Weichering
Prozess um "Mauerfall"

Das Verwaltungsgericht muss entscheiden, ob der Bebauungsplan in Weichering rechtens ist

08.10.2012 | Stand 03.12.2020, 0:59 Uhr

Joachim Markwart und der Stein des Anstoßes: Er hatte die Mauer noch nicht ganz verputzt, als bei der Gemeinde Weichering die anonyme Anzeige eines Nachbarn einging - Foto: Ziegler

Weichering (ziu) Was anfangs wie eine Provinzposse anmutete, wird nun ein Fall für das Bayerische Verwaltungsgericht in München. Streitobjekt ist eine Einfriedung, die ein Ehepaar in Weichering um sein Grundstück angebracht hat und die nicht dem Bebauungsplan der Gemeinde entspricht. Im Dezember 2008 sind Joachim und Ingun Markwart in ihr Passivhaus Am Pfarranger eingezogen.

18 Tonnen Steine hat der ehemalige Zahnarzt im und rund um den mediterran anmutenden Garten verarbeitet nach dem Geschmack eines Nachbarn einige zu viel. Denn als die Mauer zur Straße hin noch nicht ganz verputzt war, flatterte Weicherings Bürgermeister eine anonyme Anzeige auf den Schreibtisch. Wir wären von uns aus nicht tätig geworden, sagt Thomas Mack, wir kontrollieren ja nicht. Durch die Anzeige war die Gemeinde in Zugzwang.

Der sprichwörtliche Stein des Anstoßes ist die Umzäunung um das Grundstück der Markwarts, im Behördendeutsch: die Einfriedung. Sie war zum einen nicht aus dem laut Bebauungsplan erlaubten Material (Holz oder Metall), zum anderen überschritt sie die maximal erlaubte Höhe (1,20 Meter) um 65 Zentimeter. Hier scheiden sich die Geister. Für Joachim Markwart war „die ursprüngliche Mauer zur westlichen Grundstücksseite hin genehmigt“ und die Mauer an der südlichen Begrenzung mit der Nachbarin abgesprochen. Letzteres tut für Thomas Mack nichts zur Sache. Und die Mauer Richtung Westen hätte im Bauplan ein wenig anders ausgesehen, sagt Mack. Die Gemeinde hätte den Markwarts eine Mauer in einer Höhe von 1,85 Metern als Sichtschutz sogar erlaubt, jedoch versetzt innerhalb des Grundstücks. Er verstehe ja, sagt Mack, dass die Mauer für die auch im Garten ausgeübte Therapietätigkeit des Ehepaares unabdingbar sei, „aber dann müssen sie halt vorher fragen“. Dass sie dies nicht getan haben, findet er „schon ein bisschen frech“.

Nachdem die anonyme Anzeige eingegangen war, begutachtete Mack mit drei Gemeinderatsmitgliedern das Anwesen. Schnell wurde klar: Die Gemeinde wollte keinen Präzedenzfall. Eine Nachbarin der Markwarts startete daraufhin eine Unterschriftenaktion. 50 Weicheringer hätten sich für den Erhalt der Mauer ausgesprochen, sagt Markwart. „Es waren etwa 25“, berichtigt Thomas Mack und fügt hinzu: „Ich glaube, dass es insgesamt mehr Gegner als Befürworter der Mauer gibt.“

Joachim und Ingun Markwart erhielten ein Schreiben des Landratsamts Neuburg-Schrobenhausen. Daraufhin schalteten sie einen Münchner Anwalt ein und kürzten den Holzzaun an der östlichen Grundstücksgrenze auf die zugelassene Höhe. Das Thema köchelte im Weicheringer Gemeinderat auf Sparflamme. Im Dezember 2010 wechselten die Markwarts den Anwalt, wandten sich an Hans Nüsslein. Der Ingolstädter Jurist schickte im Januar 2011 ein sechsseitiges Schreiben an die Kreisbehörde, danach herrschte fast eineinhalb Jahre lang Ruhe. Therapien in größerem Rahmen konnte das Ehepaar weiterhin nicht auf dem Grundstück abhalten, weil es nicht wusste, wie lange die Mauern noch stehen würden, der Schutz der Intimsphäre der Patienten aber unabdingbar war.

Ende Mai dieses Jahres schließlich forderte das Landratsamt die Markwarts auf, binnen vier Wochen „an der östlichen Grundstücksgrenze den Sockel und den Holzzaun, an der südlichen Grundstücksgrenze die Mauer und an der westlichen Grundstücksseite die Mauer zu beseitigen“. Anwalt Nüsslein legte gegen diesen Bescheid Klage ein. Fabian Albrecht, Leiter der Bau-Abteilung an der Kreisbehörde, hob daraufhin seine eigene Beseitigungsanordnung wieder auf: Die „textlichen Festsetzungen“ im Bebauungsplan seien nichtig, es fehle „die planerische Abwägung und Begründung insbesondere im Hinblick auf die Einfriedungen“. Gegenüber unserer Zeitung sagt Albrecht: „Die Festsetzungen sind missverständlich und unklar formuliert. Deshalb wurde zugunsten des Bauherrn entschieden“. Verantwortlich für den Bebauungsplan ist die Bayerische Landessiedlung in Bayreuth. Stadtplaner Benjamin Lotze hat den betreffenden Passus noch einmal durchgelesen: „Das ist doch eindeutig. Ich sehe da keinen Fehler.“

Die Markwarts waren nach eigenen Worten „mit dem Landratsamt im Reinen“, doch nun geht die Auseinandersetzung in die Verlängerung. Thomas Mack holte Rat beim Bayerischen Gemeindetag in München ein. Ende vergangener Woche antwortete ihm Franz Dirnberger, dort zuständig für Baurecht und Landesplanung. Es bestünde Aussicht auf Erfolg, die Gemeinde solle eine Klage einreichen. Gestern ging das anwaltliche Schreiben der Gemeinde Weichering beim Verwaltungsgericht in München und in Kopie beim Landratsamt in Neuburg ein. Für Thomas Assenbrunner, Pressesprecher der Kreisbehörde, ist der Klageweg „ein legitimer Prozess“. Thomas Mack hält eine außergerichtliche Einigung nicht für ausgeschlossen. Die Gegenseite schlägt die Türe fast schon zu. „Wir werden unsere Meinung nicht ändern“, sagt Fabian Albrecht. Das Urteil des Verwaltungsgerichts könnte eine Sogwirkung haben. Einen Steinwurf von den Markwarts entfernt trennt eine Mauer ebenfalls zwei Bewohner. Einer davon wehrt sich dagegen.