Geisenfeld
Strampeln gegen die Alltagstristesse

Beim Fahrradsicherheitstraining der Kreisverkehrswacht zeigen sich Geisenfelder Flüchtlinge sehr lernbegierig

29.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:15 Uhr

Foto: Gerhard Kohlhuber

Geisenfeld (GZ) Der Helm ist hin, aber die Melone ist noch ganz. Also, sagt Andy Aichele von der Kreisverkehrswacht auf Englisch, „setz einen Fahrradhelm auf, damit deine Melone nicht zu Bruch geht“.

Dabei klopft er dem 18-jährigen Benjamin aus Eritrea gegen den Kopf, und der grinst: Lektion verstanden. „Mal sehen, wie viele heute kommen“, sagt Thomas Stobbe, Verkehrerzieher bei der Geisenfelder Polizei, aber es ist auch erst kurz vor 13 Uhr. Noch ist keiner da – zumindest keiner der Geisenfelder Asylbewerber, für die man das Fahrradsicherheitstraining auf dem neuen Verkehrsübungsplatz der Grund- und Mittelschule veranstaltet. Jedenfalls in erster Linie. Alles ist bereit: ein Übungsparcours, ein kleiner Straßenrundkurs mit Abbiegespuren und richtigen Ampeln sowie ein Hightech-Simulator, bei dem es auf reelle Gefahren zu reagieren gilt.

Am Tag zuvor in der Sammelunterkunft Feilenmoos, beim ersten der beiden Trainingsnachmittage, ist dieser Simulator einer der ganz großen Renner. Die Flüchtlinge stehen Schlange, um auf dem Übungsrad vor dem großen Flachbildschirm Platz nehmen zu dürfen. „Big fun“, sagt der 30-jährige Raph aus Nigeria. Und damit meint er eigentlich die gesamte Aktion, die endlich etwas Leben in die Alltagstristesse der Flüchtlinge bringt. Während die einen unter der Aufsicht von Josef Schmidt den Parcours mit den Slalomstangen und der Wippe abradeln, lassen sich andere von Thomas Stobbe und Theo Fuchs beim Reparieren ihrer zumeist sehr betagten Drahtesel helfen. Mit so manchem Kleinteil können die Verkehrswachtler aushelfen, die sich wundern, „wie geschickt da einige mit dem Werkzeug umgehen“.

In null Komma nichts ist die Schachtel mit den mitgebrachten Katzenaugen und Reflektoren leer, doch noch begehrter wären die vielen schmucken Räder gewesen, die auf dem Transporter der Kreisverkehrswacht in Reih und Glied befestigt sind. „Am Anfang haben einige gemeint, diese Räder seien für sie. Und waren dann ein wenig enttäuscht, als wir ihnen klar gemacht haben, dass die Räder nur zum Üben da sind“, erzählt Andy Aichele, der Initiator der zweitägigen Aktion. Ansonsten ist aber allen klar, um was es hier geht. „For more safety“, sagt der 37-jährige Robert Benson aus Nigeria, also um mehr Sicherheit. Für Radfahrer, so erzählt er, gebe es in seiner Heimat „eigentlich gar keine Regeln“. Und deshalb sei es schon wichtig, zu lernen, „was man hier alles beachten muss“.

Der jetzigen praktischen Schulung vorausgegangen ist Unterricht in der Theorie. Drei Veranstaltungen hat es dazu in den vergangenen Wochen gegeben, eine im Pfarrheim und zwei draußen im Feilenmoos. Zu den Infotreffs eingeladen hatte der Geisenfelder Asylkreis, aus dessen Reihen drei Ehrenamtliche hierfür eine Extra-Schulung bei der Kreisverkehrswacht absolviert haben.

Freitag, 13.30 Uhr, zurück beim zweiten Trainingsnachmittag. Nach und nach haben doch noch etliche in Geisenfeld untergebrachte Asylbewerber den Weg zum Verkehrsübungsplatz der Schule gefunden. So wie der 18-jährige Benjamin, der zuvor jeden der Verkehrerzieher mit einem Handschlag und einem freundlichen „Servus“ begrüßt hat. Dazu gesellen sich auch einige Aktive des Helferkreises, der für die Flüchtlinge unter anderem eine wöchentliche Fahrrad-Reparatur-Aktion unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ anbietet. Räder könne man für die Flüchtlinge immer gebrauchen, erzählen die Helfer, „aber bitte nur verkehrstüchtige“. Abgegeben werden könnten diese – und auch intakte Helme – entweder draußen in der Unterkunft Feilenmoos oder nach telefonischer Anmeldung im Geisenfelder Pfarrhof.

Gekommen ist auch Bürgermeister Christian Staudter (USB). Der hat sich tags zuvor auch schon im Feilenmoos ein Bild gemacht, gemeinsam mit Manfred Meixensberger (USB), der im Stadtrat das Referat Integration betreut. „Eine tolle Sache“, finden beide, und sie bitten die Kreisverkehrswacht, die Aktion doch in bestimmten Abständen zu wiederholen. Schließlich kämen ja immer wieder neue Flüchtlinge mit Schulungsbedarf.

„Natürlich ist die Sprachbarriere ein Problem“, sagt Organisator Andy Aichele, besonders wenn die Flüchtlinge aus Ländern kämen, in denen weder Englisch noch Französisch gesprochen wird. Manche Dinge erschließen sich einem freilich auch ohne Reden und ganz unabhängig von Kulturkreis und Herkunft. Etwa, was es mit der Melone auf sich hat, wenn diese auf den Boden kracht. Mal mit Schutz und mal ohne.