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"Nach dem Ja kommt das große Aber"

CSU-Fraktionschef Martin Rohrmann kritisiert Herkers Finanzpolitik

23.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:44 Uhr

Politiker und Rechtsanwalt: Der CSU-Fraktionssprecher im Pfaffenhofener Stadtrat Martin Rohrmann (42) im Interview - Foto: Kraus

Herr Rohrmann, Sie als CSU-Fraktionssprecher sind eigentlich der Gegenspieler von SPD-Bürgermeister Thomas Herker. Und jetzt: Stadtratsklausur, parteiübergreifender Investitionsplan, einstimmig abgesegnete Millionenausgaben. Bei so viel Einhelligkeit könnte einen das Gefühl beschleichen, dass die Pfaffenhofener CSU heimlich ein Teil der bunten Koalition ist.

Martin Rohrmann: Uns in der CSU-Fraktion geht es um sachliche Politik. Dass wir vielen Projekten zustimmen, hat aber nichts mit einem Schmusekurs zu tun: In Stadtratsdiskussionen stammen zwei Drittel der Wortmeldungen von uns. Wir bringen Bedenken vor, fragen kritisch nach. Gegen alles zu stimmen wäre hingegen Populismus: Schule, Kindergarten, Sportgelände – das sind Projekte, die über jeder Parteipolitik stehen. Solche Projekte tragen wir natürlich mit. Aber nach dem „Ja“ muss das große „Aber“ kommen. Und dieses „Aber“ ist die Frage der Finanzierung.

 

Ein gutes Stichwort. Bürgermeister Herker kündigt eine Neuverschuldung im achtstelligen Bereich an. Steuert Pfaffenhofen auf den Ruin zu?

Rohrmann: Die Lage ist dramatisch: Die Pro-Kopf-Verschuldung erhöht sich Stand jetzt ums Sechsfache und alle Rücklagen werden aufgebraucht. Deshalb dürfen wir nicht der Steigbügel für Herkers Politik sein. Meines Erachtens müssen wir nicht – wie von ihm gefordert – an der Einnahmenschraube drehen, sondern an den Ausgaben. Nehmen wir die Gewerbesteuer: Wenn wir den Hebesatz erhöhen, dann treten wir in einen Wettstreit mit anderen Gemeinden. Als Unternehmen würde man zum Beispiel in Neufahrn weniger Steuern zahlen müssen. In Schweitenkirchen, das auch direkt an der Autobahn liegt, sowieso.

Eine Erhöhung der Grundsteuer steht auch im Raum...

Rohrmann: Ich sehe nicht ein, warum der Hebesatz schon wieder angehoben werden soll. Vor allem ist eine höhere Grundsteuer sozial schwierig, weil sie am Ende von den Eigentümern wieder 1:1 auf die Mieter umgelegt würde.

Ihre Devise lautet also Ausgaben senken statt Einnahmen erhöhen?

Rohrmann: Genau. Wir müssen endlich Schwerpunkte setzen und Investitionen notfalls auch mal verschieben. Laut Artikel 57 der Gemeindeordnung ist es Pflichtaufgabe der Gemeinde, in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit Sorge für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Wohl zu tragen. Und wir erreichen bei den Ausgaben eben diese Grenze der Leistungsfähigkeit.

 

Landesgartenschau, Schulneubau, Hallenbad – hat sich der Stadtrat zu viel vorgenommen?

Rohrmann: Das Problem ist, dass Herker & Co. seit Jahren die Parole ausgeben: „Es geht alles, und zwar sofort!“ Das schafft Begehrlichkeiten, aber auch Unzufriedenheit, wie man derzeit gerade wieder an der Bürgerinteressengemeinschaft gegen die Straßenausbaubeitragssatzung sieht. Es wird angeschoben und angeschoben – und dann sollen die Bürger wie selbstverständlich die Rechnung bezahlen.

 

Abwarten als Lösung?

Rohrmann: Nein! Es geht nicht darum, Aufgaben auf die lange Bank zu schieben. Es geht darum, erst mal zu überlegen, was zum Beispiel mit Blick auf die Landesgartenschau 2017 wirklich wichtig ist. Wenn das Gesamtkonstrukt der Investitionen passt, kann der nächste Ausbau einer weiteren Straße doch gut und gerne noch verschoben werden auf einen Zeitpunkt, zu dem es auch finanziell machbar ist. Ganz zu schweigen davon, dass das Anschieben von Projekten noch lange nicht heißt, dass sie dann personell auch tatsächlich durchgezogen werden können. Es verzögert sich ja alles. Ein Beispiel: Straßensanierungen werden überall angefangen, nach dem Aufreißen kommen die Tiefbauverwaltung und die Stadtwerke mit der Arbeit aber nicht nach.

 

Was das Wohnen und Leben in Pfaffenhofen betrifft, stehen mit dem neuen Flächennutzungsplan heuer wegweisende Entscheidungen an.

Rohrmann: Ja, und diese Neuauflage des Flächennutzungsplans haben wir von der CSU schon lange gefordert! Und da sprechen wir nicht von tragfähigen Perspektiven bis 2020, sondern bis 2040 oder 2050. Die Stadt sollte nur moderat wachsen, damit sie ihre Identität nicht verliert. Da muss ich dem Bürgermeister einmal recht geben. Trotzdem brauchen wir in der Zukunft zum Beispiel auch Möglichkeiten für neue Gewerbegebiete. Die Frage, wer wir sind und was wir sein wollen, ist noch nicht ausreichend beantwortet.

 

Was soll Pfaffenhofen Ihrer Meinung nach denn sein?

Rohrmann: Eine kleine Wohlfühlstadt, in der man bayerische Heimat noch fühlen kann. Eine Stadt, die zwischen Ingolstadt, Regensburg, München und Augsburg gut eingebunden und zu diesen Großstädten ideal angebunden ist – ohne aber in den Ballungsräumen aufzugehen. Pfaffenhofen soll keine Schlafstadt sein, sondern eine eigene Identität haben.

Und wie soll die Zukunft der Ortsteile aussehen?

Rohrmann: Die Ortschaften müssen attraktiv bleiben, damit die Leute nicht wegziehen. Sie dürfen nicht verwaisen. Und dazu muss man den Menschen dort entgegen vielen politischen Meinungen maßvoll Bauland zur Verfügung stellen – nicht grenzenlos, sondern maßvoll mit Ortsabrundungen und vereinzelten Ausweisungen.

 

Wo wir gerade beim Thema Zukunft sind: Wo sehen sie die Rolle der CSU-Fraktion in den kommenden Jahren?

Rohrmann: Wir müssen die Finger stärker in die Wunden legen. Eine entscheidende Frage ist auch, wie man die Bürger bei anstehenden Entscheidungen mitnehmen kann, ohne populistisch oder populär zu wirken. Wichtig sind uns dabei einerseits Glaubwürdigkeit, andererseits die Werte einer richtig verstandenen christlich-abendländischen Kultur.

 

Das Mitnehmen der Menschen ist doch eigentlich ein buntes Leib- und Magenthema.

Rohrmann: Ja, dann nehmen wir doch mal das von der Stadtregierung ins Leben gerufene „Paf und Du“ mit Internetportal und Magazin. Das Ganze kostet eine Unmenge Geld. Versprochen wird „Mitwissen, Mitreden, Mitgestalten“. Ein Klick auf „Mitgestalten“ führt nur zum Livestream der Stadtratssitzungen. Bei der Rubrik „Mitreden“, wo Bürger im Internet tatsächlich diskutieren könnten, ist der letzte Beitrag vom 3. Februar 2013. Bei „Mitwissen“ setzt sich die Stadt mit eigenen Beiträgen selbst gut in Szene. Und das ist dann die plakativ beworbene große Bürgerbeteiligungsplattform?

 

Vor der Kommunalwahl haben sich Ihre Christsozialen ja vor allem das Parkplatzproblem auf die Fahne geschrieben. Wie sieht’s damit aus?

Rohrmann: Im Wahlkampf wurden wir CSUler belächelt als die ewig Gestrigen mit ihrem Parkplatzthema. Und jetzt? Stellplätze in der Stadt fallen faktisch weg, sie werden abgeschafft. Als nächstes am ehemaligen Schlachthof und auch der Sparkassenparkplatz soll überplant werden. Das ist sehr bedenklich, was die Attraktivität der Stadt betrifft.

 

Als Handlungsgrundlage liegt den Stadträten jetzt ja das neue Parkgutachten vor.

Rohrmann: Nein, immer noch nicht! Obwohl ich immer wieder nachgefragt habe. Das Parkgutachten habe ich in der Stadtratssitzung im Juni gefordert. Nachgehakt habe ich dann im September, im Oktober, im November, im Dezember und im Januar. Und jedes Mal wurden wir vertröstet. Und jetzt hieß es plötzlich: „Wir können es nicht rausgeben, weil Fehler drin sind.“ Angeblich passen Verhältniszahlen im Gutachten nicht. Es ist unsäglich, dass wir dafür wieder viel Geld ausgegeben haben und letzten Endes immer noch nichts auf dem Tisch liegt.

 

Das Gespräch führte

Michael Kraus.