Sinning
100-Jähriges beim Krankenpflegeverein

Zusammenschluss war früher unter schwierigen Bedingungen ganz aktiv tätig Heute nur noch fördernd tätig

21.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:27 Uhr

Die Schwestern Clarentia und Irmtrudis nehmen 1985 mehr oder weniger freiwillig Abschied aus Sinning. Das Foto aus dem Archiv von Heimatforscher Ludwig Ried ist ein Dokument aus der Zeit, als der Krankenpflegeverein Sinning noch richtig aktiv war. ‹ŒRepro: Heumann

Sinning (lm) "Die ungünstige Lage der Kranken auf dem Lande" in Kriegszeiten zu lindern, taten sich um den Josefitag des Jahres 1917, als allein aus dem kleinen Dorf Sinning in einem einzigen Jahr sieben junge Menschen gefallen waren, besorgte katholische Pfarrer und couragierte Frauen - Männer waren so gut wie keine mehr zu Hause - zusammen und riefen den "Verein für ambulante Krankenpflege Sinning und Umgebung" ins Leben. Zwei Schwestern und eine weltliche Kraft taten in Folge bis ins Jahr 1985 viel Gutes.

Gegenwärtig ist der Verein mehrheitlich fördernd tätig. Das muss aber nicht so bleiben.

Am 19. März, auf den Tag genau 100 Jahre nach der ersten Zusammenkunft, wurde jetzt das Jubiläum begangen. Heimatforscher Ludwig Ried hat dazu viel Verschollenes, dies umso mehr, als das Protokollbuch der ersten 50 Jahre nie mehr auftauchte, wieder zu Tage gefördert. Der Verein spielte rasch eine höchst bedeutsame Rolle oder anders gesagt: Es gab jede Menge Arbeit! Bis 1919 waren schon neun damals eigenständige Gemeinden beigetreten, weit in den Burgheimer Raum hinein, aber auch an die Ränder Neuburgs heran, weshalb am Sonntag auch Neuburgs Bürgermeister Rüdiger Vogt einer der Redner war und als Arzt die Bedeutung ambulanter Betreuung und Pflege hoch einzuschätzen wusste. Für die praktische Arbeit wurde ein Vertrag mit dem Dritten Orden in München geschlossen, der all die Jahre und mit einer kurzen Zäsur Ende des Zweiten Weltkrieges, als schließlich auch die zweite Kraft zum Heeresdienst abberufen wurde, die Schwestern stellte. Die waren bei häufig wechselnder Wohnung mehr schlecht als recht untergebracht, mal auf engstem Raum bei Privatleuten, dann wieder in der Schule, so beengt, dass letztlich sogar das Schulamt einschritt. So ist etwa ein Zerwürfnis aus dem Jahr 1923 überliefert, als eine Schwester "eigenmächtig", wie ihr vorgehalten wurde, eine Eiersammlung startete, wenigstens für das nötigste Mobiliar für sich. Wie extrem sparsam die Schwestern stets wirtschafteten, wurde in ganzem Umfang deutlich, als sich bei ihrem Abgang stolze 140 000 Mark in der Vereinskasse befanden.

Der Verein nahm regen Aufschwung und hatte zu seinen besten Zeiten an die 400 Mitglieder. 1925 war eine zweite Schwesternstelle bewilligt worden. Um die Zeit konnte ein erstes Motorrad angeschafft werden. Für das Jahr 1939 ist ganz präzise der Kauf eines zweiten Motorrads für 347 Mark überliefert.

Im November 1945 begann das neue Kapitel mit Rückkehr von Schwester Daniela. Und da meldete sich eine Augenzeugin zu Wort, 1947 war sie an Diphtherie erkrankt, "ohne Schwester Daniela hätte ich nicht überlebt". Es galt, wenigstens das Nötigste zu organisieren. Dankbar wird von einem Schreiner berichtet, der nicht nur zwei Betten kostenlos baute, sondern auch auf das Stellen der Bretter dafür verzichtete. Da wird von Schwierigkeiten berichtet, Reifen für die nach dem schweren Bombenangriff auf Unterhausen demolierten Motorräder zu bekommen. 1956 schließlich wurde eine große Sammlung gestartet zur Anschaffung eines ersten Volkswagens, der Name war hier wirklich Programm.

Was die beiden Schwestern Clarentia und Irmtrudis leisteten, ist vielen zwischen Leidling, Dezenacker, Straß und Ballersdorf bis heute unvergessen. Die Lebensumstände für die beiden Frauen blieben all die Zeit über mehr als bescheiden, bis 1959 die Generaloberin aus München kam, um auf Abhilfe zu drängen. In einer enormen Gemeinschaftsleistung entstand bis August 1960 das bis heute so genannte Schwesternhaus, für 34 000 Mark. 1975 gab's das Bundesverdienstkreuz am Bande für Schwester Clarentia, fünf Jahre später dann auch ein Telefon.

Das konnte freilich nur mehr fünf Jahre klingeln, denn 1985 kam das überraschende und abrupte Ende für die Schwestern in Sinning. Der damalige Ortspfarrer Dieter Lang scheint daran wohl nicht ganz unbeteiligt gewesen zu sein, selbst der damalige Weihbischof Rudolf Schmid versuchte vor Ort tagelang noch, die Wogen etwas zu glätten.

Die caritative Arbeit ging auf die Sozialstation über, der Verein verharrt seitdem in einem gewissen Dornröschenschlaf, unterhält zwei Wohneinheiten für sozial Schwache, ist ansonsten fördernd tätig, verlor aber zwischenzeitlich drei Viertel seiner einstigen Mitgliederstärke und kämpft gegen zunehmende Überalterung. Das soll aber nicht so bleiben. "Wir wollen uns auch wieder aktiv einbringen", meint Dekan Werner Dippel, Vorsitzender des Vereins. "Wir führen Gespräche in verschiedene Richtungen." An Aufgaben dafür werde es gewiss nicht mangeln, zeigt sich Landrat Roland Weigert aufgeschlossen, der Faktor Mensch werde in Pflege und Betreuung immer wichtiger.