Pfaffenhofen
Der Blick ins Paradies

"Brandner Kaspar": Regisseur Falco Blome und Steffen Wagner vom Theaterspielkreis im Interview

19.04.2018 | Stand 02.12.2020, 16:32 Uhr
Einmal Himmel und zurück: Regisseur Falco Blome und Koordinator Steffen Wagner vom Theaterspielkreis. −Foto: Foto: Kraus

Pfaffenhofen (PK) Das Freilichttheater "Der Brandner Kaspar schaut ins Paradies" wird im Juni und Juli ein kulturelles Großereignis. Die Stadt Pfaffenhofen realisiert die Inszenierung im Rahmen der Paradiesspiele gemeinsam mit dem Theaterspielkreis Pfaffenhofen um den Vorsitzenden Steffen Wagner sowie dem freien Regisseur Falco Blome.

Herr Blome, einmal mehr kehren Sie als Theaterregisseur zurück nach Pfaffenhofen - für die Paradiesspiele zu Ehren von Joseph Maria Lutz. Welche Bedeutung hat der Volksschriftsteller für Sie?

Falco Blome: Eine immer wichtigere. Vor fünf Jahren habe ich schon einmal für die Paradiesspiele ein Solo geschrieben, dessen Figur des Boanlkramers von ihm stammt. Jetzt habe ich mich wieder intensiv mit Lutz beschäftigt: Es ist faszinierend, wie dramaturgisch qualitativ und gut gebaut seine Stücke sind. Insofern ist er als Autor nicht nur spannend, weil er zur Stadt Pfaffenhofen gehört, sondern weil er ein richtig guter Dramatiker ist. Der Reiz seiner Figuren liegt in ihrer großen Menschlichkeit. Sie sind total real. Aus dem Leben gegriffen. Natürlich stammen sie aus einer anderen Zeit, aber sie können auch heute noch aktuell sein.

Herr Wagner, Sie und Ihr Theaterspielkreis haben ja schon so manches Lutz-Stück inszeniert. Warum?

Steffen Wagner: Hauptsächlich natürlich, weil wir aus Pfaffenhofen stammen, genau wie Herr Lutz. Aber nicht nur deshalb: Lutz hat qualitativ gute Stücke geschrieben - wobei man ehrlich sagen muss, dass das nicht auf alle zutrifft. Aber grundsätzlich ist er ein Dichter, der es wert ist, gespielt zu werden.

Der "Brandner Kaspar" ist sein bekanntestes Stück. Was zeichnet den Bühnenstoff von Lutz gegenüber der bekannteren Version von Kurt Wilhelm aus?

Blome: Die typische Wilhelm-Fassung ist sehr auf Pointe und Witz gebürstet - und hat durchaus ihre Berechtigung. Die Fassung von Lutz hingegen hat neben der Komik, die gerade in den Szenen zwischen dem Brandner Kaspar und dem Boanlkramer zum Tragen kommt, eine ganz andere Qualität: das zutiefst Menschliche und die große Ernsthaftigkeit. Das eigentliche Kernthema des Stückes ist die Auseinandersetzung mit dem Tod. Und mit dem Leben. Lutz schafft es, in seinem Text eine große Menschenliebe und Wahrhaftigkeit zu erzeugen.

Herr Wagner, sie weisen immer ausdrücklich auf die Unterschiede der Fassungen hin. Warum?

Wagner: Wir müssen klar im Vorfeld sagen, dass wir heuer, wie schon 1988, die tiefschürfendere Lutz-Fassung spielen, damit die Leute mit keinen falschen Erwartungen kommen. Es wäre doch schade, wenn sie aus dem Stück gehen und sich fragen: "Wo war denn jetzt eigentlich der Erzengel Michael?"

Blome: Der Witz entsteht bei Lutz aus dem Zwischenmenschlichen und nicht aus der reinen Pointe. Gerade der Erzengel taucht nur in der Wilhelm-Fassung als witzige Figur auf. Dramaturgisch ist er überhaupt nicht notwendig.

Herr Blome, Sie haben den Boanlkramer, wie sie erwähnten, ja schon 2013 mit dem gefeierten Stück "Solo für den Tod" auf die Bühne gebracht. Was reizt Sie so an der Figur?

Blome: Schon damals war ich fasziniert von der Tiefe, Qualität und Ernsthaftigkeit des Textes von Lutz. Das spannende an seinem Boanlkramer ist - wieder im Gegensatz zur bekannteren Wilhelm-Fassung -, dass der Tod sehr menschlich und sympathisch ist. Er ist überhaupt keine abstrakte Figur, sondern aus dem Leben gegriffen. Wie ein Freund, der einen besucht, aber eine schlechte Nachricht überbringen muss.

Jetzt bringen Sie den Stoff von der ganz kleinen Bühne in einer Bierkneipe auf eine große Festspielbühne. Welche Herausforderungen birgt das?

Blome: Die Dimensionen sind ganz andere: Man muss ganz anders spielen, größer denken und größer agieren. Statt in einem kleinen Theatersaal spielen wir draußen auf dem Hauptplatz, vor dem Haus der Begegnung. Das ist zwar eine große Aufgabe - aber eben auch eine wunderbare Aufgabe.

Und eine, die mit drei Profischauspielern in den Hauptrollen und einem Regieprofi bewältigt wird. Herr Wagner, was bedeutet das für den Theaterspielkreis?

Wagner: Das ist für uns eine sehr interessante Konstellation. Wir sind sehr gespannt auf die Zusammenarbeit und können uns sicherlich viel abschauen und an Falcos Erfahrung teilhaben. Auch haben wir einen großen Ansporn, weil wir ja mithalten wollen.

Und wie ist es für Sie, Herr Blome, wieder mit dem Theaterspielkreis zu arbeiten, bei dem sie damals als junger Mann das Regiefach ausprobieren konnten?

Blome: Es ist total schön, an den Ort zurückzukehren, an dem man selbst schon nächtelang an Bühnenbildern geschraubt hat, und zum Teil mit den selben Leuten wie damals zusammenarbeiten zu dürfen. Ich hätte gerne schon in den vergangenen Jahren mal wieder etwas mit dem Theaterspielkreis gemacht, aber die Zeit fehlte einfach. Jetzt haben wir durch die Kooperation mit der Stadt die Möglichkeit bekommen. Das ist ein großes Geschenk und ich freue mich tierisch

Sie spielen am Oberen Hauptplatz. Wie nutzen sie die Altstadtkulisse?

Blome: Das Haus der Begegnung als Hintergrund wird im Stück der Himmel sein, aus dem man herauskommt und in den man hineingeht. Und wo aus dem Fenstern zum Beispiel Engel schauen werden. Davor wird es eine kleine Erhöhung, eine Bühne geben, auf der die meisten Szenen spielen. Darauf wird es aber keine großen Aufbauten geben. Wir wollen versuchen, uns auf die Schauspieler zu fokusieren und alles drumherum sichtbar handgemacht lassen. Wir wollen eine Form von Freilichttheater schaffen, die berührt anstatt auf Knalleffekte zu setzen. Diese Wahrhaftigkeit, dieses Im-Moment-Sein, macht das Theater im Gegensatz zu Film und Fernsehen aus.

Aber lebt Freilicht nicht von einer gewissen Opulenz?

Wagner: Ganz am Anfang habe ich schon befürchtet, dass diese Idee zu kammerspielartig für Freilicht ist. Mittlerweile bin ich aber eines viel besseren belehrt und überzeugt worden, dass es funktionieren kann: Die Bühnenaufbauten werden beispielsweise durch ein ausgefeiltes Lichtkonzept von Markus Jordan und durch besondere Requisiten ersetzt - ohne jetzt schon zu viel verraten zu wollen.

Der Theaterspielkreis steht trotzdem für Detailverliebtheit - allen voran bei den Kostümen. Wird es trotz aller Nüchternheit ein "Kostümschinken" werden?

Wagner: Jain. Wir wollen natürlich wieder sehr detailgetreu sein, vor allem natürlich unsere Anita Promberger bei den Kostümen. Wobei es sicherlich ein bisschen anders werden wird, als bei den früheren Freilichtinszenierungen. Wie gesagt, will Falco das Ganze fokusiert auf die Schauspieler isnszenieren und auf viel Drumherum verzichten.

Aber bleibt prinzipiell die zeitliche Einordnung des Stoffs im frühen 19. Jahrhundert in Bayern?

Blome: Das Stück spielt zwischen 1809 und 1812, also während der Tiroler Befreiungsbewegung. Und es gibt natürlich Stellen, die auf diese Zeit, auf den Krieg und auf Andreas Hofer Bezug nehmen und eine wesentliche Grundlage sind. Nichtsdestoweniger ist der Großteil des Stückes überzeitlich. Genau so hat es Lutz auch geschrieben: In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts funktionierte der Text ja auch.

Bleiben sie also dem Lutz'schen Originaltext treu?

Blome: Genau das ist der Versuch. Es wird sicherlich ein paar Abstriche geben, weil es doch ein paar ausladendere Stellen und Passagen gibt, die den Leuten heute nicht mehr so viel sagen. Aber wir werden dicht am Original bleiben und die Formulierungen möglichst original belassen. Gerade auch den Dialekt, das Pfaffenhofenerische, das in dem Text steckt. Sylvia Ott aus dem Regieteam hat einmal gesagt: "Das ist genau so, wie meine Großeltern gesprochen haben." Es ist eine wirklich wahre Sprache.

Das Gespräch

führte Michael Kraus.