Geisenfeld
Erinnerung, aber auch ein Spiegelbild der Zeit

Ludwig Sommerer hat von 5300 verstorbenen Geisenfeldern die Sterbebilder ausgewertet, digitalisiert und archiviert

30.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:03 Uhr

In digitaler Form hat Ludwig Sommerer von den allermeisten der in den vergangenen hundert Jahren hier gestorbenen Geisenfeldern die Sterbebilder. Einen Teil der rund 1000 Kärtchen, die ihm selbst gehören, präsentierte er beim Besuch in der GZ-Redaktion - Fotos: Kohlhuber

Geisenfeld (GZ) Sie sind eine Erinnerung an einen lieben Angehörigen, aber auch ein Spiegelbild ihrer Zeit: Sterbebilder. Der Geisenfelder Heimatforscher Ludwig Sommerer hat aus den zurückliegenden 130 Jahren von rund 5300 verstorbenen Geisenfeldern solche Bildchen archiviert.

Begonnen hat der pensionierte Lehrer an der Förderschule mit der Sammlung von Todesanzeigen und Sterbebildern im Zuge der eigenen Ahnenforschung, die er seit gut 40 Jahren betreibt. Im Mai 2006 fing er dann mit der Geschichtsforschung in Geisenfeld an, wobei ein Schwerpunkt seiner Arbeit den Gefallenen der beiden Weltkriege gilt.

Sterbebilder geben hier wichtige Aufschlüsse, und so begann der 64-Jährige herumzufragen – mit großem Erfolg. „Von über 30 Personen aus Geisenfeld und den Ortsteilen hab ich Sterbebilder-Sammlungen erhalten“, freut sich Sommerer, der seitdem Hunderte von Stunden in die Sichtung, Auswertung und Digitalisierung der Kärtchen investiert hat.

Das älteste von Sommerer archivierte Sterbebild erinnert an den 1884 gestorbenen Schillwitzrieder Joseph Eisenmann. Einen großen Teil der älteren Sterbebilder hat er dabei von Therese Schneider vom Harreißer-Hof in Zell zur Verfügung gestellt bekommen. Gesammelt wurden sie bis Mitte der 1970er Jahre von Anna Schneider, der Tante von Franz Schneider, Theresas Mann.

Rund 1600 neuere Sterbebilder – etwa seit 1960 – stammen aus der Sammlung der 73-jährigen Geisenfelderin Rita Krammel. „Ich bin fast auf jeder Beerdigung im Bekanntenkreis“, begründet sie ihren riesigen Fundus und erläutert auch den Hintergrund: „Bei den zahlreichen Todesfällen in unserem Verwandtenkreis waren ja auch immer viele Leute auf der Beisetzung.“

Weitere größere Sterbebilder-Sammlungen hat Sommerer von Gerti Staudt, Rosa Bortenschlager, Karl Steinberger (aus dem Nachlass von Alois Pollinger), Josef Knerr und dem Engelbrechtsmünsterer Franz Rockermeier zur Verfügung gestellt bekommen – in der Regel leihweise zur Erfassung und Digitalisierung.

Der Geisenfelder Heimatforscher schätzt, dass er mittlerweile von den allermeisten Geisenfeldern, die in den zurückliegenden hundert Jahren hier begraben wurden, die Sterbebilder archiviert hat. Allmählich, so erzählt er, wird „beim Sammeln die Luft schon dünn“ – er erhält fast nur noch Duplikate von Bildchen, die er schon hat.

Für Sommerer haben diese auch als Spiegelbilder ihrer Zeit einen historischen Wert. Allein die Wortwahl sage viel über die jeweilige Epoche. Beispielsweise der „ehrengeachtete Herr“ oder die „tugendreiche Jungfrau“ sind auf Sterbebildern neueren Datums nicht mehr zu finden.

Aber auch bei der Optik und beim Format ist eine Entwicklung feststellbar. „Während die Sterbebilder heutzutage zumeist ein faltbares Einheitsformat etwa in Postkartengröße aufweisen, waren sie früher zumeist nicht mal halb so groß, in Hochformat und entsprechend nicht faltbar, erläutert der Heimatforscher. Und auch Konterfeis des Verstorbenen waren bis vor wenigen Jahrzehnten eher eine Seltenheit. Ausnahme hier: die Sterbebilder der Gefallenen, von denen im Regelfall ja Militärfotos vorhanden waren.

Ob Ludwig Sommerers beeindruckende Sammlung mal öffentlich zu sehen sein wird? „Vielleicht ergibt sich ja mal ein Anlass“, so die Hoffnung des 64-Jährigen, denn wie er etwa von der 1100-Jahrfeier seines Geburtsortes Hebrontshausen weiß, „sind Sterbebilder-Ausstellungen ein Renner“. Sommerer: „Da stand eine Frau, die früh ihren Vater verloren hatte, plötzlich vor dessen Sterbebild – von dem sie bis dahin gar nicht gewusst hatte, dass ein solches existiert. Die konnte ihre Tränen kaum zurückhalten.“