Schönesberg
Das Tor nach Mali klemmt in den Angeln

Vortrag über einen oft vergessenen Bundeswehreinsatz in einem Krisengebiet

22.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:54 Uhr
Major Stefan Mintert in Schönesberg −Foto: Schmitt

Schönesberg (DK) Das Bundeskabinett hat im Januar eine Ausweitung des Bundeswehreinsatzes in Mali beschlossen. Nun sprach ein Soldat in Schönesberg über den Einsatz: Major Stefan Mintert, eingesetzt als Luftfahrzeugführer im Lufttransportgeschwader 61.

Künftig sollen im Zuge der Uno-Mission Minusma (Mission multidimensionelle integrée des Nations Unies pour la Stabilisation au Mali) bis zu 1000 deutsche Soldaten in dem westafrikanischen Krisenstaat eingesetzt werden können. Bislang lag die Obergrenze bei 650 Soldaten. Das Mandat erlaubt auch den Einsatz von Waffen. Und das in einem Pulverfass: Mali galt nach den ersten freien und demokratischen Wahlen im Jahr 1992 lange Zeit als "Vorzeigedemokratie" in Westafrika, heute ist Mali einer der gefährlichsten Einsatzorte für die Bundeswehr.

Einer, der schon dort war, berichtete jetzt auf Einladung des Arbeitskreises Außen- und Sicherheitspolitik des CSU-Kreisverbands Neuburg-Schrobenhausen von seinen Erfahrungen und Erlebnissen vor Ort: Major Stefan Mintert, eingesetzt als Luftfahrzeugführer im Lufttransportgeschwader 61, war im Dezember und Januar in Niamey, der Hauptstadt Nigers, als Leiter des Lufttransportstützpunktes tätig. Von dort aus operieren zwei Bundeswehrflugzeuge im Rahmen der Bundeswehrmission Minusma.

Das Thema des Abends lautete "Niamey, das Tor zum Einsatz der Bundeswehr in Mali". Der Veranstalter war äußerst positiv überrascht, wie viel Resonanz diese Thematik hervorgerufen hatte. Neben den Bürgermeistern Günter Gamisch (FW) und Otto Plath (CSU) waren auch einige Gemeinderäte unter den zahlreichen Gästen.

Mintert ging in seiner eindrucksvollen Bilddokumentation vor allem auf die Situation des deutschen Anteils auf dem Gelände des Flugplatzes in Niamey ein. Nach nur wenigen Minuten hätte man im Saal eine Stecknadel fallen hören können. Unvorstellbar für alle, unter welch extremen Bedingungen die gut 40 deutschen Soldaten hier arbeiten und leben müssen. Als Unterstützer des französischen Kontingentes teilen sich die Soldaten alle infrastrukturellen Einrichtungen auch noch mit den nigerianischen Hausherren und den amerikanischen Streitkräften. Untergebracht sind die Soldaten in zwar klimatisierten, aber nicht "gehärteten" Zelten, was heißt, dass sogar ein Taschenmesser schon reicht, um sich Zugang verschaffen zu können. Aber wenigstens ist man nicht allein im Zelt, sondern mit bis zu sieben Kameraden. "Die Privatsphäre hält sich in einem sehr überschaubaren Rahmen", so Mintert gespielt scherzhaft. Das alles bei einer Jahresdurchschnittstemperatur von knapp 30 Grad Celsius. Im Vergleich, Neuburg hat einen Durchschnitt von 8,5 Grad. Außerdem liegt Niamey im Malariagebiet. Zwei Transall Maschinen, eine davon in MedEvac-Konfiguration, zu deutsch medizinische Evakuierung, und eine Maschine für den logistischen Lufttransport sind in Niamey stationiert. Da der infrastrukturelle Bereich sehr begrenzt ist, häufen sich auch hier die Probleme. Unzureichende Lagerkapazitäten machen am meisten zu schaffen. "Wenn wir ein Ersatzteil aus Deutschland brauchen, dauert das im Idealfall zwei Tage, wir haben aber auch schon eine Woche gewartet" so Mintert. Ein Flug in das eigentliche Einsatzgebiet Mali dauert bis Gao eine gute Stunde, in die Hauptstadt Bamako fast drei Stunden.

Die Leistung der Soldaten sei trotz der widrigen Umstände groß: Seit April 2016 konnten 22 Verletzte verschiedenster Nationen erfolgreich ausgeflogen werden.

Das darf aber über die Missstände vor Ort nicht hinwegtäuschen. Selbst Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen war bei ihrem Besuch im Dezember "gelinde gesagt erschüttert", so Mintert.

Nach einigen Minuten des Luftholens, wurde die dem Vortrag folgende Fragerunde sehr lebhaft und emotional. Dieter Pfaff aus Neuburg, ehemaliger Wart im Taktischen Luftwaffengeschwader 74, meinte: "Wenn ich die Bilder sehe, komme ich mir vor, wie mit der Bundeswehr auf Sardinien, allerdings vor 40 Jahren". Fragen wie "was will Deutschland überhaupt da" oder "geht es Frankreich nur um das Uran in Mali" hätten die Diskussion ins Unendliche getrieben. Gemeinderat Franz Männling (FW) sagte: "Die deutschen Soldaten vor Ort leisten Großartiges, was jetzt gefragt ist, sind unsere Politiker in Berlin."