Pfaffenhofen
Depressionen und zu wenig Wohnungen

Die Problemfelder im Umgang mit den noch knapp 1300 Flüchtlingen im Landkreis verlagern sich

14.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:13 Uhr
Im Transitzentrum auf dem Gelände der ehemaligen Max-Immelmann-Kaserne (hier ein Bild aus dem Jahr 2015) leben die meisten Flüchtlinge im Landkreis - aktuell sind es 440. −Foto: Hauser

Pfaffenhofen (PK) Die große Flüchtlingswelle ist vorbei, die Zahl der Asylbewerber im Landkreis geht stetig zurück. Die Probleme verlagern sich weg von der reinen Unterbringung, hin zur angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt - und beinhalten auch völlig unerwartete Aspekte.

So ist es für einen anerkannten Flüchtling, der erfolgreich eine Arbeit gefunden hat, auf dem überhitzten Wohnungsmarkt im Landkreis schier unmöglich, eine eigene Wohnung zu finden. "Der lebt dann weiter in einer Flüchtlingsunterkunft - als sogenannter Fehlbeleger", berichtete Siegfried Emmer am Montag im Sozialausschuss des Landkreises. Doch entgegen mancher Mutmaßungen lebt er dort keineswegs umsonst. "Seine Monatsmiete liegt bei 306 Euro - für ein Stockbett in einem Vierbettzimmer", fügte Emmer an. "Dieser Betrag ist gewaltig. Solche Zustände sind schon denkwürdig", meinte er.

Wurden dem Landkreis am Scheitelpunkt der Welle vor zwei Jahren wöchentlich rund 50 Asylbewerber zugeteilt, so sind hier im gesamten laufenden Jahr gerade mal 47 Flüchtlinge - und nur 13 davon über den Familiennachzug - angekommen. Das Transitzentrum in Manching, in dem aktuell 440 Personen leben, die zur Hälfte der Quote des Landkreises angerechnet werden, ist davon allerdings ausgenommen.

Die Gesamtzahl der im Landkreis lebenden Flüchtlinge ist in dem Zug weiter gesunken. Insgesamt leben in den 19 Gemeinden aktuell 1269 Flüchtlinge - die Sammelunterkünfte in der früheren Max-Immelmann-Kaserne und der ehemaligen Patriotstellung im Feilenmoos eingerechnet. Bei 905 Personen ist das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen. 308 haben einen positiven Bescheid in der Tasche, leben aber weiterhin als "Fehlbeleger" in einer Flüchtlingsunterkunft. 60 minderjährige Flüchtlinge betreut der Landkreis außerdem - inklusive vier Jugendlicher, die außerhalb wohnen.

Soweit es für die Behörde nachvollziehbar ist, leben im Landkreis "zusätzliche 203 Personen mit humanitärem Aufenthaltsrecht in privaten Wohnungen", so Emmer. Die mit Abstand meisten Flüchtlinge kommen aus Afghanistan (37,8 Prozent). Es folgen Syrer, Pakistani und Nigerianer. Andere Nationen sind kaum vertreten.

Wie Siegfried Emmer als Leiter des Sozialamts am Landratsamt weiter ausführte, betreibt der Landkreis nach wie vor 67 dezentrale Unterkünfte. "Da der Zustrom aber deutlich nachgelassen hat, kann ich mir gut vorstellen, dass wir jetzt nach und nach die eine oder andere Unterkunft schließen", fügte er an. Welche Standorte das sein könnten, verriet er nicht. Manche Mietverträge laufen schlichtweg aus - und die Hausbesitzer wollen sie auch nicht verlängern. Andere Häuser werden schlichtweg nicht mehr benötigt. "Das entscheiden wir von Fall zu Fall, wenn es so weit ist", berichtete Emmer weiter.

Die Zahl der internen Konflikte und der Delikte halten sich nach wie vor in Grenzen. Und wenn es dann mal kracht, geschieht dies aus manchmal ziemlich ungewöhnlichen Gründen. Eine Anekdote erzählte Emmer im Sozialausschuss. Von einem Muslim, der zum Christentum konvertiert ist - und in dem Zusammenhang offenbar auch beim Schweinefleisch und der Wurst auf den Geschmack gekommen ist. Weil er diese im Islam untersagten Lebensmittel im Kühlschrank der Unterkunft lagerte, fing er sich laut Emmer ganz gehörige Prügel von seinen Mitbewohnern und ehemaligen Glaubensgenossen ein. "Und das ist nicht alles", fügte Emmer an. Das Leben in der Unterkunft - auf engen Raum gepfercht, mit anfangs wildfremden Menschen und wenig Aussicht auf Besserung - belastet viele Flüchtlinge auch mental. "Die psychischen Krankheiten, gerade die Depressionen, nehmen ständig zu", sagte Emmer.

Die Frage von Josef Finkenzeller (FW), der die Sitzungsleitung von Anton Westner (CSU) zur Halbzeit übernahm, war denn auch logisch. "Wie bringen wir die Anerkannten aus den Unterkünften in freie Wohnungen?" Emmer wusste darauf wenig zu sagen. "Wir lassen sie den Mietführerschein machen. Um sie auf den Markt vorzubereiten", meinte er. Und auch eine Wohnungsbörse für Flüchtlinge will das Sozialamt ins Leben rufen. "Ob das bei unserer angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt fruchtet, werden wir sehen."

Etwa 5,2 Millionen Euro hat der Freistaat Bayern heuer für die Flüchtlinge im Landkreis ausgegeben. Die jährlichen Personalkosten für die Flüchtlingsarbeit am Landratsamt liegen laut Kreiskämmerer Walter Reisinger bei weiteren 1,5 Millionen Euro. Am Sozialamt ist die Zahl der Vollzeitangestellten, die sich mit der Thematik beschäftigen, auf 25 gesunken. "Auf andere Abteilungen verteilt leisten aber noch weitere 15 Mitarbeiter Flüchtlingsarbeit", so Reisinger. Die Residenzpflicht der Asylbewerber ist mittlerweile aufgehoben. Sie können sich frei im Land bewegen. "Damit sie bei uns ihr Geld bekommen, erwarten wir aber, dass sie sich regelmäßig bei uns blicken lassen."