Sinning
Magere Erbsensuppe für die "Lappenschlürfer"

Vortrag über Essen und Trinken in Bayern vom Mittelalter bis heute Bier löste den Wein ab

04.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:57 Uhr

Fachleute in Sachen Essen: Hans-Georg Hermann und Jesko Graf zu Dohna im Gespräch mit Gisela Drossbach. - Foto: ahl

Sinning (ahl) Ein Pfund Rindfleisch am Tag pro Person? Dazu eine Suppe plus Gemüse nach Jahreszeit, abends Suppe und Rindfleisch? Pfründner in mittelalterlichen Spitälern lebten offenbar nicht schlecht. Jedenfalls nicht in den besseren Spitälern wie dem Memminger Unterhospital €” und soweit sie es sich leisten konnten, sich in die so genannte Pfründnerstube einzukaufen.

Was Hausherrin Gisela Drossbach über "Herren- und Armenspeise im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Hospital" berichtete, war nicht das einzig Überraschende, was das Seminar zum Thema "Essen und Trinken in Bayern vom Mittelalter bis heute" der Hanns-Seidel-Stiftung München auf Schloss Sinning zutage brachte.

Dass Zitrusfrüchte keineswegs erst in Zeiten der Globalisierung auf den Tisch kamen, bewies Wolfgang Wüst, Professor für Fränkische Landesgeschichte an der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen, mit seinem Referat "Citronen, Pomeranzen, Spargel, Tabak: Exotik im Acker und Garten - Anbau und Konsum in frühen Bayerischen Quellen". So gingen heutige Streuobstwiesen gehen zurück auf das 17. Jahrhundert und 18. Jahrhundert, als es zum Programm aufgeklärter Adels-, Stifts- und Klosterherrschaften gehörte, Bienenzucht zu betreiben und Obst anzubauen. "Bittere Pomerantzen und saure Zitronen" kamen in Mode, wobei die zugeordneten Adjektive auf das rauhere nordische Klima zurückzuführen sind, denn Süße konnten die Südfrüchte hier trotz Wintergärten und Gewächshäuser nicht entwickeln. Mit der Säkularisierung der Klöster und dem Niedergang des Adels gingen auch Orangerien und Wintergärten zurück - der Citrusfrüchtemarkt brach daher im 19. Jahrhundert ein.

Auch die Lebensmittelkontrolle hat eine lange Geschichte. Zwei Beispiele erläuterte Wüst näher. Die "Würzburger Messe- und Jahrmarktordnung für Citronen- und Pomeranzenhändler" stammt vom 6. Juni 1699, die Bamberger und Würzburger Tabakordnung vom 21. April 1738. Die Jahrmarktordnung sollte sicherstellen, dass inländische Händler vor Konkurrenz aus dem Ausland geschützt wurden, Ziel war zudem, dass auch in der kalten Jahreszeit Vitamin spendendes Obst vorgehalten wurde. Die Tabakordnung regelte, dass das Gewicht eingehalten und Qualität gesichert wurde, warnte aber auch vor Gesundheitsgefahren, allerdings hauptsächlich bezüglich gepanschter Ware.

Die Spitäler waren nicht nur karitative Einrichtungen, sondern dienten auch als Altersheim, Schule, Geldinstitut und sozialer Treffpunkt. Aus der frühen Neuzeit seien Speisepläne, Küchenbücher und Rechnungsunterlagen erhalten und geben interessante Einblicke, berichtete Drossbach. So lässt sich im Archiv des St. Katharinenspital in Regensburg nachlesen, dass es am Gründonnerstag, 22. April 1666 zum Mittagessen "für die Pfründner Eiersuppe, Bier und eingelegten Hering aus Südschweden gab". In Memmingen erhielten laut einer Ordnung von 1590 die "armen Dürftigen in der Siechenstuben" viermal in der Woche Fleisch und zweimal Wein - "eigentlich ganz ordentlich", wie Drossbach kommentierte. Dagegen wurden in Biberach die Armen als "Lappenschlürfer" bezeichnet und erhielten überwiegend Erbsensuppe.

Erste Quellen aus der Karolingerzeit belegten, dass es bereits um 770 Weinbau in Franken gab, berichtete Jesko Graf zu Dohna vom Fürstlich Castell'schen Archiv. Dann folgte eine lange Pause, bis der Anbau im 16. Jahrhundert mit circa 40 000 Hektar seinen Höhepunkt erreichte. Damals war Wein aufgrund der schlechten Wasserqualität sogar Volksgetränk €” mit nur etwa halb so hohem Alkoholgehalt. Im 19. Jahrhundert sank der Weinkonsum zugunsten des Biers. Das war Thema des Vortrags von Hans-Georg Hermann, Professor für Deutsche und Bayerische Rechtsgeschichte an der Ludwig-Maximilian-Universität München, der über "Das Reinheitsgebot von 1516. Vorläufer, Konflikte, Bedeutung und Auswirkungen" gesprochen hatte.