Aiterbach
Hilfe für Paul

Die Familie Buchholz hadert nicht mit dem Schicksal, sondern kämpft für ihren schwerbehinderten Sohn

04.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:35 Uhr

Paul Buchholz ist drei Jahre alt. Das Gehirn des Buben hat wenige Monate nach der Geburt aufgehört, zu wachsen - Foto: privat

Aiterbach (PK) Der kleine Paul ist nicht wie andere Kinder in seinem Alter: Der Dreijährige läuft nicht, er greift nicht. Aber wenn Paul lacht, geht die Sonne auf. Im Alter von vier Monaten hörte sein Gehirn plötzlich auf zu wachsen, und niemand weiß, warum. Bis heute nicht. Doch die Familie Buchholz kämpft für ihren Paul und bewältigt die Situation mit bewundernswertem Gleichmut.

Paul Buchholz aus Aiterbach kam am 16. Mai 2011 gesund zur Welt. Die ersten Untersuchungen beim Kinderarzt verliefen gut; vermeintlich war alles in Ordnung. „Uns ist schon aufgefallen, dass Paul ein sehr ruhiges Kind ist“, erzählt Dominique Buchholz, Pauls Mutter. Ganz im Gegensatz zu seinem großen Bruder Moritz: „Der ist ein richtiger Wirbelwind.“

Irgendwann machten sich Dominique und Thomas doch Sorgen. Warum greift Paul nicht? Warum schläft er die meiste Zeit? Warum entwickelt er sich nicht weiter? Irgendwann kam stundenlanges Schreien hinzu. Die Familie war mit den Nerven am Ende: „Wir wussten einfach nicht, was los ist, und konnten Paul nicht helfen.“ Der Kinderarzt war ebenso ratlos und schickte die Familie Ende 2011 in das Kinderkrankenhaus in Landshut. Das Baby musste dort einen Untersuchungsmarathon mit Magnetresonanztomographie (MRT), Elektroenzephalographie (EEG) und Blut- und Nervenwasserentnahme über sich ergehen lassen. Kurz vor Weihnachten dann die Hiobsbotschaft: Pauls Gehirn ist unterentwickelt und viel zu klein. Eine Erklärung hatten die Ärzte nicht.

Für die Familie Buchholz kein Grund aufzugeben. Sie suchten weiter nach der Ursache, besuchten unzählige Fachärzte und sogar einen Heiler. „Wir haben wirklich alles versucht“, so Dominique Buchholz. Hinzu kam ein umfassendes Programm, um Paul zu fördern, regelmäßige Besuche beim Logopäden, Krankengymnastik, Blindenfrühförderung. „Das waren manchmal sechs Termine in der Woche“, erzählt Pauls Mutter. „Gebracht hat das alles nichts.“

Im August 2012 wurde bei Paul zu allem Überfluss das Westsyndrom festgestellt, eine besonders schwere Form der Epilepsie. Es folgten ein vierwöchiger Krankenhausaufenthalt und der nächste Untersuchungsmarathon. Ein erneutes MRT brachte die erschütternde Erkenntnis: Pauls Gehirn hatte sich im Vergleich zur letzten Aufnahme acht Monate zuvor nicht verändert. „Da ist die Welt für uns zusammengebrochen“, erinnert sich Dominique Buchholz. „Wir mussten uns mit dem Gedanken auseinandersetzen, ein schwerbehindertes Kind zu haben.“

Dies sei die schwerste Zeit für die Familie gewesen, die aber auch viel Zusammenhalt gebracht habe, erinnert sich die zweifache Mutter. Keine Diagnose zu haben, damit haben sich Dominique und Thomas Buchholz mit der Zeit abgefunden. Dass es für ihren Sohn keine Hilfe geben soll? Damit ganz und gar nicht. Im Juni 2013 begann sich das Blatt zu wenden. Sie hörten von einer vielversprechenden alternativen Therapie: der individuellen Frequenztherapie, die auf Mikrostromstößen basiert. „Anfangs waren wir skeptisch, doch die Therapie hat uns wahnsinnig viel gebracht“, sind die Eltern überzeugt. Bereits nach wenigen Therapiesitzungen schien es Paul deutlich besser zu gehen; die Krampfanfälle und Krankheitsphasen wurden seither immer weniger. Und das Wichtigste für die Mutter: „Nach jeder Sitzung habe ich das Gefühl, ein glücklicheres Kind mit nach Hause zu nehmen.“

Doch die spezielle Therapie ist sehr kostspielig. Allein die mobilen Geräte, mit denen Dominique ihren Sohn zu Hause behandelt, haben 3600 Euro gekostet. Alle fünf Wochen fährt sie mit Paul nach Salzburg, um die Geräte neu einstellen zu lassen. Die Nahrungsergänzungsmittel, die ihn stärken und für die Stromimpulse empfänglicher machen sollen, schlagen monatlich mit knapp 100 Euro zu Buche. Dazu Anschaffungen, die das Leben mit einem schwerbehinderten Kind notwendig macht: Medikamente, spezielles Mobiliar, Therapie-Spielzeug, ein größeres Auto.

Ein Geburtstagsgeschenk für Paul haben Dominique und Thomas Buchholz bereits im Kopf: eine Therapieliege mit integriertem Podest für das Wohnzimmer. Da Paul nicht sitzen kann, liegt er auf einer Tagesdecke am Boden, um immer bei der Familie zu sein. „Wir möchten nicht, dass Paul den ganzen Tag nur Füße sieht,“ so die 37-Jährige. Das Podest müsste vom Schreiner maßgefertigt werden und kostet 2500 Euro, welche die Krankenkasse nicht übernehmen möchte.

Alleine kann die Familie die große finanzielle Belastung nicht stemmen. Da Paul rund um die Uhr gepflegt, gefüttert und gewickelt werden muss, kann Dominique Buchholz ihre Arbeit als Marketingfachkraft nicht wieder aufnehmen. Papa Thomas ist Alleinverdiener und zudem als Chauffeur häufig auf Reisen. Umso dankbarer ist die Familie für die bereitwillige Hilfe von Nachbarn, Freunden und Vereinen. Die neueste Spendenaktion hat die Pfaffenhofener Fotografin Judith Thomandl ins Leben gerufen. Einen Samstag lang hat sie Familien, Paare und Kinder fotografiert; der gesamte Erlös ging an die Anna-Einhauser-Stiftung, bei der Paul ein eigenes Spendenkonto hat: insgesamt 1500 Euro. „Dass uns so viele Menschen spontan helfen, ist ein ganz tolles Gefühl und eine große Erleichterung“, freut sich Dominique Buchholz.

Allzu weit in die Zukunft möchten Dominique und Thomas Buchholz nicht blicken. Ihre Wünsche klingen bescheiden: „Zwei glückliche, zufriedene Kinder und so normal wie möglich leben zu können.“ Das reiche ihnen vollkommen.