Neuburg
Der will nicht nur spielen

Riesige Herdenschutzhunde überfordern Halter und stellen Neuburger Tierheim vor Probleme

03.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:50 Uhr

Foto: DK

Neuburg (DK) Sie wurden gezüchtet, um Bären und Wölfe abzuwehren, um Schafe und Ziegen in den Weiten Anatoliens zu bewachen - kein Wunder, dass Kangals in einer hektischen Wohnsiedlung nicht zurechtkommen. Allein das Neuburger Tierheim kümmert sich um neun Herdenschutzhunde.

Langsam öffnet Manuela Scherer das Gattertor zum großen Gehege eines Rüden namens Bär. Der Name ist nicht ganz unpassend - der Hund ist fast so groß wie die Tierpflegerin. Ein monströses Kraftpaket - die Mähne am Hals schützt vor Wolfsbissen. Der warme Atem des Kangals dampft in der Wintersonne, als er zum Zaun tigert. Doch die erfahrene Mitarbeiterin des Neuburger Tierheims hat bei ihm wenig zu befürchten - er hat sie als "Herdenmitglied" akzeptiert. "Wer das Futter bringt, ist der Gute. Aber wenn der frisst, geh ich nicht in die Nähe. Wenn der sein Futter verteidigt, da hört der Spaß auf", sagt ihre Kollegin Brigitte Wagner. Neue Pflegerinnen brauchen lange Zeit, um von dem Herdenschutzhund akzeptiert zu werden - wenn überhaupt. Manche schaffen es nie. Fremde werden vertrieben. Wer als Bedrohung erkannt wird, wird kompromisslos angegriffen.

Neun riesige Herdenschutzhunde haben im Neuburger Tierheim eine Zuflucht gefunden. Für die fünf türkischen Kangals, einen russischen Owtscharka, einen ungarischen Kuvasz und zwei sardinische Maremmanos ist es vermutlich die letzte Station, denn erst zweimal gelang es Tierheimleiter Gerhard Schmidt, solche Hunde weiterzuvermitteln. Es braucht ein Riesengrundstück, am besten ein paar Schafe und vor allem: keinen Stress.

"Diese Hunde sind Einzelgänger, die als Welpen in eine Nutztierherde gegeben werden und ihr Leben lang draußen bei ihr bleiben", erklärt Schmidt. Die Schafe verstehen sie als ihre Familie, und sie bewachen sie mit ihrem Leben. Über Jahrhunderte wurden die Tiere nur zu diesem Zweck gezüchtet. Daher der Schutztrieb. Daher die enorme Größe und Kraft. Daher die völlige Unfähigkeit, im hektischen Treiben einer Stadt ruhig zu bleiben. "Das sind Hunde, die in Deutschland nix verloren haben", ärgert sich Schmidt. Fast immer von jungen Migranten als Statussymbole angeschafft, gibt es fast unweigerlich Probleme, wenn ihre Herrchen dem Tier nicht mehr Herr werden. "Ein Mann allein kann den nicht an der Leine führen", sagt der Tierheimleiter. "Das ist die größte Hunderasse der Welt." Für Schmidt ist es unverantwortlich von Züchtern, diese Arbeitsrassen zu verkaufen. "Eigentlich müsste da der Gesetzgeber etwas dagegen machen." Die bayerische Polizei führt keinen dieser Hunde auf der Liste der gefährlichen Rassen. Andere Tierheime weigern sich aus Platzgründen, die großen Herdenschutzhunde aufzunehmen. So hat sich Neuburg mit seinem großen Gelände des ehemaligen Bundeswehr-Schießstandes zu einer Art bayernweites Kompetenzzentrum für die Riesen entwickelt. Owtscharka-Dame Anuk lebte in einer Nürnberger Juweliersfamilie, bis sie den Besitzer biss. Der Kuvasz kam aus Augsburg. Von den Kangals kommt einer aus Eichstätt und erst kurz vor Weihnachten bekam Schmidt eine Fundhündin aus Schrobenhausen. Eins ist dem Tierheimleiter wichtig, zu betonen: "Wenn es Probleme gibt, sucht man die oft beim bösen Tier. Aber es sind die Rahmenbedingungen, die zu Problemen führen."