Niederschönenfeld
Wackelt die "Monstertrasse"?

Bayerisches Fernsehen in Niederschönenfeld – Leitungsgegner skeptisch – Politiker glauben, ohne geht’s nicht

22.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:44 Uhr

„Kamera läuft“: Das Bayerische Fernsehen kam zum Bürgerforum live nach Niederschönenfeld. Einziges Thema: Die geplante Gleichstromtrasse - Fotos: Schanz

Niederschönenfeld (DK) Die geplante Gleichstromtrasse von Wolmirstedt in Sachsen-Anhalt ins schwäbische Gundremmingen erregt weiterhin die Gemüter. Das Bayerische Fernsehen interessierte jetzt die Meinung von Bürgern und Politikern. Die Trasse war Thema in der Sendung „Bürgerforum live“.

Der weißblaue Sender hatte sich für die Aufzeichnung das Bürgerhaus in der 1400-Einwohner-Gemeinde Niederschönenfeld im Landkreis Donau-Ries ausgesucht. 160 Karten waren an interessierte Bürger, vornehmlich Gegner der Trasse, ausgegeben worden. Als am Mittwochabend um 20.15 Uhr die Live-Übertragung begann, waren die Besucher im Saal des Bürgerhauses mit den Spielregeln einer TV-Sendung vertraut gemacht. Moderator Tilmann Schöberl hatte das Publikum instruiert, aufmerksam und möglichst intelligent zu schauen, die Fotografen der Printmedien durften nicht mehr blitzen und die Bedienung nach dem Startzeichen von BR-Redakteurin Claudia Grimmer nichts mehr ausschenken.

Ist die Gleichstromleitung von Sachsen-Anhalt nach Gundremmingen notwendig? Wird sie kommen? Die erste Frage beantworten Gewerkschaften und Wirtschaft mit Ja. Das Ja auf die zweite Frage befürchten die Trassengegner – einfache Bürger, die entlang des jetzt möglichen Korridors ein Grundstück gekauft und ihr Häuschen draufgebaut haben. Als der Moderator die Bürger zu Wort kommen lässt, sagt ein Mann, mit der Trasse sei sein Grundstück maximal noch die Hälfte wert. Außerdem fürchte er um die Gesundheit seiner Kinder. „Wir haben uns im guten Glauben hier eingekauft. Und jetzt“, sagt ein anderer. Die Leitungen auf bis zu 70 Meter hohen Masten würden die ländliche Idylle empfindlich stören.

Mit spürbaren Nachteilen für die Gemeinde rechnet auch Bürgermeister Georg Hirschbeck (CSU). Der Rennertshofener Rathauschef war gemeinsam mit Gemeinderat Josef Spenninger interessehalber nach Niederschönenfeld gekommen. Seine Marktgemeinde, so erklärt Hirschbeck vor der Kamera, könne sich nur nach Norden hin mit Bau- und Gewerbegebieten erweitern. Komme die Gleichstromleitung, werde sich dort niemand ansiedeln. „Die Stromtrasse darf so nicht kommen“, fordert der CSU-Mann.

Hat sich das Thema bereits erledigt? Kaum laufen die Kameras, verkündet Tilmann Schöberl eine neue Nachricht: Wirtschaftsministerin Ilse Aigner sei der Ansicht, mit Hilfe von Gaskraftwerken werde man auf eine der geplanten Leitungen verzichten können. Bleibt der Südlink, der im bayerischen Grafenrheinfeld enden soll? Fällt die Ost-Süd-Trasse damit aus der Planung? Michael Sterner, Professor für Energiespeicher und -systeme aus Regensburg, ist Gast in der Sendung. Er rechnet in diesem Fall mit einem Aus für die Gundremmingen-Variante. Eine belastbare Aussage dafür gibt es aber nicht. Die Skepsis im Saal bleibt. „Solange nicht endgültig entschieden ist, sind wir nicht erleichtert. Meine Hauptforderung lautet: Alle Planungen zum Trassenbau einstellen“, sagt der Niederschönenfelder Bürgermeister Peter Mahl (FWG).

Zu den Gästen im Bürgerhaus gehört auch Erwin Huber (CSU), Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Landtag. Er versichert den Bürgern, die Einspeisung von Windenergie müsse Vorrang haben. Schön sei so eine Leitung zwar nicht, räumt er ein, „aber eine werden wir auf alle Fälle brauchen“. Es gehe um die Versorgungssicherheit, wenn in den kommenden Jahren vier Kernkraftwerke in Bayern abgeschaltet werden. Er hoffe, sagt Huber, auf einen Konsens nach Ende des Energiedialogs. Den führt Ministerin Aigner auch mit Trassengegnern. Die fühlen sich bei diesen Gesprächen in München wie David, der dem Goliath Energielobby gegenübersteht. In biblischen Zeiten hat David den Zweikampf gewonnen. Als weiterer Landespolitiker wird Natascha Kohnen, die Generalsekretärin der Bayern-SPD, von Tilmann Schöberl begrüßt. Zunächst versichert die Parteigeneralin, dass die Trassenplanung auch von der Union mitverantwortet werden müsse. Die SPD wolle keine Atomkraft mehr, sondern den Einstieg in die erneuerbaren Energien. „Wir müssen den Strom irgendwo hinleiten“, erklärt sie. Außerdem gehe es um Arbeitsplätze. Die nahen Lechwerke hätten einen Stromverbrauch wie eine Kleinstadt. „Arbeitsplätze dürfen wir niemals aufs Spiel setzen“, sagt Kohnen. Sie tendiert wie der Regensburger Professor Sterner zum Bau von Vernetzungen. Wenn die Trasse nicht komme, dann wackle der Ausstieg aus der Kernkraft, gibt Sterner zu bedenken. Er befürwortet deutlich mehr Wind- und Sonnenkraftanlagen und deren Energieableitung entlang von Straßen und Autobahnen.