Geisenfeld
174 Männer unter einem Dach

In der Patriotstellung leben manche Flüchtlinge seit fast zwei Jahren Wenn Probleme, dann intern

12.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:55 Uhr

Zurück vom Ausflug: Die Mehrzahl der Flüchtlinge, die in der früheren Patriotstellung untergebracht ist, lebt schon hier, seit die Unterkunft eröffnet wurde. - Foto: Archiv GZ

Geisenfeld (GZ) Vor fast zwei Jahren ist die Patriotstellung im Feilenmoos in eines der größten Flüchtlingslager des Landkreises umgewandelt worden. Und schon fast genauso lang warten dort Asylbewerber aus Pakistan, Nigeria und Afghanistan auf die Entscheidung, ob sie dauerhaft bleiben dürfen.

Die anfängliche Aufregung rund um das Flüchtlingslager in aller Einsamkeit vor den Toren Geisenfelds und in unmittelbarer Nähe zum Erholungsgebiet Feilenmoos hat sich weitgehend gelegt. Klar spazieren vereinzelte Flüchtlinge auch mal über den Geisenfelder Stadtplatz. Aber von Massen keine Spur. Dabei leben in der Patriotstellung nach wie vor 174 junge Männer. Keine Frauen, keine Kinder, keine Familien. Nur Männer verschiedener Nationalität und Herkunft. Eng aufeinander, aber trotzdem ganz offenbar mit so viel Raum um sich herum, dass es eher selten zu unschönen Vorfällen kommt. "Wirklich schlimmere Delikte oder gar Übergriffe auf die rundum lebende Bevölkerung sind überhaupt noch nicht vorgekommen", berichtet Andreas Nachbaur, bei dem am Landratsamt zum Thema Asyl alle Fäden zusammenlaufen. Wenn überhaupt, so streiten die Bewohner untereinander. Oder prügeln sich auch mal. "Aber für die Verhältnisse ist es wirklich sehr ruhig", ergänzt Daniel Flacke, der sich als Asylberater gezielt um die Flüchtlinge im Feilenmoos kümmert.

Rein theoretisch könnten 205 Asylbewerber in der früheren Patriotstellung leben. De facto sind es aber seit eindreiviertel Jahren ziemlich konstant 174 Flüchtlinge. "Die Mehrzahl von ihnen ist schon hier, seit die Unterkunft eröffnet wurde", so Nachbaur. Zehn Pakistani hätten gerade ihren negativen Asylbescheid erhalten. Sie haben jetzt drei Tage Zeit, um die Ausreise anzutreten oder gegen den Bescheid zu klagen. Vier sogenannte Fehlbeleger, also bereits anerkannte Asylbewerber, die keine Chance haben, anderweitig eine Wohnung zu finden, nutzen die Ex-Kaserne ebenfalls weiter als Unterkunft. Alle übrigen Bewohner warten weiterhin auf ihre Bescheide. Und die könnten so langsam kommen. "Die lange Warteschlange wird langsam abgearbeitet. Irgendwann werden sie an der Reihe sein", meint Landratsamtssprecher Karl Huber.

Daniel Flacke blickt diesem Moment mit einer gewissen Anspannung entgegen. "Wie sie damit umgehen, ist kaum abzuschätzen", sagt er. Gut möglich, dass so mancher erbost oder voller Angst darauf reagiert - und sich dann vielleicht kurzzeitig nicht so gut im Griff hat wie jetzt noch. Die Männer spielen häufig Fußball oder Cricket auf dem Militärgelände, das der Landkreis vom Bund gemietet hat und als eine der rund 75 dezentralen Unterkünfte für Flüchtlinge (nur in der Max-Immelmann-Kaserne bei Manching leben noch mehr Menschen) betreibt. Um sich abzureagieren, sich die Zeit zu vertreiben. Oder sie bereiten sich auf den nächsten Sprachkurs, den Job oder die Ausbildung vor. Denn tatsächlich ist die Unterkunft für viele ein Segen. "Viele Flüchtlinge wollen wegen der Nähe zu Ingolstadt unbedingt hierher", erzählt Flacke. Von der eigens eingerichteten Haltestelle aus fahren sie mit dem Bus in die Stadt. Eine Handvoll Flüchtlinge absolviert eine Ausbildung, 24 arbeiten, 25 machen gerade den Gabelstaplerführerschein, Dutzende belegen Sprachkurse in Pfaffenhofen oder Ingolstadt - aber einige sind auch Analphabeten. Etwa 15 ehrenamtliche Helfer, die sich Inflama nennen, helfen den Männern, die Sprache zu lernen und eine Arbeit zu finden. "Die leisten Großes", meint Flacke. "Und lassen sich von nichts aufhalten." Wie lange es in der Patriot-stellung noch so weitergeht, vermag niemand abzuschätzen. Die Pakistani haben kaum Chancen, in Deutschland Asyl zu erhalten. Von den Nigerianern darf in der Regel jeder Zehnte bleiben - keine besonders gute Quote, um wirklich Hoffnung zu haben. Lediglich die Männer aus Afghanistan sind zuversichtlich: Von ihnen darf im Schnitt jeder Zweite bleiben. Was sie tun, wenn der Bescheid negativ ausfällt, ist offen. Manche reisen in ihre Heimat zurück. Andere gehen in das Drittland, in dem sie zuerst Asyl beantragt haben - also oft nach Italien oder Griechenland. Die Nächsten reisen weiter, um ihr Glück in Frankreich oder weiter im Norden zu versuchen und um weitere Zeit in Europa zu gewinnen. Und wieder andere tauchen schlichtweg unter. "Da steckst du nicht drin, man weiß es nicht", kommentiert Daniel Flacke diesen Strauß an Möglichkeiten. Doch bis es so weit ist, bleibt im Feilenmoos alles beim Alten. Eine Möglichkeit, die Bewohner in kleinere Häuser zu verteilen, hat der Landkreis seit April nicht mehr, also seit er keine weiteren Gebäude mehr anmieten darf. Die Flüchtlinge in den normalen Wohnungsmarkt zu vermitteln, ist schlichtweg unmöglich. So bleibt nur abwarten, bis die Anträge abgearbeitet sind oder ob eine neue Flüchtlingswelle kommt. "Dann würde sich vermutlich wieder etwas ändern", meint Nachbaur. "Aber wie und in welche Richtung, das weiß keiner so genau."