Neuburg
Der Abenteurer aus dem Amtsgericht

Jürgen Schenke folgt seiner Blitzeingebung – und will in knapp drei Jahren durch den Ärmelkanal schwimmen

02.10.2012 | Stand 03.12.2020, 1:00 Uhr

In Startposition: Noch trainiert Jürgen Schenke aus Unterhausen am heimischen Donaustrand. Doch der Justizfachwirt hat ein großes Ziel: Er möchte durch den Ärmelkanal schwimmen – unbedingt - Foto: Stengel

Neuburg (DK) Couch, Kippen und Kartoffelchips – so sah das süße Feierabendleben des Jürgen Schenke aus. Bis zum 7. September vergangenen Jahres. Als ihn diese Vision ereilte. Es geschah im Neuburger Amtsgericht. „Ich habe während der Arbeit vor mich hingeträumt“, gesteht der Justizfachwirt. Und da war er plötzlich. Dieser Gedankenblitz, aus dessen Sog es kein Entrinnen mehr gab: Einmal im Leben durch den Ärmelkanal schwimmen! „Das ist es!“, sagte sich der 47-Jährige. Seither hat der ausgebildete Rettungsschwimmer seinen Lebensstil komplett umgekrempelt.

Statt Zigaretten stehen Joggingeinheiten an, statt Heißhungerattacken ausgewogene Kost, statt Autofahrten Spaziergänge in seinem Wohnort Unterhausen, statt Ruhepausen auf dem Sofa Schwimmen im Hallenbad. Wasser war von Kindesbeinen an das Element des gebürtigen Allgäuers Jürgen Schenke. 1976 ging er in Memmingen zur Wasserwacht und absolvierte angefangen vom Seepferdchen alle Abzeichen. Das Wasser brachte ihn auch in seine zweite Heimat Neuburg: 1991 nahm er am Winter-Donauschwimmen teil und verguckte sich in eine junge Dame. Der Umzug nach Oberbayern war besiegelt. Seit 19 Jahren ist er jetzt im Amtsgericht beschäftigt, wo man ihn nicht zuletzt als Protokollführer bei Strafgerichtsprozessen kennt.

„Ich fühle mich deutlich fitter als vor einem Jahr“, strahlt Schenke über das ganze Gesicht. Um 15 Zentimeter habe sich sein Bauchumfang reduziert und auch die morgendliche Bilanz auf der Körperfettwaage stimme durchaus positiv. Über drei Jahre Vorbereitungszeit aber brauche die Durchquerung des Ärmelkanals, sagt Schenke. Im Internet führt er unter der Adresse projektaermelkanal.blogspot.de akribisch Buch über seine Anstrengungen auf dem Weg zum großen Ziel, das er unterstützt von seinem Hausarzt, einem Trainer und einem Physiotherapeuten zu erreichen gedenkt. Das Trio arbeitet für ihn einen jeweils acht Wochen gültigen Trainingsplan aus. Regelmäßig unterzieht er sich Belastungs-EKGs und lässt sich Yoga-Lektionen erteilen. Zwischen drei und fünf Trainingseinheiten pro Woche absolviert er.
 
2015 will er das Wagnis – jene 32,31 Kilometer, die Dover von Calais trennen – angehen. Im nächsten Frühjahr möchte er sich bei der Channel Swimming Association (CSA Ltd.) anmelden. Die Organisation weist den Abenteurern in spe dann ein Zeitfenster für die Durchquerung zu. Die muss in Badehose geschehen – so will es das Reglement. Deshalb wird sich Jürgen Schenke im nächsten Jahr vorwiegend auf eines konzentrieren: Das Schwimmen in winterkalten Gewässern – ohne Neoprenanzug, versteht sich. Diverse Seen wolle er durchqueren und sich auch an Meerengen versuchen. Insgesamt 10 000 Euro werde ihn der Traum kosten – das Begleitboot für die Kanaldurchquerung inbegriffen. „Dafür spare ich eisern“, versichert der zweifache Vater. So zwölf bis 14 Stunden werde er wohl kraulend unterwegs sein, mutmaßt er.

Warum es ausgerechnet der Ärmelkanal sein soll – Jürgen Schenke weiß es nicht, „aber diese Sache fasziniert mich einfach“. Einmal, vor 28 Jahren, hat er ihn per Schiff überquert: auf dem Weg nach London, erinnert sich der groß gewachsene Mann.

Und was sagen Familie, Freunde und Kollegen zu seinem Vorhaben? „Meine Frau, die Silke, hat gleich verstanden, dass sie mir das nicht ausreden kann.“ Andere hätten seinen Plan bayerisch-pragmatisch mit einem „Spinnst jetzt“ kommentiert oder seien ganz vornehm und mit ungläubigem Blick darüber hinweggegangen. Aber letztlich sei ihm das auch egal. Im Internet kommuniziere er rege mit Gleichgesinnten.

Stolz strafft Jürgen Schenke seine Schultern. Diese Körperpartie sei während seines Konditionstrainings wesentlich breiter geworden. Disziplin sei jetzt seine Devise. Die Muskeln wolle er weiterhin stählen und die Kondition kontinuierlich steigern. „Schließlich braucht man auf offener See eine gewisse Sicherheit.“ Erst habe er für 1200 Meter 40 Minuten gebraucht, „jetzt schaffe ich schon drei Kilometer in einer Stunde“, strahlt Schenke, der den Ärmelkanal strömungstechnisch als „relativ ungefährlich“ einstuft.

Und was, wenn er dann doch scheitern sollte? Der Justizfachwirt zuckt mit den Schultern: „Dann habe ich es wenigstens geschafft, nach 20 Jahren mit dem Rauchen aufzuhören und nach einer ultralangen Pause wieder Sport zu machen.“