Ernsgaden
Watschelgang wegen mutierter Gene

Unheilbar und fortschreitend ist die Erbkrankheit HSP trotzdem sind die Betroffenen kämpferisch

04.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:14 Uhr

Auf der Suche nach einem Heilmittel stehen der Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer (von links) sowie Rudi Kleinsorge, Rainer und Hedwig Steinberger vom Förderverein Seite an Seite. - Foto: Zurek

Ernsgaden (GZ) Auf sicheren Beinen steht Rainer Steinberger schon lange nicht mehr. Aber sein Ziel verfolgt der Ilmendorfer mit Beharrlichkeit: Was ihn und andere Betroffene zunehmend lähmt - die hereditäre spastische Spinalparalyse (HSP) - soll eines Tages heilbar sein.

Dass dies nicht nur eine Traumtänzerei ist, bestätigten Fachleute bei einem Infotag, zu dem Steinberger in seiner Eigenschaft als Vertreter der Interessengemeinschaft "Ge(h)n mit HSP" geladen hatte. Für Thomas Ruholl waren diese Infos der Grund, weshalb er den Weg aus Konstanz auf sich genommen hatte. "Als Betroffener habe ich ein großes Interesse am Thema Forschung", sagte er. Für andere war es vor allem der Austausch mit Leidensgenossen, der sie in die Hallertau führte.

"Die Krankheit ist bisher unheilbar und fortschreitend", sagt Steinberger. Er weiß das aus leidvoller Erfahrung. Der 44-Jährige hat sich als Kind wegen seines "Watschelganges" hänseln lassen müssen. Damals vermuteten die Ärzte noch einen Sauerstoffmangel bei der Geburt als Ursache seiner Behinderung. Erst eine Genanalyse hatte für ihn und seine inzwischen im Rollstuhl sitzende Mutter Gewissheit gebracht: Die beiden leiden unter der Mutation eines Genes. Diese bewirkt, dass sie zunehmend die Kontrolle über die unteren Extremitäten verlieren und von Muskelkrämpfen geplagt werden. Aber beide sind auch Kämpfernaturen. Der Versicherungsfachwirt, der sich zum Business Coach hat weiterbilden lassen, engagiert sich gemeinsam mit seiner Mutter im HSP-Förderverein Bayern.

Einen kleinen Sieg konnte er verkünden: Beim Google Impact Challenge habe es das vom Verein eingereichte Projekt dank eines Filmbeitrags ins Spitzenfeld geschafft - und damit 10 000 Euro errungen, um ein neuartiges Onlineangebot für Erkrankte zu realisieren. "Damit können auch jene unter uns, die nicht mehr mobil sind, unsere Treffen zeitgleich erleben und sich aktiv einbringen", freut sich Steinberger. Thilo Kehrberger, Informatiker aus Stuttgart und selbst an HSP erkrankt, hat verschiedene Softwaremodule für diesen Zweck zusammengestellt, wie er selbst berichtet. Eigentlich sollte das Ganze in Ernsgaden erstmals online gehen - aber dafür reichte die Breitbandkapazität nicht aus. Gefilmt wurde trotzdem, der Beitrag soll später ins Netz gestellt werden.

Über Forschungsprojekte, die vom Förderverein finanziell unterstützt werden, gab Rudi Kleinsorge als Bundesvorsitzender einen Überblick. Der 61-Jährige unterstrich die Bedeutung der Vernetzung mit Wissenschaftlern - auch um sich aktiv als Patient an Studien beteiligen zu können.

Als Mitglied des Ausschusses für Gesundheit gab der Bundestagsabgeordnete Erich Irlstorfer (CSU) einen Überblick über Neuerungen im Pflegestärkungsgesetz - und ging auf Fragen ein. "Ich würde gerne HSP-Lobbyist werden", versprach Irlstorfer, Betroffene und Entscheidungsträger in Berlin an einen Tisch bringen zu wollen.