Das
Schöne Bescherung für Mohamad Alshalil

15.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:04 Uhr

Foto: DK

Das ist ein ganz besonderes Weihnachten für Mohamad Alshalil. Der in Pfaffenhofen lebende Syrer darf nach zweijähriger Wartezeit seine Frau Rawan in die Arme schließen - und erstmals auch seine kleine Tochter Asinad, die er bisher nur von Bildern und Telefonaten kennt.

Seit dem Jahre 2016 erhalten immer mehr Asylbewerber aus Syrien in Deutschland nur noch subsidiären Schutz. Für sie ist die Familienzusammenführung bereits seit zwei Jahren ausgesetzt. Mohamad Alshalil (29) kam Mitte November 2015 nach Pfaffenhofen. Er erhielt noch den begehrten Flüchtlingsstatus. Jetzt, nach zwei Jahren Warten, dürfen seine Frau Rawan und seine Tochter Asinad zu Weihnachten nachkommen. Seine Tochter, die im Mai 2016 geboren wurde, kennt Alshalil bisher nur von Telefonaten und den Bildern, die ihm seine Frau geschickt hat.

Eine kleine Wohnung für seine Familie zu finden, ist für Flüchtlinge wie ihn ohne Hilfe kaum möglich. Seine Geschichte, exemplarisch für viele syrische Kriegsflüchtlinge aus bürgerlichen Familien, hat er Bernd Duschner, dem Vorsitzenden des Vereins "Freundschaft mit Valjevo", erzählt, der sie für unsere Zeitung zusammengefasst hat.

Mohamad Alshalil wurde 1989 in der Oasenstadt Palmyra geboren. Die Stadt mitten in der Wüste im Zentrum von Syrien zählt gut 50 000 Einwohner. Umgeben von Dattelpalmen liegt sie an der historischen Seidenstraße. Diese Karawanenstraße hat über Jahrtausende das Mittelmeer mit dem fernen China verbunden und Palmyra in der Antike zu einem wichtigen Handelszentrum gemacht. Mit seinem berühmten Baal-Tempel, gut erhaltenem römischen Theater und Thermen zählt Palmyra zum Unesco-Kulturerbe. In dieser Stadt hatten Eltern von Mohamad Alshalil ein kleines Hotel.

Nach seinem Abitur 2008 ging Mohamad Alshalil nach Damaskus, um dort Tourismus zu studieren. Mit guten Kenntnissen der englischen Sprache, der Geschichte des Landes und der Hotelfachkunde übernahm er Anfang 2011 die Leitung des elterlichen Betriebes. Sein weiterer beruflicher Weg schien vorgezeichnet.

Doch wenige Wochen später brachen die Unruhen in Syrien aus. Waffenlieferungen und Kämpfer aus dem Ausland ließen sie sehr schnell in einen blutigen Krieg münden. Die Touristen blieben aus. Für Palmyra und seine Bewohner, die vorher in den zahlreichen Hotels, Lokalen, Souvenir- und Antiquitätengeschäften Arbeit gefunden hatten und dort ihren Lebensunterhalt verdienten, war das eine Katastrophe. Mit dem Krieg kam die Landwirtschaft zum Erliegen, wichtige Verkehrslinien wurden unpassierbar, die Lebensmittelversorgung in der Stadt wurde immer prekärer.

Der 13. Mai 2015 war für Mohamad Alshalil und für seine Geburtsstadt Palmyra ein einschneidendes Datum: An diesem Tag fand seine lang geplante Hochzeit statt. Am gleichen Tag marschierten zur völligen Überraschung der Bevölkerung Kämpfer der ISIS in der Stadt ein. Die starke Garnison der syrischen Armee hatte sich vorher überstürzt aus Palmyra zurückgezogen.

Mohamad Alshalil wurde verhaftet, wie er berichtet. Man verdächtigte ihn, Zimmer im Hotel an syrische Soldaten vermietet zu haben, ließ ihn aber nach einigen Tagen frei. Er konnte zeigen, dass er trotz Einberufungsbefehl aus grundsätzlichen Überlegungen nicht zur Armee gegangen war und an keinen Kämpfen teilgenommen hatte. Mit der Besatzung durch ISIS, darunter viele ausländische Kämpfer, veränderte sich das Leben in der Stadt: Krieg verroht die Menschen. Mitarbeiter staatlicher Einrichtungen und Verwaltungen, so Alshalil, wurden öffentlich hingerichtet. Die Bevölkerung sollte eingeschüchtert werden.

Mit zahlreichen Vorschriften, deren Einhaltung die mit strengsten Strafen durchgesetzt wurden, glaubte ISIS eine vermeintlich "gottgewollte" Gesellschaft aus längst vergangenen Zeiten wiederherstellen zu können: Gesichtsverschleierung für Frauen, Verbot des Rasierens von Bärten, Verbot von Bildern und des Fotografierens, Verbot von Alkohol und Tabak, Verbot des Besitzes sämtlicher Bücher außer religiösen Büchern der wahabitischen Richtung, die Pflicht, fünf Mal jeden Tag zum Beten in die Moschee zu kommen, Zerstörung von Heiligtümern aus vorislamischer Zeit. In einer weltoffenen Stadt wie Palmyra, die vom Fremdenverkehr lebt, konnte diese Ideologie nur auf wenig Sympathie stoßen.

Einige Monate später begannen erneut schwere Kämpfe um Palmyra. Das Hotel der Familie wurde von Mörsergranaten getroffen, Teile des Gebäudes stürzten ein, die Plünderung folgte. Mohamad Alshalil floh mit seiner jungen Frau zu Verwandten in Raqqa. Von dort bereitet er seine weitere Flucht über die Türkei nach Europa vor. Hier wollte er Fuß fassen, das erforderliche Geld verdienen, um seine mittlerweile schwangere Frau aus dem Kriegsgebiet nachholen zu können.

In einem Schlauchboot überquerte er Anfang November 2015 mit 45 weiteren Flüchtlingen in Dunkelheit und Todesangst das Meer nach Griechenland. Dann ging es zügig über die Balkanroute nach Deutschland. Die Bundesregierung hatte syrischen Flüchtlingen zu diesem Zeitpunkt unbürokratische Aufnahme und eine Perspektive zugesagt. Das Rote Kreuz, erinnert sich Alshalil dankbar, half den erschöpften Flüchtlingen mit Kleidungsstücken, Medikamenten und Hinweisen an den jeweiligen Stationen. Nach der Ankunft in München folgten fünf nicht leichte Monate auf der überfüllten Trabrennbahn in Pfaffenhofen. Mohamad Alshalil half mit seinem handwerklichen Geschick und seinen Sprachkenntnissen als eine Art Hausmeister, bevor er in eine Asylunterkunft zugewiesen wurde.

Die Zeit seither hat er gut genutzt: Er hat erste Erfahrungen in Betrieben gesammelt und intensiv Deutsch gelernt. Im Januar wird er seinen B1-Abschluss machen, der gute Kenntnisse der deutschen Sprache belegt.

Dann möchte er sich ganz auf den Aufbau einer Existenz für seine Familie, für seine 20 Jahre junge Frau und seine kleine Tochter, konzentrieren. Eine schwere Aufgabe, angefangen von der Wohnungssuche über die Unterstützung seiner Frau beim Erlernen unserer Sprache bis zum täglichen Zurechtfinden in unserer Kultur und bei unseren Behörden.

Bernd Duschner, der den Syrer seit 2015 kennt: "Mohamad Alshalil ist ein liebenswerter, hilfsbereiter, zuverlässiger Mann. Wir können ihm und seiner Familie nur viel Kraft wünschen und dass sie beim Aufbau ihrer eigenständigen Existenz die notwendige Unterstützung finden."