Stepperg
Mitreißende American Drama Group

Shakespeares "Der Sturm" kommt nach Stepperg Bezaubernder Auftritt im Pfarrstadel

26.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:37 Uhr

Der Luftgeist Ariel (Rachel Middle) hält während des Sturms das Schicksal des Schiffes in seine Händen (Bild rechts). Miranda (Rachel Middle) klagt Caliban (Bild links, Glyn Connop, l.) an, ihr zu nahe getreten zu sein. Ihr Vater Prospero (Dan Wilder) hält Caliban in Ketten. - Fotos: A. Hammerl

Stepperg (ahl) Traum oder Realität? Komödie oder Drama? Magie oder Fantasie? "Der Sturm" von William Shakespeare ist eine atemberaubende Komposition, die diese Elemente vereint - und noch mehr. Am Samstagabend war The American Drama Group Europe zu Gast bei Graf und Gräfin Moy in Stepperg.

Eigentlich sollte "The Tempest" im Schlosshof unter freiem Himmel über die Bühne fegen, doch das verhinderte heftiger Regen - wenn auch kein Sturm. Den entfachte das sechsköpfige Ensemble dafür mit 45-minütiger Verspätung im Stepperger Pfarrstadel.

Womit nicht nur der dramatisch-stürmische Auftakt mit wehendem Segel und brechendem Mast gemeint ist, der das Schiff Alonsos, des Königs von Neapel, auf einer Insel stranden lässt. Kein Zufall, wie das Publikum bald erfährt. Prospero, ehemals Herzog von Mailand, beruhigt seine Tochter Miranda, es sei niemandem ein Leid geschehen durch den Sturm, den er dank seiner eigenen Zauberkünste und mit Hilfe des Luftgeists Ariel entfacht hatte, um genau dieses Schiff stranden zu lassen.

Denn Alonso hat Prosperos Bruder Antonio unterstützt, als der Prospero stürzte und aus dem eigenen Land verjagte. Nun befinden sich Alonso, dessen Bruder Sebastian, Alonsos Sohn Ferdinand und Antonio in Prosperos Hand und das Spiel beginnt. Dan Wilder gibt einen charismatischen Prospero, dem die Sympathien des Publikums gehören, obwohl er seine Macht ausspielt und keineswegs zimperlich in der Wahl seiner Mittel ist. Doch bei allen Intrigen und Machtspielen ist er Mensch geblieben. Prosperos listige, fast kindliche Freude - "it works" - berührt und amüsiert die Zuschauer, wenn sein Plan, Ferdinand und Miranda zusammenzubringen, Gestalt annimmt. Rachel Middle ist die Seele des Spiels, und das gleich zweifach. Als Miranda verkörpert sie die Unschuld, das Kind, das mit dem Vater zusammen in Verbannung geriet. Ihr Erstaunen und Lob der "Brave new world" angesichts "such nice creatures", womit sie die Gestrandeten meint, gehört zu den heiteren Momenten. Wenn sie als Prosperos dienstbarer Geist Ariel über die Bühne schwebt, bezaubert sie mit ätherischer Leichtigkeit, beweist aber auch Charakter, als Ariel aufbegehrt und seine Freiheit einfordert, die Prospero ihm einst versprochen. Wunderschön ist Middles Gesang, der mit eindringlicher Intensität besticht und doch ätherisch-leicht durch den Saal zu schweben scheint.

Während Ariel Prospero aus Dankbarkeit dient, weil der Ex-Herzog ihn aus der Gefangenschaft der Hexe Sycorax befreite, hasst deren Sohn Caliban seinen Herrn und ist nur mit Gewalt und in Ketten zu bändigen. Glyn Connop spielt das primitive Zwitterwesen zwischen Mensch und Bestie mit Augenzwinkern und ebenso überzeugend wie den verzweifelten, aber immer noch würdevollen König Alonso - obwohl die Rollen konträrer kaum sein könnten.

Michael Armstrong wechselt zwischen jugendlichem Liebhaber und dem Hofnarren Trinculo, dessen alkoholschwangere Szene mit Caliban und dem Kellermeister Stephano (gespielt von Gareth Fordred, der auch als Antonio zu sehen ist) zu den lustigsten Minuten des Stückes gehört. Hier deutet Regisseur Phil Smith Shakespeares Hang zum Ordinären an, aber so dezent, dass sich das Publikum köstlich amüsiert - wie auch später, als die beiden ihrer Kleider beraubt im hautfarbenen String-Tanga über die Bühne hüpfen.

Intrigen spinnen nicht nur die Drei, die Prospero töten und Stephano zum König der Insel küren wollen, sondern auch Antonio und Sebastian (Jean-Paul Pfluger), die mehrfach versuchen, Alonso umzubringen. Doch Prospero ist den Intriganten dank Ariel stets einen Schritt voraus und verhindert die Vorhaben rechtzeitig. Merkwürdig vage bleibt das Ende. Der Konflikt zwischen den Brüdern Prospero und Antonio bleibt ungelöst und ungesühnt. War doch alles nur ein Traum? Oder reicht die Heirat von Miranda und Ferdinand aus für ein "Ende gut, alles gut"?

So oder so ist es faszinierend The American Drama Group zu erleben, die mit Shakespeares vielschichtigem Werk begeistert, mitreißt und bezaubert. Und dabei mimisch so ausgereift spielt, dass es überhaupt kein Problem ist, nicht jedes einzelne englische Wort zu verstehen. Es hat sogar seinen eigenen Reiz, sich ganz der Rhythmik der gesprochenen und gesungenen Texte zu überlassen.