Geisenfeld
Zwischen Wachstum und Rückschlägen

Im siebten Teil der GZ-Serie wird die erste Hälfte der Ära Wolf beleuchtet

19.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:46 Uhr

Mit der Zuschüttung des alten Ilmarms im Jahr 1973 - was heute vielfach als "Sünde der Vergangenheit" gesehen wird - wich auch die frühere innere Ilmbrücke am Fuße des Pfarrerbergs.

Geisenfeld (GZ) Wie beurteilen die Geschichtsschreiber einmal die 19-jährige Ära Wolf? Aus heutiger Sicht wohl als eine Zeit, in der sich Geisenfeld recht dynamisch weiterentwickelt. Zu nennen sind der Bau des Schulzentrums und des Sportzentrums sowie die erste Phase der Altstadtsanierung. Es gibt aber auch bittere Pillen, die die Stadt in den 70er und 80er Jahren schlucken muss - und die ihre Attraktivität im Landkreis nicht gerade fördern.

 

Dies gilt insbesondere für die Schließung des Krankenhauses und des Amtsgerichtes sowie für die Stilllegung der Bahnlinie nach Wolnzach-Bahnhof. Der Rückblick beleuchtet die erste Hälfte der Ära Wolf, also die Jahre 1971 bis 1980. Die Amtszeit des beruflich erfolgreichen Unternehmers beginnt mit den wegen der Gemeindegebietsreform auf Herbst 1971 vorgezogenen Kommunalwahlen. Der Freie-Wähler-Kandidat Anton Wolf setzt sich in der Stichwahl mit 1701 zu 1470 Stimmen gegen Max Steinberger (SPD) durch. Im neuen Stadtrat sitzen acht CSU-Vertreter sowie je fünf von SPD und FW.

Das beherrschende Thema in der ersten Hälfte der 70er Jahre ist der Neubau des Schulzentrums. Der Bau der Grund- und Hauptschule ist seit 1970 in vollem Gange. Mit Schuljahresbeginn 1973 kann das über neun Millionen Mark teure Gebäude bezogen werden. Schon ein Jahr früher hat die neu gegründete Geisenfelder Realschule ihren Betrieb aufgenommen. Freilich müssen die Anfangsklassen mit Provisorien leben, da erst 1974 mit dem Neubau durch den Landkreis begonnen wird. Mit Schuljahresbeginn 1976 kann das Gebäude bezogen werden, genauso wie die ebenfalls neu errichtete Förderschule. Im selben Jahr wird auf dem Gelände des früheren Geisenfelder Freibades mit dem Bau eines landkreiseigenen Hallenbades begonnen. Und ein Jahr später können das 3,5-Millionen-Projekt, die Real- und die Förderschule eingeweiht werden.

Aber natürlich bewegen noch weit mehr Ereignisse in den 70er Jahren die Gemüter. Da ist zunächst der Tod der beiden Altbürgermeister Peter Appel und August Prechter zu nennen. Appel stirbt 1972 im Alter von 83 Jahren, Prechter ist 72 Jahre alt, als er 1976 zu Grabe getragen wird. Im selben Jahr gibt es noch einen weiteren prominenten Toten: den früheren Stadtpfarrer Franz Josef Heldmann. 1972 wird von seinem Nachfolger Anton Klinger die Wallfahrt zum St.-Anna-Gnadenbild wiederbelebt. Der Geisenfelder Krieger- und Soldatenbund feiert sein 100-jähriges Bestehen.

Im selben Jahr beschließt der Stadtrat die Verfüllung des Ilmarmes zwischen Wettermühle und Gellert. Die Maßnahme, mit der viel Fläche gewonnen wird, ist Voraussetzung für den späteren Bau des Sportzentrums in diesem Bereich.

1973 geht in Geisenfeld eine 111-jährige Epoche zu Ende: Das seit 1862 bestehende Amtsgericht fällt der landesweiten Gebietsreform zum Opfer und wird dem Amtsgericht Pfaffenhofen zugeteilt. Bis zu seiner Schließung ist das Amtsgericht, das für fast 26 000 Bürger in 39 Gemeinden zuständig ist, in einem Trakt des ehemaligen Klostergebäudes untergebracht. Bis 1949 ist ihm ein Gefängnis - sogar mit einer Dunkelzelle - angegliedert. Seit 1965 ebenfalls im Klosterstock beherbergt ist die Geisenfelder Polizei, die 1973 eine von Pfaffenhofen unabhängige Inspektion wird.

Das Ende kommt in diesem Jahr aber nicht nur für das Amtsgericht, sondern auch für die Herrenbekleidungsfabrik Bäumler, die seit 1965 ein Zweigwerk in Geisenfeld hatte. Für weiteren Gesprächsstoff sorgt 1973 auch der Absturz eines Bundeswehr-Starfighters in einen Hopfengarten in der Nähe des Scheuerhofes. Der Pilot kann sich mit dem Schleudersitz retten.

1974 ist die Geburtsstunde der Stadtkapelle, die unter dem Namen "Jugendkapelle Geisenfeld" gegründet wird. In Geisenfeldwinden nimmt die Filiale des Kreisbauhofes ihren Betrieb auf. Und an der Altá †ilmstraße wird der Grundstein gelegt für ein Rotkreuzheim, das ein Jahr später feierlich eingeweiht wird.

Gleiches gilt für das neue Naherholungsgebiet Feilenmoos mit seinem Holzhaus, das jedoch nicht lange Bestand hat: 1979 wird es von einem Einbrecher in Brand gesteckt. Das Gebäude brennt vollständig aus und muss durch einen Neubau ersetzt werden. Bereits zwei Jahre zuvor, 1977, fällt eine in struktureller und rechtlicher Hinsicht wichtige Entscheidung für das Feilenmoos: Das gemeindefreie Gebiet wird anteilsweise in die umliegenden Gemeinden eingegliedert. Durch den Teil, der zu Geisenfeld kommt, wächst die Gemeindefläche um 1460 Hektar.

1977 hat der Wasserturm ausgedient: Die Stadt tritt dem Wasserzweckverband Ilmtalgruppe bei und gibt somit die eigene Wasserversorgung auf. Der Turm wird später an Hans Betz verkauft, der 1984 den Einbau von 24 Wohnungen beabsichtigt, diese Pläne aber wieder fallen lässt.

Der 1. Januar 1978 ist gleich in doppelter Hinsicht ein historischer Tag für Geisenfeld: Mit Zell, Ilmendorf und Rottenegg treten drei weitere bisher selbstständige Gemeinden der Stadt bei. Am selben Tag tritt auch die Vereinbarung zwischen der Stadt Geisenfeld und der Gemeinde Ernsgaden in Kraft, die sich zu einer Verwaltungsgemeinschaft zusammenschließen.

Bei den Wahlen im März 1978 wird Bürgermeister Anton Wolf mit 72,1 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt. Einzige Gegenkandidatin war Ingrid Hauck von der SPD. In den Stadtrat werden zehn Vertreter der CSU, fünf der FW, vier der SPD und einer aus der "Liste der Ortsteile" gewählt.

In der kommunalpolitischen Arbeit der beiden Jahre bis 1980 gibt es zwei Schwerpunkte: den Bau des Sportzentrums an der Jahnstraße und die Beseitigung des alten Friedhofes an der Steinbräukreuzung. Im Frühjahr 1978 beginnen die Arbeiten an dem 1,6 Millionen Mark teuren Sportzentrum, das 1980 eingeweiht wird. Gleichzeitig baut der Tennisklub seine Tennishalle und ein Vereinsheim.

Eine unangenehme Aufgabe haben die Arbeiter, die sich 1978 daran machen, die Gräber am alten Friedhof abzuräumen, wo seit 1962 keine Bestattungen mehr stattfinden. 1980 werden das Leichenhaus und die Kapelle abgebrochen. Die Geisenfelder Stadtpfarrkirche wird 1979, nach der Innenrestaurierung 1971, nun auch außen renoviert. Kostenvolumen: rund eine Million Mark.

Und 1979 erhält Geisenfeld ein neues Wahrzeichen: Erstmals bezieht ein Storch Quartier auf dem Klosterbräukamin. Der Förderkreis "Hopfen- und Heimatmuseum" gründet sich und beginnt mit dem Sammeln von Exponaten. Die B 300 zwischen Geisenfeld und Langenbruck wird begradigt und ausgebaut. Zur Halbzeit der Ära Wolf, im Jahr 1980, wird das Gewerbegebiet am Bahnhof in Betrieb genommen, in der Grund- und Hauptschule öffnet die Stadtbücherei ihre Pforten, und auf dem Gelände des Fohlenhofes Ritterwörth beseitigt die Abrissbirne ein Relikt aus der Nazizeit: das ehemalige Reichsarbeitsdienst-Lager.