Pfaffenhofen
Erbarmen statt Gerechtigkeit

Auf der Jahresversammlung des SKM erläutert Stadtpfarrer Albert Miorin die Forderung des Papstes

23.04.2018 | Stand 25.10.2023, 10:25 Uhr
Statt Moralisieren Heilen: Pfaffenhofens Stadtpfarrer Albert Miorin skizzierte bei der SKM-Jahresversammlung den christlichen Umgang mit Notleidenden. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) Allen Grund zum Danken hatte Hans Prechter, Altbürgermeister und Vorsitzender des Katholischen Verbands für Soziale Dienste (SKM), auf der Jahresversammlung des Vereins: Auf offene Ohren, aufgeschlossene Herzen und großzügige Spender sei sein Verband im abgelaufenen Jahr gestoßen.

Der SKM, auf Bundesebene vor über 100 Jahren gegründet, setzt sich traditionell für Obdachlose ein. Hier sieht auch der Pfaffenhofener Verband mit seinen rund vier Dutzend Mitgliedern seine Hauptaufgabe. Er betreut mit Stadt und Caritas unter anderem die Obdachlosenunterkünfte an der Ingolstädter Straße. Dafür konnte der Verband zwei Waschmaschinen, einen Wäschetrockner, Spielgeräte und eine große Schaukel anschaffen. Außerdem lud er wie schon im Vorjahr die Bewohner zu einem Ausflug in den Nürnberger Zoo ein, organisierte für sie eine Weihnachtsfeier und brachte ihnen Osterkörbchen mit Leckereien vorbei. Eine gelungene Überraschung, weil niemand damit gerechnet hatte, freute sich Prechter.

Der SKM arbeitet allerdings auch präventiv. So sollte einem Mieter gekündigt werden, weil seine Wohnung völlig vermüllt und verschmutzt war. Der Verband beauftragte (und zahlte auch) eine Putzfirma, die die Wohnung entrümpelte und reinigte. Der Mieter konnte wohnen bleiben. Das alles war natürlich nur möglich dank der vielen Spender. Über 5000 Euro konnte Schatzmeister Albert Heinzinger zusätzlich zu den Mitgliedsbeiträgen und dem Zuschuss der Diözese Augsburg verbuchen. Besonders dankte Prechter den Firmlingen für ihre Spende aus einer Kuchenaktion und der Katholischen Jugend: "Das freut mich sakrisch, weil die das Geld doch selber brauchen können."

Gezielte und konkrete Hilfe im Einzelfall bot auch Stadtpfarrer und SKM-Mitglied Albert Miorin an. Großes Lob von Evangelia Kostopoulou, die die Stadt als Betreuungsperson für die Obdachloseneinrichtungen eingestellt hat. Sie dankte für die Unterstützung ihrer Arbeit, die offensichtlich sehr effektiv ist: Die Unterkünfte sind als vorübergehende Bleibe, als Erste-Hilfe-Maßnahme gedacht, bis für die Bewohner eine dauerhafte Wohnung gefunden werden kann.

Prechter hatte Pfarrer Miorin für einen Vortrag gewinnen können. Wer allerdings unter dem Titel "Aus dem Leben eines Seelsorgers" unverbindliche und heitere Anekdoten erwartet hatte, sah sich getäuscht. Miorin skizzierte vielmehr "die Grundlagen meiner Arbeit". Und die gelten, das wurde den rund 20 SKM-Mitgliedern im Pfaffelbräu schnell klar, auch für sie. Miorin bezog sich auf die seelsorgerische Kultur von Papst Franziskus, die der europaweit bekannte Religionssoziologe Paul M. Zulehner in Thesen zusammengefasst hat. "Eine weitreichende Akzentverschiebung, die der Papst aller allen in der Kirche zutraut und zumutet." These eins: Vom Moralisieren zum Heilen. Das sieht Miorin als "etwas ganz Wichtiges" in seinem Alltag an. Nämlich Menschen auch ohne moralische Wertung zu helfen, also auch denen, die durch eigenes Verschulden in Schwierigkeiten gekommen sind. Zweite These: Von der Gerechtigkeit zum Erbarmen. "Das fällt uns Deutschen schwer", sagte Miorin. Bei uns müsse alles gerecht zugehen. Gerecht sei es, jemandem, der aus der Kirche ausgetreten sei, eine christliche Beerdigung zu verweigern. Der Stadtpfarrer beerdigte ihn dennoch. Zur These "Vom Gesetz zum Gesicht" (Miorin: "Hin zum konkreten Fall, nicht jeden über dieselbe Klinge springen lassen") berichtete er von einem gleichgeschlechtlichen Paar, das sein Kind taufen lassen wollte - und das getauft wurde.

Zusammengefasst setzt sich Miorin für eine Kirche ein, bei der ohne Wenn und Aber die Barmherzigkeit das oberste Gebot ist. Dass die Tugend in der Theologie "nur sehr stiefmütterlich behandelt wird", das hatte schon vor fünf Jahren der ehemalige Bischof von Rottenburg-Stuttgart Kardinal Walter Kasper in seinem Buch "Barmherzigkeit" festgestellt, das Papst Franziskus "Theologie auf den Knien" nannte. Diese christliche Tugend muss heute offensichtlich erklärt werden. Sie bedeutet weit mehr als ein mitleidiges Almosengeben. Gemeint, so Miorin, ist damit, einen Notleidenden "in seinen Schoß zu nehmen".

Albert Herchenbach