Pfaffenhofen
An guten wie an schlechten Tagen

Die Pfaffenhofenerin Hildegard Junkmann pflegt ihren an Demenz erkrankten Ehemann

18.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr
Sie pflegt ihren Mann alleine: Im Demenzcafé der Alzheimer Gesellschaft kann sich Hildegard Junkmann, hier mit ihrem Mann Josef bei Kaffee und Kuchen, mit anderen pflegenden Angehörigen austauschen. −Foto: Inderwies/Alzheimer Gesellschaft

Pfaffenhofen (PK) Hildegard Junkmann aus Pfaffenhofen betreut ihren an Demenz erkrankten Mann rund um die Uhr. Eine Frage treibt sie um: „Was wird aus ihm, wenn ich selber mal ernsthaft krank werde?“ Um ihren Alltag geht es im letzten Teil unserer Serie zu den Herausforderungen der Pflege.

Es ist drei Jahre her, dass bei Junkmann der Verdacht aufkeimte: „Irgendetwas stimmt nicht mit meinem Mann.“ Der 64-Jährige wirkte öfter orientierungslos. „Aber anfangs hab ich das noch als Schusseligkeit abgetan“, meint sie. Bis zu dem Tag, als der Vater statt der eigenen Tochter dem Schwiegersohn zum Geburtstag gratulierte. „Das war für uns alle ein richtiger Schock“, gesteht die Ehefrau. Der Hausarzt bestätigt die Diagnose „Demenz“. Inzwischen wurde dem Erkrankten, dessen Zustand sich heuer rapide verschlechtert hat, Pflegegrad 3 zuerkannt.

Für Hildegard Junkmann bedeutet das: Ständig ein Auge auf ihn haben, „damit er sich und andere nicht in Gefahr bringt“. Wie neulich, als er ihr ausgebüxt und mit dem E-Bike auf der Umgehungsstraße umhergefahren ist. Auch die Körperhygiene wird immer schwieriger. „Es braucht einiges an Überzeugungsarbeit und Tricks, um ihn in die Wanne zu bringen“, sagt die Seniorin.

Seit einiger Zeit sind Junkmanns Sorgen allerdings kein Schreckgespenst mehr. Denn inzwischen ist die 66-Jährige Mitglied der Alzheimer Gesellschaft im Landkreis Pfaffenhofen. Hier finde sie „jederzeit einen kompetenten Ansprechpartner“, so die Rentnerin. Man hat sie unter anderem auf Möglichkeiten der Entlastung aufmerksam gemacht, die dank der Mithilfe der Vereinsvorsitzenden Helga Inderwies auch Eingang in die neue Pflegebroschüre des Bündnis für Familie gefunden haben. Junkmann nimmt nun Angebote wie das monatliche Treffen für Angehörige von Demenzkranken und das „Demenzcafé“ wahr.

Josef Junkmann besucht zudem seit einiger Zeit an zwei Tagen in der Woche die BRK Tagespflege. „Dort ist man sehr um eine Atmosphäre der Geborgenheit bemüht“, erklärt die gelernte Krankenschwester, die den gefühlvollen und der Krankheit angemessenen Umgang mit den Betreuten lobt. In der Gruppe fühle sich ihr Mann sehr wohl und sie wisse ihn „gut aufgehoben“. Ihr selber tun die Tage gut. „Ich kann ein wenig verschnaufen, mal weggehen oder in Ruhe einkaufen“. Demnächst möchte sie einen weiteren Dienst in Anspruch nehmen: die Demenzbegleitung, deren Mitarbeiter stundenweise in der Betreuung der Erkrankten aushelfen. „Vorsorglich habe ich mich auch nach Kurzzeitpflegeplätzen umgeschaut, damit ich im Notfall weiß, wohin ich mich wenden kann“, so Junkmann, die die häusliche Betreuung alleine stemmt. Ihre einzige Tochter lebt in der Nähe von Frankfurt und kann nicht einfach mal so einspringen, wenn es irgendwo hakt.

Anfänglich hat sich Junkmann gescheut, den Nachbarn von der Erkrankung zu erzählen, berichtet sie. Doch irgendwann wurde es unumgänglich. Denn der ehemalige Filialleiter verhält sich für Außenstehende immer merkwürdiger. Schleicht zum Beispiel gerne um parkende Autos herum und versucht, sie zu öffnen. „Er war halt früher viel im Außendienst unterwegs und das Autofahren war seine Leidenschaft“, erklärt seine Frau, die ihn aus Sicherheitsgründen nicht mehr ans Steuer lässt. Zum Glück sind die Nachbarn sehr verständnisvoll. „Die kommen auch mal rüber und spielen mit ihm Memory oder gehen mit ihm ein Eis essen.“ Das freut die Ehefrau, denn „das ist alles andere als selbstverständlich“.

Im Frühstadium der Erkrankung hat Josef Junkmann seine Frau in mancher Situation in Verlegenheit gebracht. Da waren dann die speziellen Kärtchen der Alzheimer Gesellschaft eine Hilfe, mit denen sie diskret auf die Erkrankung hinweisen und um Verständnis bitten konnte – „ohne dass es mein Mann mitbekam und sich bloßgestellt fühlte“.

Manchmal birgt der Alltag auch lustige Momente. „Vor etwa einem Jahr machte mir mein Josef einen Heiratsantrag und wollte unbedingt endlich einen Hochzeitstermin festlegen“, erinnert sich die Umworbene mit einem Schmunzeln. Heute schweigt er beharrlich und richtet seine ganze Liebe auf „Bärle“, den Familienhund. Manchmal rafft der 67-Jährige sich dazu auf, Mandalas zu malen. Die zwölfteiligen Puzzles, die er noch vor Kurzem legen konnte, überfordern ihn inzwischen. Eigentlich bräuchte er sowohl ein Hörgerät als auch eine neue Brille. „Aber er scheitert an den Seh- und Hörtests, er kann die Fragen der Ärzte nicht beantworten“, sagt seine Ehefrau. Das spitzte sich zu, als ihr Mann jüngst unter Vorhofflimmern litt, jedoch nicht im Krankenhaus betreut werden konnte, weil es dort keinen geschützten Bereich für Demenzkranke gibt. „Zuhause war eine adäquate Behandlung eigentlich gar nicht zu leisten“, so die ehemalige Fachkraft. Dennoch: Trotz alledem möchte sie „die häusliche Pflege übernehmen, so lange ich das schaffe“. Und wenn es nicht mehr geht, weiß sie inzwischen, wo sie Hilfe findet.

HIER  GIBT  ES  HILFE  FÜR  DIE  ANGEHÖRIGEN

Das Pflegestärkungsgesetz unterstützt verschiedene Modelle, die pflegenden Angehörigen eine „Aus-Zeit“ aus ihrer anstrengenden Tätigkeit ermöglichen – sei es zu deren Entlastung oder weil diese selber aus sonstigen Gründen (Krankheit oder Urlaub)  verhindert sind. Zum einen steht den pflegenden Angehörigen von Patienten mit Pflegegrad 1 bis 5 ein sogenannter „Entlastungsbetrag“ in Höhe von monatlich 125 Euro zur Verfügung, der für viele niederschwelligen Hilfen verwendet werden kann. Das Spektrum reicht von stundenweiser Betreuung, Unterstützung im Haushalt oder bei der Organisation des Alltags (durch offiziell anerkannte Anbieter) über die Begleichung ungedeckter Kosten bei der Nutzung von Tages- oder Kurzzeitpflegeangeboten bis hin zur Betreuung durch Pflegedienste. Diese werden über die Pflegekasse direkt abgerechnet.

Entlastungsangebote bieten im Landkreis Pfaffenhofen derzeit die Caritas Sozialstation, der Holledauer Fachhauswirtschaftliche Betreuungsdienst oder die Regens Wagner Offene Hilfen.

Tagespflegeplätze halten zum Beispiel der BRK in Geisenfeld und Pfaffenhofen und das Haus der Senioren in Wolnzach bereit. Weitere Einrichtungen werden in der Pflegebroschüre gelistet.

Für den Fall, dass der Pflegende wegen Krankheit oder aus sonstigen Gründen ausfällt, zahlt die Pflegekasse für Versicherte (ab Pflegegrad 2) jährlich 1612 Euro Leistungen für Verhinderungspflege, wobei diese für bis zu 42 Tage in Anspruch genommen werden können. Dazu zählen die Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst oder eine Einzelpflegekraft (hier gelten Sonderbestimmungen). Ist die Versorgung für einen begrenzten Zeitraum zu Hause nicht möglich, kann Kurzzeitpflege beansprucht werden für ebenfalls 1612 Euro pro Jahr. Über die komplexe Sachlage informieren die in der Broschüre genannten Anlaufstellen auf Wunsch in einem persönlichen Gespräch. | zur