Forstwiesen
Von Nigeria nach Geisenfeld

Die ersten Flüchtlinge ziehen in die ehemalige Patriotstellung im Feilenmoos

26.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:36 Uhr

 

Forstwiesen (DK) Im wahrsten Sinne in der Warteschleife befanden sich gestern etliche Mitarbeiter des Landratsamtes. Stundenlang warteten sie auf 35 Flüchtlinge, die in der ehemaligen Patriotstellung bei Geisenfeld ankommen sollten. Sechs von ihnen hatten das Ziel am Abend noch nicht erreicht.

Es ist kurz nach Mittag, die Sonne scheint freundlich vom winterlichen Himmel als sich einige Helfer auf dem Gelände zwischen Geisenfeld und Forstwiesen einfinden. Gespannt warten sie auf die Ankunft der Menschen, die hier eine vorübergehende Bleibe finden sollen. Andreas Nachbaur hat im Wärterhäuschen am Eingang ein provisorisches Büro bezogen, wo er als Vertreter der Kreisbehörde an jeden Neuankömmling 50 Euro austeilen wird. „Ein Vorschuss auf die reguläre Auszahlung“, wie er wissen lässt.

Zehn junge Männer sind bereits angekommen. Allerdings nicht aus München, sondern aus Ingolstadt. Unschlüssig stehen sie neben ihren wenigen Habseligkeiten. Ihre trübsinnigen Minen stehen im krassen Gegensatz zum strahlenden Himmel. „Wir sind total entsetzt“, meint einer von ihnen auf Englisch. Bisher seien sie in einem Containerdorf untergebracht gewesen; sie hätten gehofft, nun in eine Wohnung ziehen zu können.

Begleitet werden sie von Johann Wolfgang und Heidrun Reiling. „Wir betreuen im Arbeitskreis Asyl in Pfaffenhofen ehrenamtlich Deutschkurse“, stellen die beiden sich vor. Über die Freie Evangelische Gemeinde in Ingolstadt haben sie Kontakt zu den aus Nigeria stammenden Asylbewerbern bekommen, die größtenteils als Christen vor der Verfolgung durch die Islamistengruppe Boko Haram geflohen sind. Unter ihnen ist auch ein evangelischer Pastor, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Ich will nicht von denen gefunden werden“, bekennt er seine Angst.

Auch sein Nebenmann ist nicht wirklich entspannt. Acht Monate sei er auf der Flucht gewesen, nachdem seine gesamte Familie getötet worden war. Auf dem Weg übers Mittelmeer hat er zwei Boote untergehen sehen, versucht er in brüchigem Deutsch seine Geschichte zu erzählen. Er kämpft sichtlich mit den Bildern, die in ihm hochkommen.

Mittlerweile ist ein Kleinbus mit fünf weiteren Nigerianern angekommen. Dem Vernehmen nach waren sie bisher in Oberstimm untergebracht und hatten gehofft „in eine Stadt“ unterzukommen. „Das ist wie Lager, da ist Schild Militär“, meint einer nach einem Blick umher. „Sind wir eingesperrt“, will ein anderer wissen. Beruhigende Stimmen räumen mit Irrtümern auf, mahnen: „Jetzt erst mal cool bleiben.“ Auch Sozialpädagogin Anna Kutzer-Meckl, die im Auftrag des Landratsamtes tätig ist, bemüht sich um Ausgleich.

Spätestens nach einem Blick in die Unterkünfte kehrt Ruhe ein. „Das ist richtig toll eingerichtet“, befindet Matin Nazar, der einst selber als Flüchtling aus Afghanistan hierher kam. „Wir mussten noch mit 40 Leuten in einem Raum schlafen“, erzählt er – heute als Mitarbeiter des Dienstleistungsservice Kreitmair – den neuen Bewohnern. Zwischen Mitte 20 und Ende 40 sind diese alt, haben in ihrer Heimat in Westafrika unter anderem als Lehrer, Schreiner, Polizist oder Kameramann gearbeitet – und fürchten sich vor der Langeweile so „mitten im Nichts“. Arbeiten wollen sie so schnell wie möglich, und Deutsch lernen. Das hört Anja Wätzold, Sozialpädagogin von der Asylsozialberatung der Caritas und zukünftig Ansprechpartner für den Standort, an diesem Nachmittag wiederholt. Während die einen sich bereits ein Bett ausgesucht haben, kommen zwei Neue hinzu. Albert Schmid, Abteilungsleiter Soziales vom Landratsamt, hat sie auf dem Weg hierher in seinem Auto an der Bushaltestelle aufgegabelt. „Wir kommen aus Fürstenfeldbruck“, erklären die beiden. Wo aber bleibt der Bus mit den übrigen Asylbewerbern, die von der Regierung von Oberbayern angekündigt worden waren? Etliche Telefonate laufen ins Leere. Keiner weiß so recht, wie es weiter gehen soll. Um 16.15 Uhr dringt die Nachricht durch: Der Bus wird gar nicht kommen. Man hat den betroffenen Menschen ein Bayernticket nebst Zielangabe in die Hand gedrückt und sie losgeschickt. Bis Redaktionsschluss haben es 14 weitere Personen per Bahn und Bus geschafft. Im Landkreis lässt man sie nun nicht allein. Zunächst wurde eine Fahrgelegenheit zum Einkauf organisiert, damit die Flüchtlinge sich am Abend noch ein warmes Essen zubereiten konnten. Rund um die Uhr wird ein Betreuer der Firma Kreitmair vor Ort sein. Was noch fehlt, sind „Ehrenamtliche, die bereit sind, uns in der Patriotstellung zu helfen“, so Kutzer-Meckl. Wer sich einbringen möchte, kann sich unter Telefon (01 73) 8 92 16 83 bei der Koordinatorin melden.