Neuburg
So verschieden und doch so gleich

Kunstpreisträger Viktor Scheck spricht im Interview über Bezug zu Neuburg und Schrobenhausen

22.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr
Viktor Scheck verbindet viel mit Neuburg und Schrobenhausen. Er findet: Beide Städte sind zwar grundverschieden, aber keine ist besser als die andere. −Foto: Privat

Neuburg/Schrobenhausen (DK) Grenzenlos ist sie nicht unbedingt, die Liebe zwischen Neuburg und Schrobenhausen. Dennoch verbindet die Städte einiges. Viktor Scheck ist mit beiden verbandelt: geboren in Schrobenhausen, wohnhaft in Neuburg. Der Schrobenhausener Kunstpreisträger erzählt, wo es Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede gibt – und hätte da eine Idee.


Herr Scheck, wo genau liegen denn Ihrer Meinung nach die Gegensätze zwischen Neuburg und Schrobenhausen?

Viktor Scheck: Ich persönlich finde diesen Gegensatz gar nicht so sichtbar. Vielmehr gibt es verschiedene Wertigkeiten in den beiden Orten. Maßgeblich prägend für die Kultur einer Stadt ist ja deren Geschichte. Und da hat Neuburg als Residenzstadt über dreieinhalb Jahrhunderte eine ganz andere als Schrobenhausen, die frühere Ackerbürgerstadt. Daraus wiederum ergeben sich verschiedene Möglichkeiten. In Neuburg mit seinem Schloss, dem Fürstengang der Residenz, dem Rathaus mit eigenem Raum für Ausstellungen, mit Theater oder Stadtmuseum. Aber: Das hat nichts mit einer Minderwertigkeit Schrobenhausens zu tun. Auch Schrobenhausen hat viel zu bieten. Das Museum im Pflegschloss ist zum Beispiel super, genauso das Europäische Spargelmuseum oder das Zeiselmairhaus und viele andere kulturelle Institutionen und kulturelle Vereinigungen.

 

 

„In Neuburg kommst Dugar nicht zum Schnaufen.“

 

 

 

 

Dass der Landkreis bis heute nie richtig zusammengewachsen ist – woran hapert’s?

Scheck: Irgendwo ist das im historisch-kulturellen Unterschied begründet. Ab zirka 1520 war Neuburg eigenständige, politisch und religiös unabhängige Pfalzgrafschaft, Schrobenhausen abhängig von Landshut und später von München. Bis ins 19. Jahrhundert war auch das Moos die große Barriere. Verkehrsverbindungen in dem Sinn gab es nicht. Auch der Landratsamtssitz ist Teil der historischen Entwicklung und des politischen Schachspiels Anfang der 70er. Weil das eine Zwangsheirat war, wurden die Bedürfnisse der Schrobenhausener und der Neuburger nicht in Einklang gebracht. Auch die Versuche, mit dem Kunstverein Schrobenhausen und dem Kunstkreis Neuburg Landkreisübergreifendes auf die Beine zu stellen, funktionieren nicht so recht.

 

War diesbezüglich die Wiedereinführung des SOB-Kennzeichens vor ein paar Jahren ein Schritt in die falsche Richtung? Was halten Sie vom speziellen Schrobenhausener Kennzeichen?

Scheck: Beinahe hätte ich mir eines zugelegt – einfach so zur Gaudi (lacht).

Um die Neuburger ein wenig zu foppen? Gibt’s Ihrer Meinung nach eigentlich charakterliche Unterschiede zwischen den Neuburgern und den Schrobenhausenern?

Scheck: Ich habe das Gefühl, dass in Neuburg die stolzgeschwellte Brust etwas breiter ist. Das Selbstverständnis der Neuburger ist sehr von der Herrschaft der Wittelsbacher geprägt. Das Gefühl, kulturell etwas Besonderes zu sein, ist prägnant. Ein Schrobenhausener würde nie sagen: „Der Stadtwall ist eine der schönsten Grünanlagen Europas“ – warum eigentlich nicht? –, während von Neuburgern schon zu hören ist, der Karlsplatz sei einer der schönsten Plätze Deutschlands, wenn nicht Europas. So wird ja auch mit dem Slogan „Neuburg ist Kultur“ geworben – eine sehr anspruchsvolle Formulierung, die zeigt, welch enormes Selbstbewusstsein vorhanden ist. In Schrobenhausen geht man damit ein bisschen bescheidener um.

 

„Schrobenhausen hateinen eigenständigenMikrokosmos.“

 

 

Und das wirkt sich wie genau aus?

Scheck: Beispielsweise eventmäßig. Da ist in Neuburg das ganze Jahr über was geboten, Donauschwimmen, Töpfermarkt, „Mut zum Hut“, Schlossfest, und, und, und. In Neuburg kommst du gar nicht zum Schnaufen, wobei mir bewusst ist, dass Schrobenhausen ähnlich viele Veranstaltungen wie Neuburg hat. Ein bisschen kleiner und bescheidener. Die professionelle Szene der Bildenden Kunst ist natürlich in Schrobenhausen beheimatet, lebt und arbeitet in der Lenbachstadt.

 

Aber gibt es nicht auch gemeinsame Themen, beispielsweise Probleme, mit denen beide Orte gleichermaßen kämpfen?

Scheck: Die Städte müssen sich behaupten. Ich habe den Eindruck – und das ist in beiden Städten gleich stark –, dass dieses Stadtmarketing immer mehr auch kulturelle Aufgaben übernimmt. Das, was eine Stadt so außerordentlich macht, wird dadurch vermischt. Ich weiß nicht, ob es notwendig ist, dass in den Städten so oft Remmidemmi ist. Auch in den Innenstädten: diese Nivellierung, mit der die Unterschiede in der öffentlichen Wahrnehmung eingeebnet werden. Historische, identitätsstiftende Figuren werden instrumentalisiert und komprimiert, in Neuburg ist alles Ottheinrich und in Schrobenhausen ist es der Lenbach. Dennoch: Irgendwo sind beide Städte Provinz. Trotzdem gehen davon auch Impulse aus. Eine Provinz ist ja auch ein Kraftfeld. Es geht halt bissl langsamer, bis Trends reinkommen – und das ist eigentlich die Chance.

 

 

Wäre das eventuell ein Ansatzpunkt, den Landkreis vielleicht doch noch besser zu einen? Oder hätten Sie dazu andere Ideen?

Scheck: Das Donaumoos als Kulturlandschaft müsste man gemeinsam viel stärker hervorheben. Ich finde: Das geistige Zentrum des Landkreises gehört eigentlich ins Donaumoos. Und das Landratsamt gehört nach Karlshuld gebaut! Das gäbe eine andere Identität. Und dann wäre dieses Beleidigtsein – hier die Südstaaten, da die Nordstaaten – vielleicht auch weg.

 

„Ich habe das Gefühl, dass in Neuburg die stolzgeschwellte Brust etwas breiter ist.“

 

 

Die Gebietsreform war ja anno 1972. Da waren Sie 20 – wie ist Ihnen die in Erinnerung?

Scheck: Damals war ich nicht so heimatpatriotisch eingestellt wie viele andere. Und ich gebe zu: Als ich jung war, hatte ich null Kontakt zu Neuburg.

 

Das hat sich ja grundlegend geändert. Als jemand, der wie kaum einer Einblick in beide Orte hat, wie beurteilen Sie deren kulturelle Szenen?

Scheck: Der Neuburger Birdland-Jazzclub ist Weltniveau. Andererseits gibt es Sachen, die ähnlich gelagert sind: die Akademie für Literatur Elisa in Schrobenhausen, die Sommerakademie für Bildende Kunst in Neuburg, in beiden Orten eine Musikschule. Wichtig ist, dass was passiert. Und irgendwo aufzufallen. So wie mit der städtischen Tanzschule in Neuburg etwa. Dann gibt es Kammeroper und Kammerorchester, das Ensemble del Arte – Schrobenhausen hat einen eigenständigen kulturellen Mikrokosmos, der nicht auf primäre Aufmerksamkeit aus ist.

Sie sagen „wichtig ist, dass was passiert“ – passiert auch genug für junge Leute?

Scheck: Das Hertlein in Neuburg ist immer noch da und beliebt wie eh und je und eine Kulturinstitution. Ähnlich wie früher in Schrobenhausen Kraus oder Luna oder der Kultkneipe Zum Sig. Oh, die Luna . . . Man hat ja immer gesagt, da schmeißt' jetzt die Jacke rein, und wenn das Magazin leer ist, dann gehen wir alle rein.

 

Welche Kindheitserinnerungen haben Sie an Schrobenhausen?

Scheck: Da ist vor allem das Draußensein, mit dem Vater unterwegs zu sein – er hat mit mir als Kind wahnsinnig viel gemacht. Und da wäre auch die Eröffnung des Freibads. Wir hatten Wechselkabine Nummer 11. Beide Bäder sind übrigens sehr schön: das Neuburger Brandlbad und das Schrobenhausener. Schwimmen gelernt habe ich allerdings im Goachat in der Paar, auf dem Rücken meines Papas. Und die Neuburger waren damals in der Donau. Da muss man allerdings aufpassen, die hat einen ganz anderen Zug. In der Paar kannst du rauf und runter schwimmen – in der Donau kann man nicht gegen den Strom schwimmen.