsaal ebenso heimisch fühlt, wie in der Kiesgrube, „viel draußen unterwegs“. Und sie beobachtete gerne, was da so kreuchte und fleuchte. Etwa die Gelbbauch-Unken im Wald. „Eines Tages waren die verschwunden, das hat mich für das Thema Artenschutz sensibilisiert“, verrät sie. Obwohl sie eigentlich lieber den grünen Leguan gefüttert hätte, übernimmt sie die Pflege der Frösche im Schulterrarium. Und hegt eine Schildkröte, die „mir im Wald beim Pilze-Sammeln quasi zugelaufen ist“.

Nach dem Studium – die Musikerin absolviert die Meisterklasse mit Erfolg – führt die Suche nach einem frei stehenden Haus („das stundenlange Üben kann man Nachbarn nicht zumuten“) sie nach Jetzendorf. Bald erkundet sie auch hier die Umgebung, entdeckt seltene Amphibienarten und sieht deren Lebensräume schwinden. Im Kampf um deren Erhalt sucht sie sich Unterstützung und findet sie beim Landesbund für Vogelschutz (LBV). „Der Name ist irreführend, denn der Verband hat sich ganz allgemein dem Artenschutz verschrieben“, erklärt sie. Und setzt hinzu: „Als Einzelne kann man nicht viel ausrichten, es braucht die Vernetzung mit Gleichgesinnten“. Manchmal kommt Hilfe auch von unerwarteter Seite, denn es gilt sozusagen „je Bagger, desto Natur“ meint sie mit einem Schmunzeln.

Der irritierte Blick der Journalistin lässt sie zur Erklärung ausholen. Seit die Menschen Flüsse begradigt haben, seien jene Tierarten, die ursprünglich in den Flussauen vorkamen, auf Schutzmaßnahmen angewiesen. Früher spülte das Hochwasser regelmäßig Rohböden frei und hinterließ neue Wasserlachen. „Heute finden ähnliche Prozesse nur noch dort statt, wo schwere Maschinen eingesetzt werden, Bagger in Kiesgruben oder Panzer auf Truppenübungsplätzen.“ An Weihern haben seltene Amphibien wenig Chancen, weil ihr Nachwuchs von Fischen, Molchen oder Wasserinsekten gefressen wird. Auch da komme „manchmal Hilfe von unerwarteter Seite“ – in Gestalt von schweren Holzerntemaschinen, die im Wald wassergefüllte Fahrspuren entstehen lassen. Besonders beliebt sind die bei Gelbbauchunken.

Auf offene Ohren trifft Grau bei vielen Kiesgrubenbesitzern, die sich über den Bayrischen Industrieverband Steine und Erden dem Artenschutz verschrieben haben – etwa die Firmen Knorr und Stowasser, die im vergangenen Jahr neben dem Biohof Lehmair vom LBV mit der Plakette „amphibienfreundlicher Betrieb“ ausgezeichnet wurden.

Man müsse aber nicht unbedingt ein motorisiertes Gefährt lenken, um Gutes zu tun. Ein bisserl weniger Steingarten-Optik und „dafür mehr wilde Ecken, Reisig und altes Laub im heimischen Garten sind schon gelebter Naturschutz“, betont Grau, zu deren ökologischer Arbeit auch eine akribische Dokumentation gehört. „Jede Menge Schreibarbeit“ also. Nicht zu vergessen die Führungen, Fachvorträge und der Austausch mit Experten. Wenn sie voller Begeisterung von ihrer unbezahlten Tätigkeit berichtet und dabei immer strahlend lächelt, glaubt man ihr gerne, dass sie weitere Hobbys oder oberflächliche Vergnügungen „nicht vermisst“. Für die bleibt eh keine Zeit.