Schönesberg
"Die EU steht auf Messers Schneide"

SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen wirbt für Europa und für mehr Gefühl in der Politik

23.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:15 Uhr

Frontfrau ohne Berührungsängste: SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen sprach in Schönesberg über soziale Gerechtigkeit und forderte dabei mehr Miteinander. - Fotos: Janda

Schönesberg (DK) Nur ein Umdenkprozess kann der SPD den Erfolg bringen. Das hat Generalsekretärin Natascha Kohnen gestern im Ehekirchener Ortsteil Schönesberg erklärt. Bei der Kreisdelegiertenversammlung der Partei warb sie zugleich für mehr Gefühl in der Politik. Und für Martin Schulz.

Das Bild, das die Münchenerin bei ihrem Besuch auf dem Land von der weltpolitischen Lage zeichnete, fiel düster aus. Ein Brexit, der eigentlich nur Fragen aufwirft. Schottland, das sich womöglich von Großbritannien lösen will, dadurch aber seinen Handelspartner verlieren würde. Frankreich, das gestern eine Schicksalswahl absolvierte. "Ich glaube, die EU steht auf Messers Schneide", warnte die Generalsekretärin der bayerischen SPD ihre Genossen, bot aber zugleich eine Lösungsmöglichkeit. Aus Kohnens Sicht sind nun die Politiker gefragt, um den Leuten wesentliche Inhalte und vor allem die eigenen Ziele zu erklären. "Eurobonds oder systemrelevant? Das versteht doch kein Mensch", schimpfte sie. Und: "Wenn wir so weitermachen, sind wir bald nicht mehr systemrelevant."

Einer, der aus ihrer Sicht einen Weg aus diesem Dilemma bietet, ist Martin Schulz. Der rote Kanzlerkandidat stehe für soziale Gerechtigkeit, erklärte die 49-Jährige bei ihrer Stippvisite in Ehekirchen. "Er verlässt die Blase, in der wir leben, und geht auf die Menschen zu." Genau dieses Gespür, dieses Gefühl für das Wesentliche sei es, was die Leute wollen. "Und diese Chance müssen wir nutzen", forderte Kohnen unter dem Applaus der gut 50 Genossen.

Unter der Politprominenz aus dem gesamten Landkreis waren mit dem Karlskroner Werner Widuckel und dem Freisinger Andreas Mehltretter auch zwei Wahlkämpfer. Beide wollen im September in den Bundestag einziehen, Widuckel im Wahlkreis Ingolstadt mit dem nördlichen Kreis Neuburg-Schrobenhausen, Mehltretter für den Wahlkreis Freising, zu dem das Schrobenhausener Land gehört. Widuckel, zugleich Kreisvorsitzender der SPD, sprach sich für eine klare Abgrenzung von der CSU in den kommenden Monaten aus. Die Ziele Mindestlohn, Familienarbeitszeit und Mindestrente sieht er als wesentliche Fragen der sozialen Gerechtigkeit.

Gleichzeitig ließ der Kreisrat den parteiinternen Wahlkampf nicht unerwähnt - anders als Kohnen selbst, die das Thema als eine der Kandidatinnen für den Landesvorsitz ausklammerte. Harsche Kritik übte Widuckel dabei an dem Pfaffenhofener Markus Käser. Der Mitbewerber Kohnens hatte gegenüber unserer Zeitung erklärt, dass nur er für einen Neuanfang stehe und die weitere Spaltung der Partei verhindern könne. "Das geht gar nicht", so Widuckels Urteil. Das Votum der Basis sei zu akzeptieren - egal mit welchem Ergebnis.

Ganz ohne Kritik lief auch die Rede der Generalsekretärin nicht ab. Diese richtete sie aber nicht an die politischen Gegner, "denn die warten doch nur darauf, dass wir schimpfen". Stattdessen knöpfte sie sich das hiesige Schulsystem vor - Stichwort Fakenews. "Sind unsere jungen Menschen heute noch in der Lage, Fakten zu beurteilen", fragte sie in die Runde. Und auch die Energiepolitik in Bayern ist ihr ein Dorn im Auge. Denn diese, das musste Kohnen auf Nachfrage der Rennertshofener Bürgerinitiative Trassenstopp einräumen, findet derzeit im Freistaat schlichtweg nicht statt.