Weichering
Mit Würfel und Wissen auf "Wolke Sieben"

Petra Benesch, die Urenkelin des "Mensch-ärgere-Dich-nicht"-Erfinders, kreierte das "Hoch-Zeit-Spiel"

05.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:25 Uhr

Es liegt ihr in den Genen: Petra Benesch erfand das „Hoch-Zeit-Spiel“, das sich erfolgreich verkauft. Die Kommunikationswirtin aus Weichering ist die Urenkelin von Josef Friedrich Schmidt, dem geistigen Vater eines der berühmtesten Brettspiele der Welt: „Mensch-ärgere-Dich-nicht“ - Foto: Riaz

Weichering (DK) Es ist der ewige Beziehungsstreit, meistens nur wegen Kleinigkeiten: Er will, dass sie ihm die Hemden bügelt, ihn ungestört durch das TV-Programm zappen lässt und ihm vielleicht auch mal seinen Lieblingskuchen backt. Sie hätte gern, dass er ihr öfter Komplimente macht, sie manchmal mit Blumen überrascht und mehr im Haushalt mithilft, den Müll runterträgt.

Am besten jetzt sofort.

Aus diesen und vielen weiteren Alltagssituationen hat Petra Benesch eine eigene Spielidee entworfen und vor sechs Jahren ihr „Hoch-Zeit-Spiel“ erfunden. Die Idee dazu kam ihr, als sie mit Tochter Amelie schwanger und später in der Elternzeit war. „Die Scheidungsquote ist ja doch sehr hoch in Deutschland und ich habe mich da gefragt, woran das liegen könnte und wie es bei uns wird“, erzählt Benesch. So sei sie zu der Erkenntnis gelangt, dass gute Kommunikation durchaus sehr hilfreich sein kann, um das „Hoch“ in der Beziehung zu erhalten. Aus diesem Gedanken entwickelte sich nach und nach die Idee für das „Hoch-Zeit-Spiel“.

„Es ist ein Kommunikationsspiel, in dem es darum geht, als Paar gegen die Zeit zu gewinnen“, erklärt die studierte Kommunikationswirtin. Und das geschieht, indem man seinen Partner richtig einschätzt. Hätte Er also gern, dass Sie ihn morgens ausschlafen lässt? Und wie wichtig ist es für Sie, dass Er ihr die Füße wärmt? All diese Fragen sind auf den blauen und pinkfarbenen Spielkarten notiert. „Ziehe ich zum Beispiel die Karte ,hohe Schuhe tragen’“, so Benesch, „muss ich einschätzen, wie wichtig es meinem Mann ist, dass ich High Heels trage, wie er das Thema an sich findet, was für einen Stellenwert es bei ihm hat und wie zufrieden er in unserer Beziehung damit ist.“ Je größer die Übereinstimmung, desto höher die Punktzahl. Beide Mitspieler bewerten sich gegenseitig und dann wird gewürfelt. Punkte nämlich gibt es erst dann, wenn die Spielfiguren die entsprechenden Felder der eben beantworteten Kartenfragen erreichen. 15 Minuten lang wird diskutiert, gelacht und gewürfelt – bis am Ende beide das lang ersehnte Ziel, die berühmte „Wolke Sieben“, erreichen. Wer zuerst dorthin gelangt, hat einen Wunsch frei: Er oder Sie darf sich eine von den zuvor korrekt eingeschätzten Karten aussuchen. Von „Ihn einmal nach Herzenslust ausschlafen lassen“ bis hin zu „Ihr im Urlaub den besten Liegeplatz sichern“ geht die Reichweite und dabei bleibt kein Herzenswunsch offen. Es ist ein Spiel, das es in so einer Art noch nie gab. Gerne würde es an Pärchen verschenkt – zu Verlobung, Hochzeit oder auch zum Valentinstag.

500 Spiele ließ Petra Benesch am Anfang produzieren. Sie verstaute alle Spielesets, die zuerst eine runde Verpackung hatten, im Kofferraum ihres Autos, brachte sie in Buchhandlungen und Verlage und hatte auch einen Stand auf mehreren Hochzeitsmessen. Und weil die Nachfrage sehr groß war, ließ sie gleich weitere 3000 Stück anfertigen – dann in einem eckigen Karton. „Die Post hat damals ihre Vorschriften geändert und transportierte keine runden Pakete mehr“, erklärt Benesch. Ihre Erfolgsquote scheiterte deswegen nicht: Heute hat sie nur noch 100 Spiele im Keller stehen. Momentan denkt sie darüber nach, die Lizenz für das „Hoch-Zeit-Spiel“ zu verkaufen. Die Kommunikationswirtin produziert das Spiel nämlich in Eigeninitiative, ohne Vertrieb und Verlag. „Das Spielbrett ist aus Nürnberg, die Figuren aus dem Erzgebirge, die Spielkarten aus Chiemsee, die Würfel aus Österreich und die Sanduhr aus Indien“, sagt Benesch und lacht. Der Aufwand für die Produktion sei daher sehr groß.

„Vielleicht liegt es ja doch in den Genen“, antwortet die 42-Jährige auf die Frage, wie sie überhaupt darauf gekommen sei, ein Spiel zu erfinden. Ihr Urgroßvater nämlich, Josef Friedrich Schmidt, war der Erfinder von dem vielleicht berühmtesten aller Brettspiele: „Mensch-ärgere-Dich-nicht“.

Im Jahr 1907 hat ihr Uropa das Spiel auf eine Hutschachtel aufgemalt, um seine Kinder zu beschäftigen. „Früher gab es ja nur sehr wenige Spiele und Bekannte haben gemeint, er solle was draus machen“, erzählt Benesch. Wegen des Ersten Weltkrieges hat sich seine Erfolgsgeschichte jedoch hinausgezögert. Krankenhäusern schenkte er ein paar seiner Spielsets – und die Menschen waren begeistert. „Die Lazarettpatienten kamen aus den verschiedensten Ländern und haben die Spiele dann nach Kriegsende auch mitgenommen“, so Benesch. Und so wurde das Spiel weltberühmt. „So wie der VW-Käfer das Volksauto war, war ,Mensch-ärgere-Dich-nicht’ das Volksspiel“, sagt die stolze Urenkelin.