Neuburg
"Du wirst uns lange nicht mehr sehen"

04.08.2011 | Stand 03.12.2020, 2:32 Uhr

In Sinning gab es in der Vergangenheit immer wieder Demonstrationen gegen Rechtsextreme. Die „heiße Phase“ ist seit zehn Jahren vorbei.

Neuburg (r) Das Familiendrama an der Waldhütte ist weitgehend geklärt. Für die Ermittler steht fest, dass sich der 23-jährige Sohn selbst das Leben genommen hat, indem er sich mit einer Pistole in den Mund geschossen hat. Der 65-jährige Vater schoss sich in den Bauch. Sie hinterließen einen Abschiedsbrief.

„Du wirst uns eine Zeit lang nicht mehr sehen“. Mit dieser Bemerkung beunruhigte Anton P. seinen Nachbarn in Sinning. Der Mann informierte die Polizei. Als die ersten Streifen an der Waldhütte bei Unterstall ankamen, war der 23-jährige Sohn von Anton P. schon mindestens eine Stunde tot. Der Vater saß mit einem Bauchschuss vor der Hütte. Minutenlang versuchten ihn die Polizisten vom Suizid abzuhalten. Dann schoss sich Anton P. ein zweites Mal in den Bauch. Gestern war er noch nicht vernehmungsfähig.
 
Möglicherweise wartete der 65-Jährige darauf, dass die Neuburger Polizeibeamten auf ihn schossen. Die aber blieben besonnen und zurückhaltend. Die Pistole ist in Tschechien als gestohlen gemeldet. Anton P. besaß sie also illegal. Die Ermittler gehen davon aus, dass er sie seinem toten Sohn aus der Hand genommen hatte. Die Obduktion in München ergab gestern eindeutig Selbsttötung des 23-Jährigen.

Vater und Sohn wollten nicht mehr weiterleben. Der 23-Jährige war psychisch krank. In der Waldhütte fand die Polizei einen Abschiedsbrief. Er dokumentiert, dass es sich um eine Familientragödie von verzweifelten Menschen handelt. Allerdings hat Anton P. auch wirre rechtsextreme Anmerkungen über sein Heimatland gemacht. Im Vorjahr hatte er seinen Pass bei der Gemeinde Oberhausen abgegeben, weil er „aus der Bundesrepublik austreten“ wollte.

Anwesen durchsucht

Kripo und Bundeswehrsoldaten durchsuchten gestern mit Metallsonden Anton P.'s Anwesen in Sinning. Es war Routine, sie fanden nichts.

Der 65-jährige Anton P. hatte bereits in seiner Jugendzeit eine starke Neigung zu Nazi- und Wehrmachtskult entwickelt. Seine Aktionen mit der „Wikingjugend“ sind noch in die Rubrik Abenteuerspiele einzuordnen. Als führendes Mitglied der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ äußerte sich rechtsextremes Gedankengut in „Wehrsportübungen“ an der Donau. 1979 drehte er mit Kumpanen in Neuburg einen Film über den „Rückzug der deutschen Wehrmacht“ und geriet mit den Behörden in Konflikt.

Als angeblicher „Major“ und rechte Hand des rechtsextremen Karl-Heinz Hoffmann (Heroldsberg) geriet er in das Raster der Fahnder. Als im Januar 1980 Bundesinnenminister Gerhart Baum die „Wehrsportgruppe Hoffmann“ verbot, rückten auch in Neuburg 70 Beamte von Polizei und Verfassungsschutz an. Sie beschlagnahmten die Militariasammlung von Anton P. im ehemaligen Sägewerk an der Ingolstädter Straße in Neuburg. Von Militärjeeps über Kettenkräder, Granatenattrappen, SS-Uniform, Karabiner und Munition nahmen sie alles mit. Später erhielt der Eigentümer fast alle Artikel zurück.

NPD und Nazikult

An seinem zweiten Standort im Dorf Sinning pflegte Anton P. in einer alten Schreinerei mit Gesinnungsgenossen den Nazi- und Germanenkult („Halle Thor“) weiter. Als NPD-Funktionäre in den 90er Jahren dort ein- und ausgingen, schaute der Verfassungsschutz wieder genauer hin. Mit der Etablierung der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ provozierten Anton P. und Chefredakteur Holger Apfel, heute NPD-Fraktionschef im Sächsischen Landtag, die Sicherheitsbehörden. Es bildete sich die „Sinninger Initiative gegen Rechts“, es kam zu Demos und Gegenkundgebungen.

Als Anton P. einem Scheineinkäufer des Landeskriminalamts kroatische Maschinenpistolen und Handgranaten verkaufte, schlug das LKA 1998 in einer Razzia zu, verhaftete den Neuburger und einen Mittäter. Nach vier Jahren Haftstrafe kam Anton P. wieder frei. Seitdem war er „unauffällig“.