Geisenfeld
Heimatforscher sind sich nicht grün

Sommerer tituliert Strauß als "Märchenerzähler" – dieser spricht von "ehrverletzenden Äußerungen"

17.09.2013 | Stand 02.12.2020, 23:40 Uhr

Eskalierter Streit zwischen Geisenfelder Hobby-Historikern: Stadtarchivar Hans Strauß (links) und Heimatforscher Ludwig Sommerer (rechts) - Fotos: Archiv GZ

Geisenfeld (GZ) Die Geisenfelder Heimatgeschichte ist ihr gemeinsames Hobby, doch sonst sind sich Hans Strauß und Ludwig Sommerer alles andere als grün. Von diesem als „Märchenerzähler“ tituliert, reagierte Stadtarchivar Strauß nun empört – er spricht von „ehrverletzenden Äußerungen“.

Der Streit zwischen dem früheren Geisenfelder Verwaltungsleiter, dem jetzigem Stadtarchivar Hans Strauß und dem passionierten Heimatforscher Ludwig Sommerer gärt schon seit Jahren. Entzündet hat er sich an dem Wunsch Sommerers, einen umfangreichen Aktenbestand aus dem Stadtarchiv abzufotografieren und zu digitalisieren, was Strauß mit Hinweis auf den Datenschutz und „fehlendes öffentliches Interesse“ zurückwies. Die Archive seien nicht dazu da, eine „fast schon krankhafte Sammelleidenschaft zu befriedigen“, heißt es in einer Darstellung des Archivars.

Sommerer, der schon tausende Stunden im Bayerischen Hauptstaatsarchiv geforscht hat, sieht sich von Strauß „willkürlich ausgebremst\". Und er übt im Gegenzug seit Jahren grummelnd Kritik an Strauß als Autor heimatwissenschaftlicher Bücher wie dem 2006 erschienen Werk über „Geisenfelder Haus- und Hofnamen“.

Jetzt hat Sommerer seine Kritik erstmals öffentlich gemacht. In einem Beitrag für eine Geisenfelder Internet-Plattform zur Geschichte des Alten Rathauses schieb Sommerer Folgendes: „Zum Alten Schloss möchte ich feststellen, dass es nicht im Talgässchen, wie die Geisenfelder Märchenerzähler Geistbeck, Dr. Schmid und Hans Strauß schreiben, sondern eindeutig belegt am Marienplatz 6 stand.“

Als „Märchenerzähler“ tituliert werden von Sommerer neben Strauß auch Johann Geistbeck (1862 bis 1942), der ein 21-bändiges Werk zur „Entwicklungsgeschichte von Geisenfeld und Umgebung“ verfasst hat, sowie Franz Schmid (1882 bis 1967) als Verfasser eines „Geisenfelder Heimatbüchleins“ und des Buches „Landschaft um Geisenfeld“.

Hans Strauß reagierte mit Empörung auf Sommerers Ausführungen. Er verfasste ein Schreiben an den Geisenfelder Bürgermeister, das dieser in der jüngsten Stadtratssitzung verlas – dem Wunsch des Stadtarchivars entsprechend. Wie es darin heißt, werde es in der Geschichtsschreibung „wohl immer so sein, dass frühere Studien aufgrund neuer Erkenntnisse berichtigt und ergänzt werden können – und das ist auch gut so“.

Was aber keinesfalls hingenommen werden könne, sind die in diesem Zusammenhang von Ludwig Sommerer gebrachten „ehrverletzenden Äußerungen“ gegenüber Geisenfelder Persönlichkeiten wie Johann Geistbeck und Franz Schmid. Beide, so Strauß, hätten „einen ganz wesentlichen Beitrag zur Geisenfelder Geschichte geleistet und sich um unsere Heimatstadt verdient gemacht“. Die Würde und Verdienste dieser Persönlichkeiten „auf eine so primitive und – auf gut bayerisch gesagt – gescherte Art anzutasten“, halte er für nicht hinnehmbar und sei „auch eine Beleidigung der Stadt Geisenfeld“, schreibt Strauß.

In seiner Stellungnahme in der jüngsten Stadtratssitzung stellte sich Bürgermeister Christian Staudter von den Unabhängigen Sozialen Bürgern (USB) voll hinter den städtischen Archivpfleger. „So etwas geht gar nicht“, meinte er zu Ludwig Sommerers Wortwahl, Dieser habe sich hier „absolut im Ton vergriffen“, und es sei wohl auch nicht der richtige historische Ansatz, sich in seinen Nachforschungen stets nur darauf zu konzentrieren, was Anderen an Fehlern unterlaufen ist.“

Mit den im Stadtrat verlesenen Vorwürfen des Stadtarchivars konfrontiert, relativierte Sommerer seine Wortwahl nicht etwa – er setzte vielmehr noch einen drauf: Er könne durch seine Nachforschungen im Staatsarchiv schwarz auf weiß belegen, dass Geistbecks Bände vor historischen Fehlern „nur so strotzen“. So nenne Geistbeck für das Jahr 1807 89 Hausbesitzer innerhalb der Geisenfelder Ringmauer, „39 davon sind nachweislich falsch“. Und Schmid sei im Wesentlichen nicht mehr als ein „Nachplapperer Geistbecks“, so Sommerer.

Und auch in Hinblick auf Hans Strauß sei die Titulierung „Märchenerzähler“ absolut gerechtfertigt, führe man sich nur dessen Haus- und Hofnamenbuch zu Gemüte, das „von vorne bis hinten eine einzige Offenbarung der Stümperei“ sei. Durch fehlendes Know-how seien mit den 196 angegebenen Hausnamen für Geisenfeld „nicht einmal 45 Prozent erfasst“; dazu seien 52 fehlerhaft erklärt. Damit, so Sommerer süffisant, „kann der Autor stolz darauf sein, dass er mit 34 Prozent mehr als ein Drittel der Geisenfelder Hausnamen nicht falsch erklärt hat“.

Es sei „schon seltsam“, dass Sommerer mit seiner Kritik an dem Buch „sieben Jahre nach Veröffentlichung daherkommt“, konterte Strauß gegenüber unserer Zeitung Sommerers Ausführungen. Und es sei auch „bezeichnend, dass er mir seine Beanstandungen nie persönlich ins Gesicht gesagt hat“. Da spiele wohl auch „ein gewisser Neid eine Rolle“. Aber wer Sommer mal kennengelernt habe, der „weiß ja, wie der gestrickt ist“.