Staat nimmt Ordnungsmacht nicht wahr

23.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:46 Uhr

Zum DK-Artikel "Stadtrat will die Sicherheitswacht" vom 21. Februar:

In der schwäbischen Großstadt Esslingen mit 120 000 Einwohnern sind nachts 2 (in Worten: zwei!) Streifenwagen verfügbar. Landauf landab sind Polizeidienststellen massiv unterbesetzt. In Neuburg sind 15 Prozent der Sollstellen nicht besetzt. Prävention durch Präsenz findet schon lange nicht mehr statt. Dieser Staat ist, so scheint es, trotz üppigst sprudelnder Steuereinnahmen nicht mehr in der Lage, oder nicht willens, seiner Funktion als Ordnungsmacht nachzukommen.

Allenthalben fehlt Personal: im Krankenhaussektor, in der Altenpflege, in Kindergärten, in den Schulen. Lehrer werden behandelt wie Asoziale, sie müssen sich zu Ferienbeginn arbeitslos melden: Kennen Sie einen Politiker, der das auch muss? Und nun das: "Neighborhood Watch" heisst das in Neudeutsch. "Nachbarschafts Aufpassen". Wir kennen das aus den USA und aus Südafrika oder Namibia. Da fahren die Einwohner ganzer Siedlungen rund um die Uhr "Streife" und funken die Polizei an, wenn ihnen etwas auffällig erscheint. Ist das zukünftig die Aufgabe der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland? Patrouille fahren?

Wo sind diejenigen, die diese verheerende Verschlechterung der öffentlichen Sicherheitslage zu verantworten haben? Müssen wir uns zukünftig in unserem eigenen Land verbarrikadieren und 24 Stunden am Tag auf mögliche Straftaten lauern? Das völlig unnötige G-20 Treffen der Politprominenz in Hamburg hat satte 72,2 Millionen Euro gekostet. Den Herrschaften ist für die eigene Sicherheit nichts zu teuer. Der Normalbevölkerung mag man eine ausreichende Besetzung der Planstellen bei der Polizei dagegen nicht zumuten. Die (die Bürger) machen das schon.

Wie der bayerische Tiefflieger und Innenminister Herrmann sagte: "Die bayerische Sicherheitswacht hat sich bereits als eine Form bürgerlichen Engagements bewährt". Solche Aussagen sind noch gefährlicher als dumm. Wer bitte bestimmt denn zukünftig, was "Recht und Ordnung" ist, wenn die allgemeine Polizeipräsenz abgeschafft und durch mehr oder weniger militante Nachbarschaftsvereine ersetzt wird?

Es wird allerhöchste Zeit, dass wir uns und unseren "Neubürgern" klare Verhaltensregeln an die Hand geben, damit dieses Land nicht im Chaos versinkt.

Gerd Weise,

Karlskron