Neuburg
Nichts an Aktualität eingebüßt

Zuckmayers beklemmendes Schauspiel "Des Teufels General" macht nachdenklich

23.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:55 Uhr
Das schlichte Bühnenbild besteht hauptsächlich aus einem Podest mit Treppe, dient mal als Tisch für das Festmahl, mal als Wohnung des Generals und auch als Teil eines Militärflughafens. −Foto: Hammerl

Neuburg (DK) Beklemmend, was sich auf der Bühne des Neuburger Stadttheaters am Sonntagabend abspielt. Carl Zuckmayers Schauspiel "Des Teufels General" verlangt nicht nur dem für Tourneetheater relativ großem Ensemble, sondern auch den Zuschauern im nahezu ausverkauften Theater einiges ab.

Gelingt es im ersten Akt noch, die Orgie in einem Berliner Restaurant distanziert zu betrachten, so zieht das Drama um Mitläufertum und Widerstand im Dritten Reich das Publikum zunehmend in den Bann. Jede Menge Misstrauen, Spitzelei, Verzweiflung und Widersprüchlichkeit stecken unter der Oberfläche, werden mit Alkohol betäubt und ebendort gehalten.

Gerd Silberbauer spielt die Titelrolle mit großer Bühnenpräsenz und lässt die Zerrissenheit des schillernden Fliegergenerals sehr deutlich werden: "Nazi bin ich nie gewesen, immer nur Flieger". General Harras macht kein Hehl aus seiner Verachtung und Abneigung gegenüber den Nazi sowie deren Ansichten, riskiert damit viel, unterstützt aber andererseits als Chef des Technischen Luftfahrtamtes das System. Aktiver Widerstand liegt ihm fern. Ganz anders sein Freund und engster Mitarbeiter, Chefingenieur Oderbruch (Hans Machowiak), der funkelnagelneue Flugzeuge an den Tragflächen manipuliert, sodass sie abstürzen.

Das Geniale an Zuckmayers Stück: Nichts ist nur Schwarz oder nur Weiß. Oderbruch verschuldet den Tod mehrerer Piloten, darunter auch den seines besten Freundes Oberst Friedrich Eilers. Ob er seinem Ziel, das er mit einer Gruppe Personen, die auch ihm weitgehend unbekannt sind, verfolgt, damit näherkommt? "Wenn Hitler den Krieg gewinnt, ist Deutschland verloren", davon ist Oderbruch überzeugt. Aber wählt er die richtigen Mittel für seinen Widerstand?

General Harras ist die zentrale Figur. In der Beziehung zu ihm definieren sich die anderen Personen, sein ihm ergebener Adjutant Korrianke (Daniel Pietzuch), Eilers (Thorsten Nindel), Soldat durch und durch und an den Endsieg glaubend, dabei aber Harras in ehrlicher Freundschaft verbunden, während Dr. Schmidt-Lausitz (Markus Fisher), Kulturleiter im Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda ein treuer Gefolgsmann Hitlers ist und Harras‘ Gesellschaft hauptsächlich deswegen zu suchen scheint, um ihm etwas anzuhängen. Hauptmann Pfundtmayer steht für den linientreuen Spießbürger, Leutnant Hartmann (Adrian Spielbauer) leidet darunter, dass seine Braut Pützchen (Martina Dähne) die Verlobung löste, weil eine seiner Großmütter keinen lückenlosen Ariernachweis hatte. Pützchens Vater Sigbert von Mohrungen (Andreas Klein) verkörpert den Opportunisten, der primär an die eigene Haut denkt, seine ältere Tochter, Anne Eilers (Marsha Zimmermann) ist solange vom Krieg überzeugt, bis es ihren eigenen Mann trifft. Annette Kreft als Operettendiva und Harras‘ ehemalige Geliebte sowie Elisabeth Halikiopoulos als deren in den General verliebte Nichte Diddo komplettieren das ungeheuer packend aufspielende Ensemble.

Das schlichte Bühnenbild besteht hauptsächlich aus einem Podest mit Treppe, dient mal als Tisch für das opulente Festmahl, mal als Wohnung des Generals und schließlich nach kurzem Umbau als Teil des Militärflughafens, unterstützt von Kunstnebel und Motorengeräuschen. Eine dichte, unter die Haut gehende Inszenierung, die zum Nachdenken anregt. Ist Mitläufertum eine Frage der Generation? Anne Eilers erklärt ihre Kritiklosigkeit einmal damit, dass sie mit dem Regime aufgewachsen sei, "wir kennen nichts anderes". Dem sei die Mahnung Erich Kästners entgegengesetzt: "Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird".

Zuckmayers Typen und sein Gleichnis von "Des Teufels General" haben kein bisschen ihrer Aktualität eingebüßt, ob 70 Jahre oder Jahrhunderte - es scheint, als ändere sich die Menschheit nie.