Pfaffenhofen
Der totale Bahnsinn

Warum eine Gruppe junger Männer den Hallertauer Lokalbahnverein gründete – und einen Bus kaufte

21.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:28 Uhr

−Foto: Christian Bauer

Pfaffenhofen (PK) Selbstdiagnose: akute Eisenbahneritis. Neun junge Männer haben den Hallertauer Lokalbahnverein gegründet, um die Bahnstrecke zwischen Wolnzach und Rohrbach zu erhalten. Und um Menschen glücklich zu machen. Mit historischen Schienenbussen oder einem „Omnibus-Schätzchen“.

Was tut ein 31-jähriger Grafik-Designer, dessen Familie keinerlei Bezug zur Bahn hat? Klar, er wird Vorsitzender des im Mai gegründeten Hallertauer Lokalbahnvereins. Sein Anspruch: Der Welt zeigen, dass die Geschichte der Eisenbahn unsere Gesellschaft prägte wie kaum ein anderes Fortbewegungsmittel. Und dass die Strecken und Bahngebäude unserer Region deshalb so schützenswert sind. Gerade schreibt der Rohrbacher Andreas Zimmermann am letzten Kapitel seines Buches, das er als Erweiterung der Rohrbacher Ortschronik sieht, und in dem es um die Geschichte der Bahnstrecke zwischen Rohrbach und Wolnzach geht. Verdienen wird er an dem aufwendig recherchierten Werk, in dem auch Zeitzeugen zu Wort komme, vermutlich gar nichts, erscheinen soll es wahrscheinlich im Selbstverlag. „Das schreibe ich für den Verein“, sagt Zimmermann.

Ihm zur Seite steht neben sieben anderen Bahnbegeisterten der neue Sprecher des Hallertauer Lokalbahnvereins, Stefan Karl, dessen Leidenschaft für alte Züge wohl mit der von Zimmermann vergleichbar ist. Der 39-jährige Unternehmensberater aus Jetzendorf fuhr mit seinem Opa als Kind immer zu den Gleisen, „um den Zügen beim Rangieren zuzuschauen“.

Heute will er wie Zimmermann die „Geschichte der Eisenbahn lebendig halten“. Dabei geht es beispielsweise um die Frage, weshalb der Rohrbacher Bahnhof früher einmal „Wolnzach Bahnhof“ hieß. „Damals bestand Rohrbach nur aus ein paar Bauernhöfen, die vom Bahnhof entfernt lagen“, erklärt Zimmermann. Im Jahr 1867, als die Bahn den Bahnhof baute, habe man sich einfach an der Linie orientiert, die für die Strecke am besten passte. Beim Namen habe man sich am größten Ort der Umgebung orientiert – und das war damals eben Wolnzach. „Der Bahnhof lag praktisch im Nirgendwo“, so Zimmermann. Ein großes Gebäude, mitten in den Feldern. Und Karl ergänzt: „Eigentlich kann man sagen: Für damals war das fast ein Prachtbau für Rohrbach.“ Welches es unbedingt zu erhalten gelte. Vom Wolnzach Bahnhof aus wurde fortan der Hopfen exportiert, was die Region wirtschaftlich voranbrachte. „Die Bahn hat viel objektiv Gutes gebracht“, sagt Karl. „Wir wollen, dass die Menschen das wieder mehr sehen.“

Wie das gelingen kann, weiß der Verein genau: Mehr als 2100 Menschen fuhren mit dem historischen Schienenbus, der während des Wolnzacher Volksfestes an zwei Tagen zwischen Rohrbach und der Marktgemeinde hin- und herpendelte. Während der beiden Tage sah man, sagt Karl, der mit seinen Fingern die Distanz seiner rechten zur linken Wange bemisst, „wie den Menschen das Grinsen von hier bis hier ging.“ Kinder, Junge, Alte, sie alle genossen es, das Winken von Fremden zu erwidern oder einfach mal entschleunigt durch die Landschaft zu tuckern. Mit dabei waren natürlich auch sogenannte Spotter, die Züge als Hobby fotografieren und die Karl, wie er es formuliert, einige Nerd-Momente bescherten. Als der Zug am letzten Tag nach München fuhr, „saßen wir zu viert auf Dreiersitzen, weil jeder bei der Einfahrt den besten Fotoplatz haben wollte“. Und unterwegs, als die Bahn ihre Höchstgeschwindigkeit erreichte – neunzig Stundenkilometer – „jubelte jede einzelne Person im Schienenbus.“

Ihren Erfolg wollen sie natürlich weiterführen, so könnte derselbe Zug eventuell im kommenden Jahr wieder zwischen Wolnzach und Rohrbach verkehren, auf jeden Fall soll er 2019 zurückkehren.

Trotz der organisatorischen und finanziellen Mühen, die diese Aktionen den Verein bringen. So braucht man beispielsweise eine Ausnahmegenehmigung vom Eisenbahnbundesamt, wenn man Sonderfahrten mit historischen Zügen durchführen will. „Die wurde gerade von 200 auf 1800 Euro erhöht“, berichtet Karl. Die Mitgliedsbeiträge reichen da nicht aus, „und wir wollen ungern immer die Hand bei unseren Sponsoren aufhalten“.

Deshalb kauften sie vor Kurzem einen Omnibus „etwa für den Preis eines Kleinwagens“. Aus eigener Tasche, versteht sich. Selbstverständlich handelt es sich um ein Unikat, „eines der frühen Exemplare von der Deutschen Bundesbahn“, so Karl. Bis vor Kurzem war der Bus noch im Verkehr, gerade wird er umlackiert von Weiß auf Rot – die Farbe, die er zum Beginn seiner Karriere trug. „Danach wird er als Oldtimer richtig zur Geltung kommen – das wird wieder ein Schätzchen.“

Das Schätzchen soll möglichst oft vermietet werden, an Vereinsleute, für Ausflüge oder als Requisite in historischen Filmen. „Vielleicht können wir so künftig unsere Zug-Sonderfahrten querfinanzieren“, hoffen Karl und Zimmermann. Damit die Eisenbahngeschichte bald wieder lebendig wird.

Erfahren Sie hier mehr zur Eröffnung der Eisenbahnlinie München-Ingolstadt.