Geisenfeld
Einmal Klage und zurück

Genehmigungsbescheid für Deponie bei Brunn sorgt für kuriose Doppel-Abstimmung im Stadtrat

04.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:57 Uhr

Geisenfeld (GZ) Erhebt die Stadt gegen einen Bescheid des Landratsamtes Klage? Dies wird sich in einer Sondersitzung des Stadtrates am nächsten Dienstag entscheiden. Zankapfel ist die geplante Deponie für mineralische Abfälle bei Brunn, die von der Kreisbehörde jetzt genehmigt wurde.

Ein Stadtrat, der einen so eben gefassten Beschluss auf Drängen des Bürgermeisters noch in derselben Sitzung wieder aufhebt. So etwas hat es in der Geisenfelder Kommunalpolitik wohl noch nie zuvor gegeben. Passiert ist dies am vergangenen Donnerstag, und Ergebnis dieses Hin und Her ist nun die Sondersitzung am nächsten Dienstag um 18 Uhr.

Einziger Tagesordnungspunkt wird dabei das weitere Vorgehen in Sachen Deponie Brunn sein, die seit Februar 2013 für Konflikte zwischen der Stadt und dem Landkreis sorgt.

Auslöser ist das Vorhaben der Firma Moosleitner Kies GmbH und Co.KG, auf dem Gelände der Kiesgrube Brunn eine Inertabfalldeponie zu betreiben, in der auch leicht belastetes mineralisches Material verfüllt werden soll. Fläche: 4,4 Hektar; Volumen: 575 000 Kubikmeter; Verfüllungszeitraum: etwa 20 Jahre.

Mehrfach hat das Stadtratsgremium einstimmig Nein gesagt zu diesen Plänen – zum Schutz der Brunner Trinkwasserbrunnen und weil man nicht „Zielort für einen bayernweiten Abfalltourismus\" sein wolle.

Zuletzt war die Angelegenheit heuer im Februar Thema im Stadtrat. Grund: ein Schreiben des Landratsamtes, in dem dieses die von der Stadt angeführten Argumente nicht gelten lässt. Weder das Wasserwirtschaftsamt noch die Untere Naturschutzbehörde beim Landratsamt hätten planungsrechtliche Einwände gegen das Vorhaben. Wenn die Stadt keine solchen benennen könne, dann werde das Landratsamt das fehlende Einvernehmen der Stadt ersetzen müssen, schrieb die Kreisbehörde. Auch von dieser Ankündigung zeigte man sich im Stadtrat unbeeindruckt – man setzte sogar noch einen drauf: Wenn das Landratsamt die Deponie gegen den ausdrücklichen Willen der Stadt genehmige, dann werde man gegen den Bescheid notfalls klagen, hieß es.

Vor diesem Hintergrund kam es schließlich heuer im Mai zu einem Runden Tisch, zu dem das Landratsamt neben den Antragsstellern und Vertretern der Stadt und der Fachbehörden auch die Brunner Familien eingeladen hatte. Dabei wurde versucht, die Ängste und Befürchtungen aus der Welt zu schaffen und damit die verhärteten Fronten aufzuweichen.

Laut Bürgermeister Christian Staudter machte die Juristin des Landratsamtes dabei deutlich, „dass die Kreisbehörde keinerlei Handhabe hat, den Antrag abzulehnen – weil alle für so ein Projekt notwendigen Auflagen erfüllt sind, wie ja auch die Fachbehörden mit ihrer Zustimmung bestätigen.“ Vor diesem Hintergrund wären die Chancen einer städtischen Klage „wohl überaus gering“, mutmaßte der Bürgermeister nach dem Runden Tisch von Mai, und diese Einschätzung wiederholte er nun in der jüngsten Stadtratssitzung.

Auf deren Tagesordnung war das Thema kurzfristig gesetzt worden, weil das Landratsamt Mitte Juli seine Ankündigung wahr gemacht und dem Betrieb der Deponie die Genehmigung erteilt hatte. Weil die Frist, um dagegen Rechtsmittel einzulegen, Mitte August abläuft, hatte der Stadtrat nun über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Für den Bürgermeister war die Sachlage dabei klar: „Eine Klage wäre aussichtslos und damit rausgeschmissenes Geld.“

Ausgerechnet in seiner eigenen USB-Fraktion stieß Staudter damit jedoch auf Widerspruch. Sowohl Günter Böhm als auch Reinhard Bachmaier machten deutlich, dass ihre Einwände in keiner Weise ausgeräumt seien, und regten ein „Gegengutachten“ an. Ein solches in zwei Wochen erstellen zu lassen, sei unmöglich, meinte dazu Verwaltungsleiter Hannes Hetzenecker, und so stellte es Bürgermeister Christian Staudter zur Abstimmung, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Die Überraschung: Kaum einer der Räte hob dafür die Hand, was wiederum den Rathauschef fassungslos machte: „Das zählt nicht, das kann ich so nicht akzeptieren. Es macht doch keinerlei Sinn, hier die Muskeln spielen zu lassen“. Staudter richtete einen eindringlichen Appell an die Räte, ihre Abstimmung zu revidieren. Für diesen Fall machte er dem Gremium das Angebot, rechtzeitig vor Ablauf der Klagefrist eine Sondersitzung einzuberufen und dazu einen oder zwei Experten einzuladen, die den Sachverhalt allgemein verständlich darstellen.

Mit Ausnahme von Günter Böhm erklärten sich die Stadträte letztendlich dazu bereit, diesen Weg mitzugehen. Per nochmaliger Abstimmung wurde der vorangegangene Beschluss, gegen den Bescheid des Landratsamtes zu klagen, wieder aufgehoben.

Seit gestern steht nun nicht nur der nächste Dienstag als Termin der Sondersitzung fest, sondern auch, wer die Experten sind, die dem Gremium Auskunft erteilen: die Juristin des Landratsamtes und eine Vertreterin des Wasserwirtschaftsamtes. Ausgerechnet Experten von dieser Seite hatte Reinhard Bachmaier freilich nicht haben wollen, denn dass diese ihren eigenen Bescheid verteidigen würden, „ist doch klar“. Eventuelle Alternativen aufzeigen könnten viel besser „unabhängige Fachleute von neutraler Seite“.

Doch solche Experten, die sich binnen weniger Tage in die komplexe Materie einarbeiten, „aus dem Hut zu zaubern“, sei völlig unmöglich, erklärte gestern Bürgermeister Christian Staudter gegenüber unserer Zeitung. Das Misstrauen gegenüber den Fachleuten der beiden Behörden sei „völlig unangebracht“.