Neuburg
Donau erhält "ein Stückchen Lebenskraft" zurück

29.06.2010 | Stand 03.12.2020, 3:54 Uhr

 

Neuburg (r) "Hier fließen die Millionen hinunter". Ein bisschen respektlos beschreibt ein Bergheimer Zaungast den Vorgang, dem die Politiker gleich "europäische Bedeutung" zuordnen werden. Bayerns Umweltminister Markus Söder zapfte gestern der Donau dreieinhalb Kubikmeter grünbraunes Wasser ab.

Der Schwall aus dem Bergheimer Stausee schließt ein langgehegtes Umweltprojekt ab: die teilweise Renaturierung von 2000 Hektar Auwald zwischen Neuburg und Ingolstadt. Dem künstlichen Fluss trauen die Fachleute zu, ein acht Kilometer langes Gerinne in Grünau Richtung Ingolstadt zu beleben. Bei Hochwasser dürfen sogar bis zu 300 Kubikmeter pro Sekunde aus dem Stau in die Auen hinaus.

300 Gäste hatte das Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt geladen – zum "Ereignis des Jahres", das 1999 erdacht und bei der Expo 2000 präsentiert worden war. Bevor Minister Söder, auf dem Weg zum Präsidententermin in Berlin, den Knopf drückte, sprach er von einer "neuen Zeitrechnung" im Artenschutz. Das Auenprojekt sei geeignet, "der Donau ein Stück Lebenskraft zurückzugeben".

Fluss und Aue seien wieder miteinander verbunden. Der Aufwand für die Donau, "einen der vitalsten Flüsse, die wir haben", hält Söder für gerechtfertigt. Die Gesamtkosten betragen 15 Millionen, davon steuerte der Freistaat Bayern – auch über EU-Gelder – elf Millionen bei. Für das durchdachte Natur- und Hochwasserschutzprojekt, so der Umweltminister, gebühre der Fachbehörde und der ganzen Region ein Kompliment.

Wunden im Auwald

Die Wasserwirtschaftler ließen Betonbrücken, Wehre und Wege bauen. "Wunden im Auwald waren nicht immer vermeidbar", so Baudirektor Karl Deindl, aber die Natur werde sich die Lücken bald zurückerobern. Der Amtschef bezeichnete das internationale Auenprojekt als "Musterbeispiel für staatliche und kommunale Zusammenarbeit".

Diesen Umstand bestätigen OB Alfred Lehmann, OB Bernhard Gmehling und Landrat Roland Weigert. "Das Leuchtturmprojekt krönt den internationalen Donautag", so der Landrat. Ingolstadts Oberbürgermeister sieht seine Großstadt auf dem richtigen Umweltpfad: "Wir wollen auch eine starke Ökologie, um unsere Lebensbasis zu sichern". Neuburgs OB Gmehling inspirierte das Flutungsevent zu lyrischen Gedanken: Er trug ein Werk des Dichters August Sonnenfisch über "Die Donau und die Liebe vor".

Die Pfarrer Gerd Zühlke und Jürgen Habermann segneten die Flutanlagen. Nach dem Halali der Neuburger Jagdhornbläser ging die Gästeschar ihrer Wege: Markus Söder im Eiltempo nach Berlin und der Rest ins Jagdschloss der Wittelsbacher, die gestern mit Prinz Ludwig von Bayern vertreten waren. Einige Besucher blieben am Wehr zurück und überlegten – bei 30 Grad Hitze – ernsthaft, ob man im frischströmenden Ausleitungsbach nicht ein schnelles Bad nehmen könnte.

Degradierte Donau

Ein Gast aus Bonn hatte noch eine Mahnung mitgebracht: Andreas Krug vom Bundesamt für Naturschutz lobt die Auenrevitalisierung, sagte aber gleich dazu, dass sie kein Argument für weiteren Staustufenbau an der letzten freifließenden Donau sein dürfe. "Es wäre widersinnig, künstliche Ausleitungen zu bauen und den Fluss andernorts wieder einzudämmen", meint der Abteilungschef aus Bonn.

Dass der Auwald trockenfällt und die Donau weitgehend zu einem Kanal degradiert ist, daran ist der Staustufenbau der 70er und 80er Jahre durch die damals staatliche Rhein-Main-Donau AG schuld. Die Kraftwerke liefern zuverlässig Strom, haben aber dem Fluss und der Artenvielfalt die Dynamik genommen. Aus den rauschenden Kiesbänken von einst sind verschlammte Ufer mit Felsbrocken und Beton geworden.

Umweltminister Markus Söder sagte auf Anfrage, dass die CSU den Ausbau der Wasserkraft in Bayern nicht um jeden Preis wolle: "Optimierung alter Standorte geht vor Neubau". Gegen Gedankenspiele, die Donau bei Lechsend und Eining sowie den Lech bei Augsburg weiter zu zerstückeln, regt sich massiver Widerstand.