Rennertshofen
"Notwendiges vom Wünschenswerten trennen"

Nach 36 Jahren im Amt zieht Rennertshofens Bürgermeister Ernst Gebert im Interview eine Bilanz

18.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:48 Uhr

 

Rennertshofen (DK) Die Geschichte der Einheitsgemeinde Rennertshofen ist untrennbar mit einem Namen verbunden: Ernst Gebert. Er ist Bürgermeister, seit die elf ehemals selbstständigen Kommunen im Rahmen der Gebietsreform 1978 zusammengelegt wurden. Im Mai wird der 64-Jährige das Amt nach 36 Jahren an seinen gewählten Nachfolger Georg Hirschbeck übergeben.

 

Herr Gebert, Sie sind in Rennertshofen geboren und aufgewachsen, welche Erinnerung kommt Ihnen da als erstes in den Sinn?

Ernst Gerbert: Ich war vor dem Bürgermeisteramt bei der Stadt Rain beschäftigt und wurde 1977 von einem Geschäftsmann gefragt, ob ich für die Freien Wähler als Bürgermeister kandidieren möchte . . .

 

. . .Moment, Moment, es geht um Erinnerungen aus der Kindheit.

Gebert (lacht): Ja! Spielen an den Mauerner Höhlen, mit Degen und Pfeil und Bogen. Wir waren ständig in der Natur draußen, nicht vor dem Computer gesessen. Oder wir haben im Heustock gespielt. Da haben wir schöne Höhlen gehabt und sind drin rumgeklettert, bis einer durchgebrochen ist. Zum Glück ist nichts passiert.

 

Haben Sie als Sohn eines Maurers und einer Hausfrau die Schwierigkeiten der Nachkriegszeit gespürt?

Gebert: Man ist bescheiden aufgewachsen. Und man ist seinen Weg gegangen. Wir waren fünf Kinder. Ich habe ja eine Zwillingsschwester, bin also mit vier Schwestern aufgewachsen.

 

Hat Sie das geprägt?

Gebert: Man hat immer gut mit Frauen zusammengearbeitet. Natürlich. 1978 hatte ich im Rathaus 80 Prozent Mitarbeiterinnen.

 

Sie waren erst 27 Jahre alt, als Sie zum Bürgermeister gewählt wurden.

Gebert: Wir sind davon ausgegangen, dass es ein Achtungserfolg wird. Und dann kam die überraschende Wahl. Dann wurde ich mit 27 Jahren gewählt. Mein Gegenbewerber, der Tierarzt Franz Kelldorfer, ist Zweiter Bürgermeister geworden. Unsere Einheitsgemeinde Rennertshofen gibt es seit dem 1. Mai 1978.

 

Gab es keinen Unmut in der Bevölkerung über die von oben verordnete Zusammenlegung?

Gebert: Ich hatte einen problemlosen Start. Da gab es sicherlich auch negative Meinungen gegenüber dieser vom Staat gebildeten Einheitsgemeinde, aber das war nicht zu spüren. Wir haben uns bemüht, zu integrieren, nicht zu trennen, nicht zu spalten, sondern zu einen. Und wir haben auch immer geschaut, Investitionen in allen Ortsteilen durchzusetzen.

Was nicht einfach gewesen sein dürfte, immerhin war Rennertshofen am Anfang hoch verschuldet.

Gebert: Wir haben die Verschuldung quasi als Mitgift der Gebietsreform bekommen. Rennertshofen war damals weit und breit die höchstverschuldete Gemeinde. 1978 betrug die Verschuldung 2700 D-Mark pro Kopf.

 

Und heute?

Gebert: Seit dem 2. April sind wir schuldenfrei.

 

Wie haben Sie das geschafft?

Gebert: Man muss zwischen dem Notwendigen und dem Wünschenswerten unterscheiden. Wir haben Haushaltsdisziplin an den Tag gelegt. Egal, was man macht, man muss die Folgekosten bedenken. Und wir haben Zuschüsse in Anspruch genommen und gute Steuereinnahmen generiert. Trotz der Ausgabendisziplin haben wir auf allen kommunalen Gebieten unsere Hausaufgaben gemacht.

 

Was meinen Sie konkret?

Gebert: Kindergarten, Schule, Sanierung der Trinkwasseranlagen, Ausweisung von Baugebieten in allen Ortsteilen und eines Gewerbegebietes mit Ansiedlung vieler Firmen. Wir sind eine fortschrittliche Kommune geworden.

 

Trotzdem hat Rennertshofen jetzt am Ende ihrer Zeit als Bürgermeister gleich mehrere offene Baustellen zu bearbeiten. Die Stichworte sind Marktkernsanierung, Pfarrheim, Fußballplatz und Schule.

Gebert: Das mit der Marktkernsanierung ist ärgerlich, ja. Aber das ist wieder angelaufen. Beim Pfarrheim ist die Frage: Schließen sich die Kirchengemeinde und die politische Gemeinde zusammen und schaffen eine neue Räumlichkeit, oder geht man einen neuen Weg? Beim Fußballplatz haben wir eine Neukonzeption der Sportanlage auf den Weg gebracht. Die Mittel sind bereitgestellt. Wohin der Weg bei der Schule geht, muss entschieden werden. Hier geht es um eine Machbarkeitsstudie: Neubau oder energetische Ertüchtigung mit Teilabriss des westlichen Teils. Diese zweite Variante wird derzeit von Schulleitung, Lehrerkollegium, Schulamt und Elternbeirat favorisiert. Wir haben auch überlegt, ob wir einen Kindergarten integrieren. Das muss man schauen. Bei all diesen Themen haben wir die Weichen gestellt.

 

Was war das schwierigste Projekt in ihrer Amtszeit?

Gebert: Schwierig waren besonders die Sanierung der Abwasseranlagen und die Straßenerneuerungen. Das ist eine Daueraufgabe. Wir haben viele Millionen in die Abwasseranlagen gesteckt.

 

Welche besonderen Ereignisse aus Ihrer Zeit als Bürgermeister kommen Ihnen in den Sinn?

Gebert: Am 28. Mai 1985 hatten wir sintflutartige Regenfälle in Hütting, Ellenbrunn, Stepperg oder auch Hatzenhofen. Da hat es den Straßenbelag regelrecht weggespült. Und dann natürlich das große Pfingsthochwasser ’99. An die 650-Jahrfeier 1985 erinnere ich mich auch oft. Das war ein herrlicher Sonntag. Vorausgegangen war ein Festgottesdienst, dann ein Festumzug. Das hat einen schönen Eindruck hinterlassen.

In Ihre Amtszeit fällt auch der Kirchen-Sex-Skandal . . .

Gebert (lacht): Ja, da war man nicht dabei. Aber Rennertshofen war weltweit Tagesgespräch, das stimmt.

 

Was hat sich am Amt des Bürgermeisters im Laufe der Zeit am meisten verändert?

Gebert: Die EDV-Umstellung war eine große Neuerung. ’97 kam die elektronische Datenerfassung. Das war sehr nützlich. Aber im Laufe der Zeit ist die Bürokratie schon gewaltig geworden. Die Diskussionskultur hat sich auch geändert. Früher hat man sachbezogen argumentiert. Heute ist das oft etwas anders. Der, der sich im Ton etwas anders darstellt, wird zitiert. Der, der sachbezogen argumentiert, geht unter. Das ist eben der Trend allgemein.

 

Sie machen nicht bei allem mit, Sie benutzen bis heute kaum Ihr Handy.

Gebert: Ich will mich nicht versklaven lassen vom Handy. Ich gehöre noch der Generation an, da ist man nicht zugemüllt worden mit E-Mails und so weiter.

 

In 36 Jahren im Amt: Wie viel Freizeit hatten Sie da noch?

Gebert: Die Freizeit ist sehr eingeschränkt, gar keine Frage. Aber das weiß man. Allein die ganzen Abendtermine und Gratulationen zum 80., 85., 90., 100. Geburtstag, goldene Hochzeit, Diamantene, Eiserne. Ich habe 60 Prozent aller standesamtlichen Ehen selbst getraut, insgesamt 490 Eheschließungen. Das waren immer schöne Termine, auch wenn es Samstag war. Es war eine sehr intensive Zeit, aber eine Zeit, die ich nicht missen wollte. Wenn man sich mit dem Beruf identifiziert, so wie ich das getan habe, dann gehört einem das Leben eigentlich nicht mehr, sondern dann gehört es der Kommune.

 

Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger Georg Hirschbeck?

Gebert: Engagement, Einsatzbereitschaft, Geradlinigkeit. Ich glaube, das hat er auch.

 

Was werden Sie bald im Ruhestand besonders genießen?

Gebert: Früher mal länger schlafen. In Ruhe Zeitung lesen. Der Termindruck ist weg. Die Abendtermine sind weg. Daheim ist vieles liegengeblieben: den Garten pflegen, das Haus renovieren. Unser drittes Enkelkind kommt jetzt. Wenn es geht, habe ich auch bisher die Enkelkinder vom Kindergarten abgeholt. Im Kreistag bleibe ich ja, aber es gibt auch ein Leben nach der Politik. Dazu gehört auch mal mehr Fernsehen. Ich schaue gezielt Fernsehen, streiche mir alles Interessante in der Fernsehzeitung an. Meine Frau Juliane lacht schon immer und sagt: Du bist ja eh nie daheim.

 

Das Interview im Büro des Bürgermeisters führte Sebastian Schanz.