Unterpindhart
Experiment gelungen

Gastspiel der Iberl-Bühne auf dem Pindharter Brettl begeistert selbst eingefleischte Kabarettfans

24.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr

−Foto: Zurek, Magdalena, Geisenfeld

Unterpindhart (zur) Der Ober sticht den Unter – das gilt beim Karteln wie im wahren Leben.

Manchmal aber siegt am Ende die Gerechtigkeit. So zu erleben in der legendären „Grattler-Oper“, mit der die Iberl-Bühne am Wochenende ein außergewöhnliches Gastspiel in Unterpindhart gab.

Ungewohnt ist an diesem Abend nicht nur das Bild, das sich auf dem Pindharter Brettl zeigt: eine ärmliche Stube mit Ofenbank und Tisch, in der Ecke ein paar hölzerne Haferlschuhe, die bessere Zeiten gesehen haben. Auch im Publikum sieht man einige Besucher, die hier nicht zu den Stammgästen zählen. Die „Grattler-Oper“ fällt eben aus dem sonst üblichen Rahmen des Kleinkunst-Programms.

Der Plot des im 19. Jahrhundert angesiedelten, sozialkritischen Dreiakters von Gerhard Loew ist schnell erzählt: Ein Kleinhäusler wird beim Wildern erschossen. Während die Grattler-Familie von der Schuld eines gräflichen Jagdaufsehers überzeugt ist, hat die Obrigkeit einen Vagabunden im Visier. Schurken sucht man halt damals wie heute lieber unter den Fremden. Am Ende ist es ausgerechnet der verdächtigte Kesselflicker, mit dessen Hilfe der wahre Sünder überführt und bestraft wird. Insoweit weicht das bayerische Musical nicht von der Erzählstrategie des klassischen Volkstheaters ab. Den ganz eigenen Charakter verleiht ihm indes die Musik von Peter Michael mit einem Stil-Mix von Weltmusik bis Blues. Das einfühlsam agierende Ensemble hat stimmlich wie schauspielerisch seinen Anteil am Erfolg des „Dauerbrenners“, der seit der Premiere 1978 weit über 500 Mal aufgeführt wurde – sogar als plattdeutsche Variante im Hamburger Ohnsorg-Theater. Den gramgebeugten Fischlechner, der als Vater des Ermordeten jede Hoffnung aufgegeben hat, spielt Stefan Glückstein mit eindringlicher Präsenz. Als beeindruckende Sopranistin schlüpft Raphaela Maier in die Rolle der renitenten Kleinhäusler-Tochter, die sich zur Wehr zu setzen weiß – gegen die Avancen des Hehlers Oarstocker (von Harald Edelmann mit sympathischer Schlitzohrigkeit verkörpert) wie gegen die Drohgebärden des gräflichen Forstverwalters Stanzlinger (Georg Maier). Für den Direktor der Iberl-Bühne, der auch die Regie führt, ist der hartherzige Eiferer eine Paraderolle. Als unbestrittener „Star“ des Abends darf allerdings Jazzsänger Eric Brodka alias Pasolini gelten, der als glupschäugiger Vagabund herrlich „böhmakelnd“ das Pindharter Publikum im Nu eroberte. Wie der Applaus am Ende beweist, haben sich selbst eingefleischte Kabarettfans mitreißen lassen – von einer zeitlosen Geschichte, deren Darsteller überzeugen. Das Experiment, den bisherigen Kleinkunst-Modus zu durchbrechen darf also als gelungen gewertet werden.