Pfaffenhofen
Bunter Auftakt für eine bessere Welt in Pfaffenhofen

Startschuss für die Nachhaltigkeits-Agenda 2030 - Vereine verpflichteten sich, die UN-Ziele umzusetzen

22.04.2018 | Stand 25.10.2023, 10:25 Uhr
Stephanie-Christiane Buck und Britt Holz von der Pfaffenhofener Kleiderkammer präsentieren ihre Recycling-Texilien. −Foto: Herchenbach

Pfaffenhofen (PK) Es klingt hochtrabend, aber im Grunde geht es genau darum: die Welt zu retten. Denn das ist der Kern der "Agenda 2030" der Stadt Pfaffenhofen, zu der am Wochenende mit bunten Aktionen vor dem Rathaus der Startschuss fiel.

Klimawandel, Artensterben, Hungersnöte, Flüchtlingsströme - das war der Grund, warum sich vor drei Jahren 193 Staaten zu einer UN-Charta bekannten, die 17 Agenda-Ziele mit 159 Unterzielen festschrieb: die Veränderungen hin zu einer Welt, in der jeder ökologisch verträglich, sozial gerecht und wirtschaftlich leistungsfähig handelt. Im Juli vor einem Jahr nahm der Pfaffenhofener Stadtrat den Ball an, der 2015 vom New-Yorker UN-Gebäude abgeschossen wurde, und beschloss einstimmig, sich für die Umsetzung einzusetzen. Am Samstag lag, um im Bild zu bleiben, dieser Ball auf dem Hauptplatz vor dem Rathaus. 30 Vereine und Organisationen zeigten dort, wie sie schon jetzt die Agenda-Ziele umsetzen. Augenfälligstes Thema war der Artenschutz, den sich gleich mehrere Organisationen zu Herzen genommen haben. Der Bund Naturschutz etwa, die Vogelschützer, die Gartenschau-Freunde, aber auch die Behörden wie die Stadtwerke oder das Amt für Landwirtschaft. Und natürlich die Bienenschützer von "PAF summt". Warum gerade Bienen und Insekten, so winzig sie auch sein mögen, die Säulen unseres Öko-Systems sind, das wurde am Freitagabend bei der Eröffnungsveranstaltung im Rathaus-Festsaal deutlich (siehe Kasten). Manfred Mensch Meyer, der Referent für Grünanlagen, erklärte als Moderator des Abends, dass er gern sehr viel mehr "Freunde" eingeladen hätte, aber die könnten leider nicht mehr kommen: Tausende Bienenarten seien ausgestorben, 75 Prozent der Fluginsekten sind verschwunden, die Zahl der Brutpaare unter den Vögeln sei um zwölf Millionen zurückgegangen, zwei Drittel aller Schmetterlingsarten stehen auf der Roten Liste. Eins hängt mit dem anderen zusammen: Wenn die Landschaft "aufgeräumt" wird, fehlt Insekten und Vögeln die Nahrungsquelle.

Mario Dietrich, oberster Stadtgärtner, will den Tieren den Tisch decken. Er zeigte, wo überall in Pfaffenhofen Grünflächen neu angelegt und nachhaltig umgestaltet wurden, etwa der Kreisel am Kuglhof. Da blühen saisonweise Wildpflanzen als Bienenweide. Zur Freude der Insekten, aber zum Ärger mancher Pfaffenhofener, die offenbar die Absicht nicht erkennen und die Anpflanzung als "Saustall" abtun. "Hier müssen wir die Bürger mitnehmen", so Dietrich selbstkritisch.

Aber nicht nur die Stadt ist gefordert, Tieren einen Lebensraum zu geben. Jeder einzelne Pfaffenhofener ist da in der Verantwortung.

Dorothee Bornemann vom Landesbund für Vogelschutz brachte es an ihrem Stand auf dem Hauptplatz auf den Punkt: "Wir haben kein Gespür mehr für die Bedürfnisse unserer Mitgeschöpfe." In unseren energetisch gedämmten Häusern und aufgeräumten Gärten finden Schwalben und andere Vögel keine Nistplätze mehr. Sie stellte den Prototyp eines Spatzen-Reihenhauses vor: Einen länglichen Kasten mit Deckel, innen unterteilt in vier Segmente mit jeweils einem Flugloch vorn. Spatzen brüten nämlich gern in Gemeinschaft.

Gedankenlos machen wir auch Bienen das bisschen Lebensraum, das sie brauchen, kaputt, erklärte Dominik Fehringer. Der "Wildlebensraumberater" verteilte an seinem Stand vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Info-Broschüren, die aufklären, wie Insekten der Garaus gemacht wird. In Thujen-Hecken etwa gibt es für Bienen nichts zu holen, und wenn Roboter-Rasenmäher permanent über die Grünfläche sausen, entsteht zwar ein flauschig-weicher Rasenteppich, aber auf dem hat auch das kleinste Gänseblümchen keine Chance mehr, seinen Blütenkopf einer Biene entgegenzustrecken.

Eben das ist der Sinn der Agenda 2030, so SPD-Kreis-Fraktionschef Markus Käser, der für die Bürgerenergie-Gesellschaft mit einem Stand auf dem Hauptplatz warb: Jetzt sollen die Bürger vor der eigenen Haustür kehren. Und das tun sie, auf jeden Fall in Pfaffenhofen, das zu den Vorreitern unter den deutschen Kleinstädten in puncto Nachhaltigkeit zählt. Und die macht nicht an kommunalen Grenzen Halt.

Deshalb hat sich Pfaffenhofen mit der serbischen Stadt Valjevo zusammengetan, zu der es seit 19 Jahren über den Freundeskreis eine Partnerschaft gibt. Valjevo auch deshalb, so Pfaffenhofens Dritter Bürgermeister Roland Dörfler, der am Samstag durch die Veranstaltung auf dem Hauptplatz führte, weil dort schon jetzt das Klima herrscht, das uns noch bevorsteht: trockenere und heißere Sommer, frostige Temperaturen im Winter. Welche Pflanzen haben da langfristig eine Chance?
Nachhaltiges Handeln ist aber nicht nur eine ökologische Frage. Und erst recht keine regionale. So präsentierte Roswitha Pogrzeba vom Eine-Welt-Laden "Pirapora" fröhlich-buntes Geschirr aus nachhaltigem Material: Schüsseln, Teller und Becher aus Bambus, eingeführt aus China.

Eine nachhaltige Wirkung haben alle Engagements, die das Zusammenleben stärken: etwa die Ehrenamtlichen, die den Rufbus für Jugendliche Disco-Besucher betreiben; oder die Leute vom InterKulturGarten, die Menschen verschiedener Kulturen zusammenbringen. In Pfaffenhofen ein wichtiges Thema, weil in der Stadt mit 25 000 Einwohnern 3500 Ausländer leben und weitere 2500 einen Migrationshintergrund haben. Nachhaltiges Zusammenleben: "Jeder Mensch will sozial und kulturell dazugehören", erklärte Sepp Steinbüchler vom Internationalen Kulturverein.

In vier Gruppen stellten Dörfler und Moderator Mike Weber von "Radio Ilmwelle" die 30 Akteure vor, die auf der Bühne die Nachhaltigkeitserklärung mit ihrer Unterschrift besiegelten. Wobei klar war: Keiner schafft die Agenda allein, alle sind in der Verantwortung.

Und es reicht völlig, wenn sich jeder nur einen einzigen der Unterpunkte zu Herzen nimmt. So wie Willi Hailer für die Organisation "Familien in Not". Agenda-Punkt 1.2: "Den Anteil der Männer, Frauen und Kindern jeden Alters, die in Armut nach der jeweiligen nationalen Definition leben, mindestens um die Hälfte senken." Nicht von heute auf morgen - aber bis 2030.

Albert Herchenbach